nahm in einer Nacht eine Bootsfahrt auf der Wörpe, einem Fluh- chen, das die ausgedehnten Moore des haunoderschen und bremischen Grenzgebietes durchfließt. In den letzten Stunden der Nacht, die trübe und windstill war, bemerkte er, wie an den abgegrabenen Stellen des Moores, die von stehendem Wasser bedeckt waren, plötzlich zahlreiche Flämmchen aufzuckten. Die Farbe der Flämmchen war bläulich. Sie hatten nur eine geringe Lichtstärke, da sie den dunkeln Wassergrund, über dem sie brannten, nicht erhellten. Ihre Zahl war sehr groß. Zuweilen mochten es einige Hunderte sein. Oft blieben sie in unveränderter Stellung stehen, oft aber wurden sie auch gruppenweise-seitwärts getrieben, so daß sie mit einer Schar wandernder Vögel verglichen werden konnten. Nachdem sie einige Zeit geleuchtet hatten, verschwanden sie wieder. Die Brenndauer der einzelnen Flämmchen betrug durchschnittlich eine Viertel- Minute. Eine andere Jrrlichterscheinuug konnte der Professor der Physik Knorr als Student in seiner Heimat Herzberg an der Elster be- obachten. Aus einem dunkeln Wald heraustretend waren ihm auf sumpfigen Wiesen einige Lichter aufgefallen, die er zunächst für Laternen hielt, aber später als Irrlichter erkannte. Der Versuch, sich ihnen zu nähern, scheiterte zunächst an der Beweglichkeit des Untergrundes. Später aber gelang es ihm, durch Kriechen auf dem Boden einem besonders hell leuchtenden Lichte so weit nahe zu kommen, daß sich das den Lichtschein verdeckende Schilf mit einem Stock teilweise niederbiegen ließ und die Spitze der Flamme frei wurde. Die Farbe derselben erschien im Innern schwach gelb und nach außen hin violett. Die Höhe schätzte der Beobachter auf etwa 7, die Breite auf 2 Zentimeter. Er schlug mit dem Stocke durch die Flamme hindurch, ohne eine andere Veränderung als ein schwaches Aufzucken zu bewirken. In den Moorgegenden südlich vom Jahdebusen und westlich von der Weser traten Irrlichter verhältnismäßig häufig auf. Einer der Beobachter, Wellmann, sah sie mehrmals und darunter einmal unter besonders günstigen Umständen. Er wurde von einem Haus- genossen spät in der Nacht geweckt, der zuerst auf die Erscheinung aufmerksam geworden war. Zunächst sah er nur etwa zehn Schritte von seinem Hause entfernt ein ziemlich helles Licht, dem sich aber später zehn und noch mehr dazu gesellten. Die Flämmchen wurden hinter einem Graben sichtbar und verschwanden dann abwechselnd wieder. Wegen des regnerische» Wetters ließ es sich nicht fest- stellen, od sie sich unmittelbar über dem Wasser befanden. Die Irrlichter hielten ziemlich geraume Zeit au, so daß auch noch die Kinder des Hauses geweckt werden konnten, um die wunderbaren Flämmchen zu beobachten. Für die Behauptung, daß die Irrlichter wandern, sei endlich noch das Ergebnis des bekannten Ornithologcn von Homcyer angeführt. Dieser sah an einem warmen Juliabend gegen lll Uhr zur Seite der Straße ein helles Licht, das erst näher kam, sich dann wieder entfernte und zuletzt in der Nähe eines Moores still stand. Das Annähern und Entfernen wiederholte sich, ohne daß es gelungen wäre, auf mehr als 200 Schritt heranzu­kommen. Zur besseren Beobachtung trennte sich noch Homclier von seinen Begleitern, die er bei sich hatte, aber auch so vermochte er nicht, sich der Flamme unmittelbar zu nähern. Sie wurde etwa zwei Stunden laug verfolgt und schien schließlich wieder ganz ruhig über einem Moore zu stehen. Ucbcr ähnlich wandernde Irr- lichter hat auch dev Naturforscher Kirchner aus Böhmen