Sie noch einmal haben und sie dann von sich stoßen wie ein schmutziges Gewürm! Ein Lachen war in seinem Gesicht. Am Abend ging er frühzeitig aus der Fabrik, er ging in die Metzgergasse, um der Paula dort aufzulauern. Er mußte lange warten, ehe sie kam. Sie hatte sich mit ein paar Freundinnen die Läden in der Hauptstraße an- gesehen. Vorm Haustor trat er ihr entgegen.„Guten Abend," sagte er spöttisch. „Guten Abend!" Sie wollte an ihm vorüber. Er stellte sich ihr in den Weg.„Na willst mich wohl durchlassen," sagte sie und gab ihm einen Stoß mit den Ellbogen. Er rückte nicht, aber mit seinen Fingern umspannte er ihre Handgelenke.„Tu kommst jetzt mit mir!" sagte er. „Nein!" Sie stemmte die Füße fest gegen den Boden, er konnte sie keinen Schritt mit fortziehen. Ihr Atem ging laut und ruhig. Morgen kommt ja der Christian. Ich werd doch also heut kein Narr mehr sein und mit dem laufe, wo ich die ganze Woch...! Stolz hob sie den Kopf. Nur schade, daß sie dem Christian nicht er- zählen konnte, wie tapfer sie sich gewehrt hatte! Sie seufzte. Mit einem Ruck versuchte der junge Mann, sie vom Fleck zu zerren. Er biß die Zähne zusammen, seine Augen funkelten. Seine Stirne war heiß. „Du kommst! Du nmßt koinmen," sagte er. „So!" Sie lachte kurz. „Ja! Meinst Du, ich ließ mich von Dir zum Narren halten!" Fester drückte-er seine Finger um ihre Handgelenke, sie wollte ihm die Hände entreißen: und sie preßte die Lippen zusammen und wandte alle Kraft auf, aber sie taumelte nur einen Schritt zurück. In dem Augenblick ließ er ihre Hände los und faßte sie fest um die Taille. Die Nöte stieg in ihr Gesicht.„Ich will nit!" sagte sie. „Ich will nit!" und sie krallte ihre Finger in seine Arme. „Tu mußt!" sagte er.„Ich laß Dich nit eher!" Er atmete kurz, dann biß er die Zähne zusammen, denn sie hackte ihre Finger in das Fleisch seines Armes, daß es ihn schmerzte. „Ich laß Dich nit!" sagte er nach einer Weile noch ein- mal.„Was ist das überhaupt für Kram! Meinst, ich hätte all das Geld an Dich gehängt, damit Du...!" Er lachte kurz und preßte dann wieder die Lippen zusammen, damit er nicht aufschreien müsse vor Schnierz. „Ich spuck Ter auf Dein Geld! Ich will keinen Groschen mehr von Der...1" „Ja, aber bis jetzt...!" „Ich Hab en Liebste, Du weißt...!" „Ten haste schon lang..." „Aber wenn der uns sieht...1" „Er is ja nit da..." „Ich Hab eni aber geschworc..." „Das haste schon oft gesagt, hast's mir ja weiß Gott wie oft erzählt und gelacht hast Du dabei... und jetzt mit einem Mal...!" Sie hatte ausgehört, ihre Nägel in sein Fleisch zu krallen. Ihre Hände sanken plötzlich schlaff herab. War das wahr, was der Härter sagte? Sie konnte es nicht glauben! So etwas Gemeines hatte sie tun können. Es kroch ihr eisigkalt den Rücken heraus. Ihr Selbstbewußt- sein, das so üppig aufgeschossen war während der letzten Tage, kriegte einen Peitschenhieb, unter dem es zusammensank. Der junge Mann, als er sie plötzlich so schlaff dastehen sah, wurde sanft. Er zog sie an sich heran.„Sei doch nit so!" bat er.„Warum bist mit einem Mal so ganz anders?— Komm!" Er zog sie ein paar Schritte mit fort. Plötzlich aber richtete sie sich wild auf, sie riß sich aus seinen Armen. Ihre Augen funkelten und sie stieß ihn vor die Brust.„Ich will nit," keuchte sie.„Ich hah das Luder- leben satt! Ich will ordentlich werden!" Und da der junge Mann kurz auflachte, wiederholte sie:„Ja, ordentlich! Und ich will mit Euch nix mehr zu tun haben I Ich... ich..." Sie rannte fort. Sie verschwand im Einfahrttor des Hauses und lief die Treppen hinauf. Mit einem verdutzten, ärgerlichen Gesicht blieb Härter in der Gasse zurück.„Das Frauenzimmer!" knirschte er zwischen den Zähnen, und dann lachte er kurz und trocken. „Ich krieg sie ja doch!" sagte er und rieb sich die Hände. «Aber für heute? Himmel, man kann sich ja wieder mal vesauf«» (Fortsetzung folgt.? sNachdruck verboten). Preiselbeeren. Schimmernde Lichter wirft die Morgensonne durch Lücken der Baumkronen auf den weichen Teppich des Waldbodens. Neue bunte Farben zaubert sie hervor; denn der Sommer geht mit eiligen Schritten zur Rüste und herbstliches Walten spürt man schon in der Natur. Verschwunden sind längst die niedrigen Wald- kräuter: die herrlichen Erdbeeren, vorüber ist auch die Zeit der dunklen Heidelbeere, und an den Zwciglein der Himbeerstöcke zeigt sich nur noch vereinzelt eine verspätete würzige Frucht. Doch tief am Boden reift ein neuer Segen. Vom gebleichten Moos, zwischen dürrem Heidekraut heben sich dunkelkräftig die immergrünen Ranken der Preißelbeere ab, und auf diesem Untergrunde beginnt es zu leuckten und zu schimmern in zarten rosaroten und