- 607- AlleSfreffer od« befitzen wenigstens insofern eine gewisse Auswahl, als sie verwandte Pflanzen derselben Familie mit gleicher Be- gierd« angreifen. Der Unrat, den sie in großen Massen von sich geben, zeigt gewöhnlich ganz eigentümliche Formen und Eindrücke, die von vorspringenden Leisten der letzten Darmabteilung her- rühren, und dient häufig dem Kenner zur Erkenntnis und als Leitung nach dem Orte hin. wo die Raupe sich versteckt hält. Von ganz besonderer Wichtigkeit ist die Struktur der Raupen und namentlich diejenige ihrer Füße. Alle haben drei Paar hör- nige, aus verschiedenen Gelenken zusammengesetzte echte Füße an dem vorderen Teile ihres Körpers, alle besitzen aber außerdem noch sogenannte falsche Füße oder Bauchfüßc, deren Zahl je nach den Gruppen wechselt. Im höchsten Falle finden sich, wie bei den meisten Tagfaltern, Schwärmern und Spinnern, fünf Paar solcher Füße, deren letztes gewöhnlich an dem Hinteren Ende des Körpers, die übrigen mehr in der Mitte des Bauches stehen. Bei den so- genannten Spannraupen aber vermindert sich die Zahl bis auf drei Paare, die dann an dem Hinteren Ende des Körpers stehen, so daß die Raupe bei jedem Schritte einen Katzenbuckel macht und den Hinteren Teil des Körpers so nachzieht, daß er in der Nähe des Kopfes wieder sich festklammert. Während man an diesen all- gemeinen Kennzeichen die Gruppen unterscheidet, dienen die Größe, Färbung, namentlich aber die Ausdehnung der Behaarung, die viele Raupen besitzen, zur Unterscheidung der Arten. Manche Raupen sind ganz nackt, andere über und über mit langen Haaren besetzt, die unter dem Mikroskope wie dornige, mit Widerhasen be- setzte Lanzen aussehen und hierdurch sowohl, wie durch leichtes Ab» brechen sehr unangenehme Folgen beim Menschen verursachen können. Nicht ungestraft greift man eine Prozessionsraupe an: die Haut rötet und entzündet sich, und in den Wäldern, die von Pro- zessionsraupen erfüllt sind, hat man sogar durch Einatmen der giftigen Haarbruchstücke, die der Luftzug mit sich führt, gefährliche und schmerzhaste Reizung der Luftwege zu gewärtigen. Nach der letzten Häutung(und es können deren bis zu sieben stattfinden) bereitet sich die Raupe zum Puppenschlafe vor. Die einen, namentlich Tagfalter, machen gar kein Gespinst, sondern hängen sich frei an dem Ende auf oder schlingen noch einen Seiten- faden um ihre Brust, so daß sie in wagerechter Stellung sich be- finden. Andere, besonders Eulen und Schwärmer, kriechen bis zu einer gewissen Tiefe in die Erde und verwandeln sich dort in eine Puppe, die meistens nur durch eine geglättete Höhle geschützt ist. Die meisten hingegen fertigen mittels eines zähen, klebrigen Saftes, der aus den Spinndrüsen quillt, die häufig die ganze Länge des Leibes einnehmen und neben dem Munde sich öffnen, ein mehr oder minder kunstvolles Gespinst, einen Kokon, in dessen Innerem erst die Puppe liegt, in der sich meistens die einzelnen Körperabteilungen. sowie der Rüssel schon unterscheiden lassen. Bekanntlich ist gerade das Gespinst des Seidenwurmcs deshalb vor anderen brauchbar, weil der feste Faden, aus dem es gesponnen ist, mit äußerster Regelmäßigkeit in Spiraltouren angelegt ist und deshalb mit großer Leichtigkeit abgesponnen werden kann. Innerhalb der Puppe entwickeln sich auf Kosten des in großer Masse angehäuften Bildungsstoffes während der Ruhezeit alle die- jcnigen Organe, durch die sich der Falter von der Raupe unter- scheidet. Namentlich bilden sich nun die Geschlechtsorgane aus, so daß der Schmetterling in dem