Nahmen die Franken die Kursivschrift und bildeten sie zu spitzen und höchst zierlichen Zügen aus. So entstand bald ein große Ver- schiedenheit der Schrift und die eng aneinander gefügten, mannigfach mißverstandenen Buchstaben waren schwer lesbar. Es war daher für die Entwickelung der Schrift von höchster Wichtigkeit, als eine neue Form der Buchstaben erfunden wurde, die allmählich allgemeine Anerkennung erlangte. Es war der Ire Alcuin , dem König Karl die Abtei St. Martin in Tours übergeben hatte und der bei ihm die Stelle eines Unterrichtsministers einnahm. Er formte eine neue Schriftart in kleinen, aber zierlichen und ebenmäßigen Zügen, die viel schöner und lesbarer ist als alle früheren Charaktere. In schöner Symmetrie auseinandergestellt, nicht übermäßig spitz, son- dcrn sanft gerundet, erlaubte fie eine genauere Worttrennung, während bisher die Buchstaben ohne Abheben der einzelnen Worte nebeneinandergestellt worden und daher schwer zu entziffern ge- Wesen waren. Diese Form verbreitete sich nun durch das gesamte Frankreich bis zu den Normannen und nach England, und so wurde die schöne fränkischeMinuskel" die allgemeine Schrift des Mittel- alters, die erst in der Renaissance durch eckige Formen der lateini- schen Schrift, die sogenannten gotischen Buchstaben, verdrängt wurde. Auf vielen Holzschnitten und Miniaturen erblicken wir eifrige Mönche, die sich dem schwierigen Amt des Schreibens hingeben. Mit dein spitz zugeschnittenen Rohr oder der Feder, die sie tief unten gefaßt haben, malen sie sorgsam die Buchstaben auf das schön ge- glättete Pergament. Der schon bei den alten Acgyptern gebrauchte Papyrus wurde nämlich bereits im frühen Mittelalter fast ganz durch Tierhäute, besonders Kalb- und Schaffelle, ersetzt, die mit Kreide grundiert und dann beschrieben wurden. Neben dem Schreiber, der mit tiefschwarzer Tinte aus Galläpfeln. Eisenvitriol, Gummi und Wein schrieb und mit Bimstein oder dem Federmesser verbesserte. stand der Rotschreiber, der die Anfangsbuchstaben der Kapitel und sogar die ersten Buchstaben der einzelnen Satze, den Titel und die Ueberschristen mit Mennig in Rot ausführte. Zum Notieren und zu schnellen Aufzeichnungen und Schriften diente eine Wachstafcl, in die mit spitzem Griffel geritzt wurde und auf der die Schrift schnell wieder verlöscht werden konnte. In den Klöstern wurden nun auf solche Weise große Handschriften abgeschrieben, und zwar geschah das Schreiben bisweilen als ein gutes Werk, durch das der Schreiber ewigen Lohn zu erlangen hoffte, bisweilen aber auch als Strafe, wenn ein Mönch sich etwas hatte zuschulden kommen lasten. So wechseln in einer Handschrift manchmal die verschiedenartigsten Hände, geübte und ungeübte, schnell miteinander� ab. Am Ende aber dankt der letzte Schreiber nach den langen Mühen dem Herrn, der ihm bis hierher geholfen; doch machen sich auch häufig weniger fromme Wünsche laut. So wünscht sich der eine ein hübsches Mädchen, der andere schimpft über den geringen Lohn, den er er- hält, oder bekennt, daß er ihn schon ganz in Wein vertrunken habe, was seinem Beutel geschadet, aber der Leber gut getan. Sehr häufig findet man auch in den alten Handschriften derbe Verfluchungen eines künftigen Diebes, den man schon im voraus in die Hölle zu Judas und den anderen Ketzern wünscht und mit einem drohenden Hüte Dich!" warnt. en. Die gesundheitliche Bedeutung des Straßenpflasters. Einer der schlimmsten Feinde des Großstädters ist der Strahenlärm. Der