satten Scharlachfarben. Wie das glänzt im Morgentau! Als ob eine unsichtbare Hand Korallen über Korallen in reichster Fülle ausge- streut hätte! Und in den Baumkronen schreit der Häher, im Unter- holz läßt die Drossel ihren Freudenruf erschallen. Preißelbecren! Preitzelbeeren? Ein Tischlein deck dich ist wieder der Waldboden geworden, eine neue reichliche Nahrung winkt den Vögeln des Waldes. Preitzelbeeren! Auch den Menschen locken die roten Früchte. Und wo die Forsten sich lveit und breit ausdehnen, im Wald- und Holzlande, in der Tiefebene und auf Bergeshöhen, ziehen in Scharen Weiber, Mädchen und Kinder mit Töpfen und Krügen, mit Körben und Wägelchen hinaus in den Wald, um Beeren zu sammeln. Eine mühselige Kleinarbeit, Beere zur Beere zu fügen, aber die Krüge füllen sich unter den fleitzigen Händen, es füllen sich die Körbe, und am Abend haben die Händler im Dorfe viel zu tun; Zentner über Zentner der Beeren werden nach den Groß- städten verladen. Uralt ist die Vorliebe des Menschen für diese herbe, aber er- frischende Frucht des Waldes. In den Küchenabfällen der Pfahl- bauern aus vorgeschichtlicher Zeit fand man neben den Samen- körnchen der Erdbeeren und Heidelbeeren in reichlichen Mengen auch die der Preitzelbeeren. Man geht sogar nicht fehl, wenn man annimmt, datz die Preitzelbeeren die erste, älteste Konserve der in unseren Wäldern lebenden Menschen bildeten, denn es gibt kaum eine andere Frucht, die sich so leicht über den Winter halten läßt. Dazu genügt ja unter Umständen schon mätziges Erhitzen oder ent- sprechendes Kühlhalten der frisch gepflückten Beeren. Während aber mit zunehmender Kultur der Mensch die Erdbeere aus dem lichten Walde in seinen Garten verpflanzte und hier veredelte, während er auch den Himbeer- und Brombeerstrauch in seine Pflege nahm, kümmerte er sich weder um die Heidel- noch um die Preitzelbeere. Sie sind Wildlinge geblieben, und erst in der neuesten Zeit begann man ihren Verwandten mehr Fürsorge zu schenken. In Brüchen und Sümpfen breitet über das Polster der Torf- moose ein immergrünes Kraut seine zierlichen Ranken aus. Es trägt im Spätherbst rot gefärbte Früchte, die etwas größer sind als die der Preitzelbeeren, aber einen ganz ähnlichen Geschmack auf- weisen. Auch diese Moosbeeren werden seit altcrsher ge- sammelt. In manchen Ländern schätzt man sie sogar höher als die Preitzelbeeren. In Rußland verwendet man den aus ihnen de- retteten Saft zum Punsch als Ersatz der Zitrone, und die Chemiker haben in der Tat feststellen können, daß die Moosbeere wirklich fast reine Zitronensäure enthält. Noch beliebter sind diese Früchte der Sümpfe und Moore in Schottland und England; die Marme- lade, zu der man sie verkocht, wird sogar für fein genug gehalten, um sie zur Tortenfüllung zu verwenden. Die Moosbeere wächst auch in Nordamerika und ist dort unter dem Namen Cranbcrry oder Kronsbeere bekannt. Natürlich wurde sie von den englischen Ein- Wanderern fleißig gesammelt, die zu ihrer Freude entdeckten, datz in den Mooren ihrer neuen Heimat eine Abart der Cranberry wuchs, welche sich durch besonders grotze Früchte auszeichnete. An- fangs begnügte man sich mit dem Abernten der wildwachsenden Pflanzen; als aber die Nachfrage nach den Kronsbeeren immer größer wurde, entschlossen sich findige Amerikaner zu dem Versuch. sie regelrecht anzubauen. Das Unternehmen gelang, und die Kunde von dem Erfolge drang auch nach Europa . Die Nachrichten waren aber ungenau; man sprach von der Zucht der„amerikanischen Preitzelbeere", während es sich in Wirklichkeit um die grotzfrüchtige Moosbeere fVaccinuim macrocarpurn) handelt. Für diese Pflanze eignet sich trockener Boden durchaus nicht; wird sie auf ihm ein- gesetzt, so wächst sie wohl fort, bringt aber keine oder nur kümmer- lichc Früchte hervor. Für sie passen ihre natürlichen Stätten, Niederungen, auf denen Saucrgräser, Rohrkolben, Moose und Weiden wachsen. An trockenen Stellen geht man über solchen Boden wie auf elastischem Polster, an feuchten versinkt der Futz in die wie ein Schwamm mit Wasser gesättigte Masse. Das sind wertlose Sümpfe; wo aber auf solchen Strecken in New Uersey, Michigan und Wiskonsin die Kronsbeere mit Erfolg gepflegt wurde, ist der Wert dieser Ländereien so hoch gestiegen, daß sie teurer bezahlt werden, als gleiche Flächen des besten Ackerlandes. Die Anlagen sind häufig sehr großzügig. Ueber Hunderte von Hektaren erstrecken sie sich. Auf einer Anhöhe am Sumpfe stehen die Wirtschaftshäuser, verlegbare hölzerne Bahngleise laufen zur
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23 (29.8.1906) 166
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