Augenblicke, wo er die Puppenhülle durchbricht, vollkommen zur Fortpflanzung befähigt erscheint. Ge- wöhnlich ist hierzu die Begattung unerläßlich, und in der Tat sehen wir die Männchen diese mit vielem Eifer suchen und sogar in Auf- findung der Weibchen von großer Schärfe der Sinne Zeugnis ab- legen. Alle Schmetterlingssammler wissen, daß man namentlich bei gewissen Nachtschmetterlingcn, wenn sie auch sehr selten in der Gegend vorkommen, nur ein eben ausgeschlüpftes Weibchen an- gespießt in das Freie stellen darf, um nach Verlauf weniger Abend- stunden einige Männchen in seiner Nähe versammelt zu sehen. Gewöhnlich haben die Schmetterlinge nur eine einfache Gene- ration während des Jahres. Der Falter erscheint im Frühling oder Sommer; die auS den Eiern schlüpfenden Raupen fressen während des Sommers, verpuppen sich im Herbste und lassen im Frühling den Falter wieder erscheinen. Ost auch, wenn die Falter erst später im Sommer erscheinen, überwintert die Raupe, frißt sich im Früh- jähre noch fertig und verbleibt dann kürzere Zeit während des Vor- sommers im Puppenzustande. Doch findet man auch, namentlich bei den kleineren Faltern, manchmal zwei Generationen, indem Falter im Frühjahr und Herbst zum Vorschein kommen. Betrachten wir nun einige dieser schädlichen Tiere im ein- zelnen. Unserem Garten tun besonders wehe die Tagfalter, nament- lich die Weißlinge, der Baumweißling, der unsere Birnen-, Aepfel- und Zwetschenbäume verheert, der Kohlweißling, der Kohl, Kraut, Wirsing , Raps, Rüben und Kohlrabi angreist, der Rüben- Weißling, der außer denselben Pflanzen noch namentlich der wohl- riechenden Reseda recht verderblich wird, sowie der Rübensaat- Weißling, der namentlich dem Sommcrrübsen nachstellt. Die Abendschwärmer sind der Landwirtschaft weniger schädlich, denn wenn auch ihre Raupen gewaltig groß und gefräßig sind, so treten sie doch nicht massenhaft auf, um wahrhaft zerstörend wirken zu können. Schädlicher als die Schwärmer sind die Spinner, die nur bei Nacht fliegen, von Zweig zu Zweig huschen und flattern. Am schlimmsten unter ihnen sind diejenigen, die in weißer Hüllung abends und nachts umherschwärmen. Besonders zu nennen sind der Goldafter, der Goldsteiß, der Großkopf und der Ringelspinner, ein rotgelber Spinner, mit brauner Binde auf dxn Flügeln, In ungeheurer Menge fallen in manchen Jahren die Obst- und Gartenbäume den Raupen des großen und des kleinen Frost- spanners zur Beute. Die Frostspanner erscheinen erst im Spät- herbst und Winter, von Ende Oktober bis in den Winter hinein, und ihre Eier überdauern die strengste Kälte. Sie schlüpfen in den ersten Frühlingstagen aus und fressen sich sogleich in die Knospen hinein. Sie suchen vorzugsweise die Blütenknospcn auf, indem sie zugleich zu Schutz und Obdach Blätter und Blüten zusammen- spinnen. So kommt eS vor, daß der kleine Frostspanner ganze Ge- markungen von Obstbäumen dergestalt verwüstet, daß auch nicht eine Blüte zur Entwicklung kommt und die Bäume wie rot und ver- brannt aussehen. In Dämmerung und Nacht treiben die unscheinbaren Klein- falter ihr Unwesen, die Zünsler, die Wickler, die Motten oder Schaben. Den Rapsfeldern wird besonders der Pfeiffer, den Wein- gärten der Weinzünsler und der Sauerwurm gefährlich, den Pflaumenbäumen der ekelhafte Pflaumenwicklcr, dem Korn der Weißkornwurm oder die Kornmotte, den Bienenstöcken die Wachs- schabe. Alles dieses kleine Zeug der Schmctterlingswelt treibt be- ständig sein Unwesen gegen uns in Feld und Wald, Garten und Wiese, in Häusern, Ställen und Scheunen, in Kleidern und Vor- räten, so daß wir unS ihrer oft kaum zu erwehren wissen.