Gehörnerv, der wie alle anderen Nerven ruhebedürftig ist, und so- wohl unter dauernden als auch unter allzu starker Inanspruchnahme leidet, ist vielleicht der meist mißhandelte aller Nerven. Da eine Nervenreizung, woher fie auch kommen mag, sich nicht nur auf den gereizten Nerv beschrankt, sondern das ganze Nervensystem mehr oder weniger in Mitleidenschaft zieht, so schädigt der Lärm nicht nur das Gehör, sondern den ganzen Menschen. Man glaube nicht, daß hier die Gewöhnung ausgleichend eingreife. Für den Straßenlärm gilt diese Beschwichtigung schon deshalb nicht, weil er ungleichmäßig und so verschiedenartig ist, daß eine Anpaffung an ihn gar nicht ein- treten kann. Im Interesse der leidenden Großstadtmenschheit tritt W. Ritter in der ZeitschriftBitumen" für ein möglichst geräusch- loses Straßenpflaster ein. Er meint, daß spätere Geschlechter es kaum werden verstehen können, wie wir bei all dem Lärm, der uns umgibt, anstrengenden Berufen nachzugehen vermocht haben. Man bedenke, daß die sogenannten geräuschlosen Pflaster, Holz und Asphalt, sich im wesentlichen nur im Stadtinnern und in den Haupt- straßen finden, und daß das Steinpflaster noch die weiteste Ver- breitung besitzt. Der Höllenlärm, den ein womöglich mit losen Eisenstangen beladener Lastwagen verursacht, wenn er über Stein- Pflaster rollt, bedarf keiner eingehenden Schilderung, um in seiner ganzen Furchtbarkeit nachempfunden zu werden. Aber abgesehen von dem Lärm, den das Straßenpflaster heraufbeschwört, hat es auch andere gesundheitsschädigende Eigenschaften. Seine Fugen bieten Tausenden von Kleinlebewesen einen willkommenen Unter- schlupf, und da eine gründliche Reinigung sich schwer bewerkstelligen läßt, werden jene samt dem Staube von den Menschen in ihre Woh- nungen getragen. Wenn auch in viel geringerem Matze, so weist doch auch das Holzpflaster Fugen auf. die seine Reinhaltung er- schweren. Deshalb genügt auch dieses nicht allen Ansprüchen der Hygiene, obgleich der Verkehr auf Holzpflaster sich fast geräuschlos bollzieht. An erster Stelle steht der Asphalt. Seine Verwendung als Straßenpflaster ist alt. Schon in den dreißiger Jahren des borigen Jahrhunderts sind in Paris und Lyon Straßen mit Asphalt gegossen worden, aber allerdings nur Fußwege. Auf dem Fahrdamm hat es erst 1820 Verwendung gefunden. Die Bestrebungen der Pexsnty, Redakt.: Sarl Mermuth , Berlin -Rftdorf. Druck u. Verlag: modernen Technik gehen dahin, ein billiges Ersatzmittel für den natürlichen Asphaltstein zu gewinnen. Seine Verbilligung würde auch seine hygienischen Vorzüge zur allgemeinen Anerkennung bringen. Aus der Pflauzeuwett. lu Reue Kautschukpflanzen. Der Kautschuk, der ein- gedickte Milchsast verschiedener tropischer Gehölze, findet in Technik und Industrie ständig steigende Verwendung. Eine rücksichtslose Ausbeutung der wildwachsenden Bäume hat dazu geführt, daß die Ernten zurückgingen; dadurch wurde die Frage der Au- Pflanzung von Kautschukpflanzen bedingt. Weil jedoch die seit­her ausgebeuteten wildwachsenden Pflanzen durchweg erst viele Jahre nach der Anpflanzung eine Ernte ergeben, so ist man feit Jahren auf der Suche nach Pflanzen, die schon in der Jugend Kautschuk liefern. Eine solche Pflanze ist jetzt aufgefunden worden; es ist ein Schmarotzer, ein Verwandter der auf unfern Obstbäumen schmarotzenden Mistel. Diese Pflanze wurde als Kautschuk liefernde von einem Italiener in Venezuela entdeckt. Die begehrenswerte Masse sitzt um die