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gesezt ist, zu summen anfängt, so und noch rascher ergießt sich bei dem Anblick einer schönen Frau ein strömendes Gesäufel von Komplimenten über Claudes Lippen. Er berauscht sich an dem Rhythmus seiner eigenen Galanterien wie ein Dichter, dem sich im glücklichen Momente spielend Reim zu Reim fügt, und ist über die praktischen Effekte selbst am meisten verwundert. Als unvermeid­liche, auch ganz angenehme Konsequenzen nimmt er sie schließlich mit in Kauf und redet sich darauf hinaus, daß er doch nichts dafür tann. Harry Walden war glänzend in der Rolle. In aller Treulosigkeit des Handelns flang seine Stimme so treuherzig, so weich und ehrlich, daß man dem hübschen Burschen nicht nur seine Unwiderstehlichkeit, sondern auch seinen momentanen guten Glauben glaubte. Er war Weltmann und vertoöhnter, im Grund gutherziger naiver Junge in eins. Was an psychologischer Be­obachtung und Komik irgend in der Rolle lag, kam zu gesteigertem Ausdruck. Die besten Trümpfe des Schwanks waren bereits im ersten Akte ausgespielt, in dem der Held eine seiner unbedachten Phantasie- Galoppaden durch einen Heiratsantrag büßen muß. Das angeschlagene Thema wird in dem Folgenden, stellenweis nicht ohne bedenkliche Breite, dann nur variiert; der Enthusiasmus Claudes für seine junge Ehefrau vermag selbst in den Flitterwochen den Glutstrom seiner galanten Improvisationen nicht nach Recht und Vorschrift einzudämmen! Aber Walden verstand es selbst noch im letzten Akte, der ohne solche Darstellung leicht den Erfolg des Ganzen hätte in Frage stellen können, die gute Laune wach zu halten. In Marie Wendt hatte er eine frisch lebendige Partnerin, und das Ensemble griff geschickt ineinander. Für eine Beitlang dürfte das Lustspielhaus der Repertoiresorgen enthoben

sein.

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Humoristisches.

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In Algerien gibt es noch Klageweiber", die für Geld und gute Worte Begräbnissen teiwohnen und bei der Bestattung von Toten, die sie im Leben vielleicht nie gekannt haben, heiße Tränen vergießen. Lezzthin so erzählt ein französisches Blattging jemand zu einer solchen Klagefrau, um sie zur freund­lichen Mitwirkung bei der Beerdigung eines seiner Verwandten zu engagieren. Es geht nicht," erwiderte sie.-Warum nicht?" Ich kann heute nicht weinen, ich habe in der vorigen Nacht meinen Mann verloren!"