— Bernhard Walter Kleines Feuilleton. — Das kluge Huhn.(Nachdruck verboten.) Im Hühnerhofe war große Gesellschaft. Bon überall her waren die Hühner und Enten gekommen. Zu einen» Gericht frischer Maienkäfer waren sie eingeladen, wie eS hieß, in Wahrheit aber, un» die neue Nachbarin in Augenschein zu nehmen: eine Andalusierin mit tiefschwarzem Gefieder und blauen Bäcklein. Wirklich blauen I Andere Spanier waren ja in der Gegend nichts seltenes, aber Andalusier waren noch nie gesehen loorden I Die Fremde benahm sich entschieden nett, sie begrüßte jede der Hennen und nur ganz kurz den Hahn l Sie beantwortete sämtliche Fragen mit ja oder nein. Mehr sagte sie nicht. Selbst frug sie nichts. Nur die Hennen, die Junge hatten, ftug sie, ob die Kleinen gesund seien und fügte hinzu, daß sie selten so hübsche Küken gesehen hätte! Diese Weisheit hatte sie von der Groß, nutter. .Küken," hatte die gesagt..du gehst nun in die Welt. Klug bist du nicht. Also gibt es für dich nur zweierlei: Begegnet dir ein Hahn, so suche ihm zu gefallen, indem du schweigsam bist, und begegnet dir ein Huhn, so lobe ihre Jungen! Beide werden deine Klugheit preisen I" Die einzige wirkliche Klugheit des spanischen Kükens war die, daß eS seiner Großmutter gehorchte, und auch diese Klugheit ver« dankte eS nur seiner Dummheit: eS fiel ihn» leichter zu gehorchen, als selbst zu denken! Der Rat des alten spanischen HuhneS bewährte sich. .ES ist wirklich eine gescheite Henne," sagten die mütterlichen Hühner. .DaS ist sie", bestätigte der Hahn und fügte anzüglich hinzu: Wenigstens gackert sie nicht den ganzen Tag wie gewisse andere. Sie muß klug sein!" Run war die Parole ausgegeben..Die kluge Spanierin", so wurde sie bald überall genannt. .Sie kann reizend zuhören", sagten die guten, redseligen Hühner, und merkten nie, daß die Fremde bei ihren Erzählungen die Augen geschlossen hielt und träumte. .Und so bescheiden ist die", sagte die alte Ente,»wirklich ein kluges Wesen!" Die Ente konnte es nicht leiden, wenn ihr jemand widersprach, ganz besonder«, wenn eS junge Leute waren. Die Im, gen hatten ihre Reden mit j a zu beantworten, und damit basta l Und ja antwortete die Spanierin immer. Warun, hätte sie nein sagen sollen? ES war ihr ja ganz gleichgültig, was die Alte■ behauptete. Der Hahn aber liebte die schwarze Andalusierin eben- falls. Sie bewunderte ihn schweigend, nach dem Rezept der Groß- mutier. Mt kindlichen, runden Augen sah sie zu ihm auf. Sie schwieg, wenn die anderen gackerten. Sie lief immer dicht hinter dem Hahn und ging nie eigene Wege. Sie hatte nie eine eigene Meinung. „Wißt ihr, daß die Spanierin dumm ist?" ftug der Storch, der auch im Hühnerhof wohnte. „Dumm?" schrie empört der Hahn..Sie ist das Ideal eineS Huhnes I"— Die Spanierin hatte Junge ausgebrütet. Reizende schwarze Dinger waren eS. Sie hütete und fütterte sie. DaS besorgte sie gut, denn das tut ein Huhn ans Instinkt, dazu braucht eö keinen Verstand. Später wurde es schwieriger, da gab es allerlei unbequeme Fragen, denen das gute Geschöpf nicht gewachsen war. „Wie komme ich am besten durch die Welt?" ftug eines dtt Gockelchen.., � � Die Alte machte runde Augen.»Du mußt immer ja oder neu» sagen, und die Küken der Hennen loben," sagte da» Huhn,.da» ha» mich meine Großmutter gelehrt, und damit bin ich gut«gM lif
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23 (9.8.1906) 152
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