Beeren dieser Kcuttfchuk- mistel, genau so wie die Beeren unserer einheimischen Mistel in einer Schleimschicht eingebettet sind. Im zweiten Lebensjahre haben diele Misteln schon eine stattliche Größe erreicht, so daß fie reichliche Ernte ergeben. Als ein Vorteil wird es betrachtet, daß die Kautschulmistel hinsichtlich der Nährpflanzen nicht sehr wählerisch ist. Sie läßt sich leicht in Kaffee-»nd anderen Plantagen, die ihren Zweck erfüllt haben und neu bepflanzt werden müßten, ansiedeln, so daß also derartige Anlagen aufs neue ertragreich werden. Humoristisches. Stolz. Sepp: ,O mei, Toni, wie siehgst Du aus Dir hat ja das Automobüll D e i Kopf bös zug'richt." Toni:Sell fcho aber d ö s A u tom o b ül l sollst erst g'sehgn hab'n, wia dös herg'schaut hat I" Ahnungsvoll. Hausknecht:.Herr Doktor, Sie möchten rasch mit Verbandszeug zum.goldenen Hirsch' kommen 1" Arzt:Was ist denn da passiert?" Hausknecht:.Noch nichts; aber sie fangen schon an zu schimpfen!" Gute Ausrede. Junge Frau(schmollend zum Gatten):.Seit Mama hier ist, gehst Du jeden Abend aus!" Gatte:Aber Kind ich will doch von ihrer An- Wesenheit auch etwas h a b enl' (.Meggendorfer Blätter ".) Notizen. Leo Tolstoi gibt demnächst ein neues Werk heraus. Es führt den Titel:Göttliches, Menschliches" und befaßt sich u. a. mit den freiheitlichen Bewegungen in Rußland während der achtziger und neunziger Jahre. DasHungertuch." lieber den Ursprung dieser Wort- bildung teilt Dr. Kellner in einem Buche über die geschichtliche Ent- Wickelung des Kirchenjahres einiges mit. Den Beginn und die Dauer der Fastenzeit machte man im Mittelalter für das Auge dadurch bemerkbar, daß man am Aschermittwoch oder am ersten Fastensonntag in den Kirchen zwischen Schiff und Chor einen großen Vorhang aufhängte, das sogenannte Fastentuch. im Volksmunde Hungertuch" genannt. Dasselbe blieb bis Karfreitag hängen, wurde aber an manchen Orten Sonntags zurückgezogen, offenbar deshalb, weil an den Sonntagen nicht gefastet wird. Das Tuch war meistens schmucklos, nicht selten aber mit bildlichen Darstellungen aus der Heiligen Geschichte versehen. Die ersten Erwähnungen in der Literatur finden sich im neunten Jahrhundert, der Gebrauch geht aber jedenfalls in noch ältere Zeiten zurück; in einzelnen Orten in Westfalen und Hannover hat er fich bis auf den heutigen Tag erhalten. Die Darmstädter Künstlerkolonie soll ver- staatlicht werden. Eine schlechte Honigernte steht in diesem Jahre in Aussicht so wird aus Rheinland und Westfalen berichtet, wo die Bienenzüchter teilweise ihre Völker schon füttern müssen, statt den Stöcken Honig zu entnehmen. In den Bezirken, wo Buchweizen gepflanzt wird, und in den Heidegegenden, z. B. der Lüneburger Heide , find die Aus sichten besser. Der Nonnenfalter tritt massenhaft auch in den Gablonzer Wäldern auf. Schulkinder ziehen, geführt von den Lehrern, in die Wälder und töten den Schädling zu taufenden. Einzelne Gemeindeämter zahlen Prämien: für 100 getötete Nonnen­falter 10 Heller. Die Nonne zählt zu den schädlichsten Forstinsekten; fie ist ein 45 bis 60 Millimeter klafternder Rachtschmetterling, deffen Raupe sehr gefräßig ist und besonders den Fichten verderblich wirb. Man vertilgt die Tiere durch Einsammeln ihrer Eier, der jungen Raupen, so lange diese noch in sogenannten Spiegeln zusammen- sitzen, besonders aber durch das Töten der Puppen und der Weib- lichen Schmetterlinge. BortvärtsBuchdruckerei u. Verlagsanstalt Paul Singer Li�p.,Be.rlinLW.