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und Zauberglauben in enger Beziehung standen. Eine große Zahl solcher Beispiele stellt Dr. Ludwig Reinhardt in seinem schönen Werke Der Mensch zur Eiszeit in Europa" zusammen, von denen einige hier wiedergegeben seien. Wie oft passiert es, daß man am Mittagstisch auffordert, alles sauber aufzuessen, damit es morgen schönes Wetter gebe. Heute denkt sich wohl niemand mehr etwas dabei, die Anschauung jedoch, welche ursprünglich diesen Worten zugrunde liegt, ist die, daß, wenn man nicht aufißt und Speisen im Hause zurückbleiben, die hungrigen Geister der Ver­storbenen herbeikommen, um sich an ihnen gütlich zu tun. Die Geister aber ins Haus zu locken ist sehr gefährlich, da sie Un­wetter, Krankheit und sonstiges Unerwünschtes im Gefolge haben." Wenn heute jemand in Gesellschaft anderer Personen gähnt, so bedingt die gute Erziehung, den weit geöffneten Mund mit der Hand zu verdecken. Wir glauben dieses in der Absicht zu tun, um das unschöne Aufreißen des Mundes zu verbergen. Doch liegt diesem Tun eine tiefere Bedeutung zugrunde, die wir nicht mehr kennen, die wir aber bei den Menschen auf niedriger Kulturstufe erfahren. In alten Zeiten hat man beim Gähnen scheu den Mund mit der Hand verdeckt, um bösen Geistern, die Krankheit und Tod nach sich ziehen könnten, den Eintritt in den Körper zu verwehren. Auch heute noch befreuzigt sich die Landbevölkerung von Tirol beim Gähnen, damit einem nichts Böses in den Mund tomme", und der Mohammedaner ruft beim Gähnen: Bei Allah suche ich Zuflucht vor Satan, dem Ver­fluchten!"" Auch in den Märchen der nordischen Völkerschaften tehrt häufig die Erzählung wieder, daß der Troll, eine Art Kobold, dem Gähnenden in den weitgeöffneten Mund schlüpft und ihn nun auf alle nur denkbare Weise quäle und belästige. Aehnlich verhält es sich mit dem Niesen. Hier verlangt die Sitte, dem Niesenden ein" Profit" oder" Zur Gesundheit" zuzurufen. Das ist auch so ein Ueberbleibsel aus früheren Kulturzuständen; denn heute noch wird bei allen primitiven Menschen das Niesen als ein Zeichen der Gegenwart von Geistern aufgefaßt." So rufen z. B. die Zulus beim Niesen: Der Geist meiner Ahnen ist in mich gezogen, er ließ mich nießen, ich will ihn preisen." In weiten Kreisen der Land­bevölkerung findet man selbst in unserer aufgeklärten Zeit den Aberglauben berbreitet, daß Tote gerne in das Haus, in welchem sie verstarben, zurückkehren, um einen der Angehörigen frank zu machen oder gar sterben zu lassen. Dieser Voltsglauben beruht auf der Erfahrung, daß häufig bei Infektionskrankheiten einem Todesfalle in der Familie durch Ansteckung andere folgen". Oft hört man selbst bei uns Kulturmenschen den Wunsch aussprechen: Möge der Tote Ruhe finden in seinem Grabe," mit dem es einem tiefer Ernst ist. Ja, in vielen Gegenden öffnet man bei einem Todesfalle die Fenster, damit die Seele den Weg hinausfinde zum Himmel und nicht etwa zurückbleibe und die Ueberlebenden ängstige und quäle. Oft geht die Sorge sogar so weit, daß man die Zimmer auskehrt und alle Gegenstände und Möbel beklopft, damit sich der Geist nicht heimlich irgendwo verborgen halten tann. Auch beim Hinaustragen des Sarges gelten besondere Regeln. Sowie er das Haustor überschritten hat, soll man ein Gefäß mit Wasser hinter ihm her über die Schwelle gießen, denn Wasser hält am sichersten alle Dämonen fern, wie geweihtes Wasser ja auch heute noch aller Orten angewendet wird, um Gegenstände zu feien. Dann muß man aber auch bis zur Beendigung des Begräbnisses sorgfältig alle Türen und Fenster verschlossen halten, sonst kann die Seele des Verstorbenen doch leicht noch Eingang in das Totenhaus finden und die Bewohner durch Umgehen" ängstigen. Selbst Opferdar­reichungen sind uns nicht fremd. Wie man früher durch Ueber­lassung eines Teiles der Früchte auf dem Felde die Geister von den Wohnstätten fortlodte und überhaupt bei guter Laune erhielt, damit sie nicht Schaden und Aergernis über die Menschen brächten, so gehört auch das Fasten und das Heilighalten" von Tagen, in­dem man alle Arbeit unterläßt, zu den urältesten, über die ganze Erde verbreiteten und bei allen Völkern wiederkehrenden Kultur­handlungen. Erinnert sei endlich noch daran, daß, trotzdem der Heren- und Götterglauben längst dahingeschwunden sind, wir dennoch Frühlings- und Herbstfeste, die Sommer und Winterwende feiern, und Walpurgis- und Johannisfeuer abbrennen. Leicht Eine meteorologische Station auf der Insel ließen sich noch hunderte ähnliche Fälle anführen, aber diese weni- ap hat die amerikanische Regierung errichtet. Die neue Station gen Beispiele genügen schon, um zu zeigen, wie tief und unaus- wird, dem Geographischen Anzeiger" zufolge, der Prognose rottbar solche alten Sitten und Gebräuche in unserem ganzen Ge- der Wirbelstürme" ganz besondere Beachtung schenken, da fühlsleben wurzeln und wie sie immer und immer wieder in man beobachtet hat, daß die verheerenden Taifune, die so oft die scheinbar ganz harmlosen Redensarten und Gebräuchen zum Ostfüste Asiens bis nach Japan hinauf verheeren, in der Gegend Durchbruch kommen. von Yap ihren Entstehungsherd haben.-

Theater.