berichtet. Wie läßt sich nun die Entstehung der Irrlichter erklären? In erster Linie kommen Gasausströmungen in Betracht. Derartige Gasaustritte sind in der Natur nichts Ungewöhnliches. Es sei nur an die starken GaSausströmungen in den nordamerikanischen Petroleumgebictcn erinnert. Hier handelt es sich um Kohlenwasscr- stoff. Aber Kohlenwasserstoff entzündet sich nicht von selbst. Wohl aber tut dieses ein anderes Gas, der Phosphorwasscrstoff. Der Phospho-r Wasserstoff bildet sich im Boden dort, wo unter Lustab- schloß Dierleiber und andere organische Stoffe in Fäulnis über- gehen. Für die EntWickelung derartiger Fäulnisprozesse ist nun aber ein Sumpf- und Schlammboden besonders geeignet. Phosphor- Wasserstoff verbrennt mit einer stark weißen Flamme und zersetzt sich dabei in Wasser und Phosphorsäure. Gleichzeitig entwickelt sich ein widriger Geruch wie nach faulenden Fischen. Aber die Farbe der Irrlichter wird nie als weiß, sondern als bläulich, grünlich, gelblich oder rötlich angegeben. Danach kann Phosphorwasserstoff allein den Irrlichtern nicht zugrunde liegen, sondern es müssen sich mit ihm noch andere Gase verbinden, die den Farbenton be- dingen. Höchst wahrscheinlich ist nun das hauptsächlichste dieser Gase der schon erwähnte Kohlenwasserstoff. Das Verhältnis wäre dem- nach so, daß der Phosphorwasserstoff nur den zündenden Funken darstellt; dieser bringt den zugleich mitausströmenden Kohlen- wasscrstosf zum Entflammen, der nun weiterhin mit bläulichem Lichte fortleuchtet. Die Entscheidung über die Richtigkeit dieser Auffassung läßt sich nur durch das Experiment liefern. In der Tat ist es denn auch gelungen, mit den genannten beiden Gasen Irrlichter künstlich zu erzeugen. Als ein leichtes Kohlcnwasserstoffgas ist das Sumpf- gas zu betrachten, das, wie sein Slawe besagt, in Sümpfen entsteht. Man hat nun vom Boden eines kleinen Gefäßes, das mit Wasser gefüllt und dessen Wasseroberfläche, ähnlich wie in einem Sumpf/ mit Gras, Blättern und Sägemehl bedeckt war, Sumpfgas auf- steigen lassen und zu ihm noch unter dem Belag der Wasserober- fläche Phosphorwasserstoff zugeleitet. Der Erfolg dieses Experi- mcntes war der, daß in dem Augenblick, wo dieses Gasgemcnge die Decke der Wasseroberfläche durchbrach, ein kleines bläuliches Flämmchen zitternd aufleuchtete. Die geringe Beimengung von Phosphorwasserstoff entzündete also, sobald dieser mit der atmosphärischen Luft in Berührung trat, das Sumpfgas . Hiermit ist die Frage, wie Irrlichter mit bläulichem Licht entstehen, beant- wartet. Aber auch die rötlichen, gelblichen und grünlichen Irr- lichter find zweifellos auf eine ähnliche Entstehungsart zurückzu- führen. Denn es darf als sicher angesehen werden, daß in der freien Natur nicht ausschließlich Sumpfgas und Phosphorwasser- stoff zur Verbrennung ko- en. sondern daß sich ihnen auch noch verschiedentlich andere i wie Stickstoff, Kohlensäure und Schwefelwasserstoff, beimiicvon. die dann je nachdem eine Ver- änderung der Lichtfarbe bedingen. Aber wenn die Irrlichter auf Gasausströmungen beruhen, wie können sie dann wandern? Es ist klar, daß die Flammenerscheinung an den Punkt gebunden ist, von dem die Gase ausströmen. Die Flamme einer Petroleumlampe kann sich nicht von dem Lampcndocht entfernen, sondern sie haftet an ihm, weil er die Pctroleumgase ausströmen läßt, fest. Natürlich gilt dieses Gesetz auch für die Gasaustritte, aus denen die Irrlichter hervorgehen. Aber trotzdem stößt die Erklärung wandernder Irrlichter aus keine