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Aus der

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Tägl. Rundschau": Ein Gast sitzt zu urhessischen Zeiten in einer Kneipe Kassels und schimpft ziemlich vernehmlich über die miserabele Wirtschaft hier. Ein in der Nähe sizzender Polizist steht auf und ermahnt den Gast, er müsse ihn arretieren, wenn er fortfahre in gleicher Weise die Regierung zu beschimpfen. Gast: Aber ich habe doch nur hier die Wirtschaft, die Restauration gemeint." Polizist: Das kann jeder sagen; wenn hier jemand über eine miserable Wirtschaft schimpft, so weiß die hohe Obrigkeit recht wohl, daß die turfürstlich hessische Regierung gemeint ist."

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Notizen.

Nicolai Oltean" heißt ein österreichisches Soldaten­stück, das vom Raimund- Theater in Wien zur Aufführung angenommen wurde.

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- Das Opernhaus bereitet als erste Neueinstudierung Rigoletto" in italienischer Sprache vor.-

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Die Volksbibliotheken der deutschen Dörfer haben, wie Dr. Ernst Schulze in der Sozialen Praxis" aus führt, im letzten Jahrzehnt manche Fortschritte aufzuweisen. Während ihre Zahl vor 1895 auf weniger als 1000 angenommen wird, schätzt der Genannte sie heute auf etwa 5-6000. Eine sichere Statistik ist nicht vorhanden.

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Roosevelt Jusel. In der Nähe von Boroslov Jsland in den Aleuten ist eine neue Insel entstanden, die von Fischern den Namen Roosevelt Jsland erhielt. Sie ist vulkanischen Ursprungs. Das Meer in der Nähe war, so berichten die Entdecker, noch so heiß, daß an ein Betreten des mehrere Hektar ausgedehnten Felsens nicht zu denken war.

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Der Geldwert der Niagara fälle wird auf 300 millionen Dollar pro Jahr geschätzt.

Lustspielhaus. Spabenliebe", Schwank in vier Akten von Louis Artus. Der Pariser Schwank des Herrn Artus ge­hört zu den amüsanteren des Genres. Er mutet einem, das ist traditionelle Gattungseigenschaft, zu, daß man Betrügen und Be­trogenwerden in Liebesdingen für ein paar Stunden als eine heitere, belachenswerte Angelegenheit betrachtet, aber exekutiert auf diesem glatten Boden die gewohnten Kunststüde mit einer ge­wissen legeren Grazie, ohne mühsam erflügelte, peinlich wirkende Gliederverrenkungen. Der Held mit dem flatterhaften Spaßen­herzen unterscheidet sich von den unzähligen Bühnenkollegen im Durchgängerfach durch einen individuellen Atzent traumhafter Un­bewußtheit. Mit ähnlicher Naturgefeßlichkeit, mit der das Wasser im Teetessel ein paar Minuten, nachdem der Spiritus in Brand Verantw. Redakt.: Carl Wermuth, Berlin - Rigdorf.- Drud u. Verlag: Vorwärts Buchdruckerei u.Verlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin SW.

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Moral. Der Bayer. Lehrerztg." wird von einem Kollegen geschrieben: In der Präparandenschule zu St. mußten wir beim Würzburger Schützenmarsch" statt Kommt ein feines ägdelein usw." fingen: Gibt's ein feines Würstelein, schau'n wir auch nicht grämlich drein, wird stalpiert und halbiert, zu Gemüt geführt!"- Sehr hübsch!

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