erheblichen Schwierigkeiten. Stellt man sich nur vor, daß das Gas blasen- förmig die Oberfläche des Sumpfes oder Moores an vielen Stellen durchbricht, so ist das Rätsel schon in der Hauptsache gelöst. Sowie eine aufsteigende Gasblase platzt, entzündet sie sich, um vielleicht im nächsten Augenblick schon wieder zu verlöschen. Ganz dicht da- neben wiederholt sich im nächsten Moment dasselbe Spiel. Auch in der Nachbarschaft leuchten kurz hintereinander Flämmchen auf und verlöschen alsbald. So kann sich diese Erscheinung auf eine weite Strecke hin sehr schnell fortsetzen, und bei dem Beobachter wird dann zumal in der Dunkelheit der Nacht und bei seinem entfernten Standpunkt sehr leicht der Eindruck erweckt daß ein und das- selbe Flämmchen fortwandert, während es in Wirklichkeit eine ganze Reihe solcher ist, die rasch nacheinander aufleuchten. Außer- dem ist es bekannt, daß Sümpfe und Moore vielfach von Rissen und Sprüngen auf ihrer Oberfläche durchzogen sind. In ihnen aber wird das Durchbrechen der Gasblasen besonders begünstigt. Die Irrlichter können dann scheinbar in einer fortlaufenden Kette, den Rissen folgend, sich fortbewegen, umgekehrt aber auch, wenn in- zwischen neue Gasausammlungcn aufsteigen und durchbrechen, sich auf demselben Wege wieder dem Beohachter nähern und ihm so ein geheimnisvolles Hin- und Hergleiten vorspiegeln. Theo Seelmann. Kleines f eialleton, t. Hungern und verhungern. Das Hungern hat, wie die all- tägliche Beobachtung lehrt, nicht auf alle Tiere und Menschen die gleiche Wirkung. Wird ein tierischer Organismus dem Hunger ausgesetzt, so muß er von seinen Vorräten leben: er verbrennt sein Fett und sein Muskelgewebe und geht in Ermangelung ihres Er- satzes zugrunde. Da diese Vorräte und die sonstigen Lebens- bcdingungen bei den verschiedenen Tierarten nnd innerhalb dieser bei den verschiedenen Individuen sehr ungleich sind, zieht sich dem- entsprechend das Sterben verschieden lang hin. Die kleinen Tiere können die Entziehung der Nahrung nur kurze Zeit vertragen. Ein Sperling geht schön nach zwei Tagen zugrunde, ein Meerschweinchen nach sechs, ein Hase nach vierzehn und eine Katze erst nach fünf- unddreißig Tagen. Natürlich spielt hierbei der Gesundheitszustand des einzelnen Tieres eine große Rolle; die angeführten Zahlen haben demnach nur die Bedeutung von Mittelwerten. Eine Katze soll in einem Fall nicht weniger als 61 Tage gelebt haben, ohne irgend welche Nahrung zu erhalten. Sehr wesentlich ist in dieser Beziehung der Unterschied zwischen den sogenannten Warm- und Kaltblütern. Die crsteren haben eine Eigentempcratur, die unter dem Einfluß der Umgebung nicht unter einen bestimmten Betrag herabsinken darf, wenn das Tier nicht Schaden nehmen oder über- Haupt am Leben bleiben soll. Die Kaltblüter hingegen, z. B. die Reptilien und Amphibien, haben ungefähr die Temperatur ihrer Umgebung und machen auch ihre Schwankungen mit. Einige Säugetiere, die einen Winterschlaf halten, wie die Fledermaus. das Murmeltier u. a. m., sind zum Teil als Kaltblüter zu be- zeichnen, denn ihre Temperatur sinkt zur Zeit ihres Winterschlafes fast auf den Wärmegrad der Umgebung herab. Da die Ver- brennungsvorgänge im Körper der Kaltblüter und der im Winter- schlaf befindlichen Tiere sehr langsam vonstatten gehen, wird ihr Gewebe nur wenig verbrannt. Wegen der geringen Verbrennung haben sie eine niedrige Temperatur, und können demgemäß lange Zeit ohne Nahrung bleiben. Gewisse Reptilien können ein, ja zwei und drei Jahre hungern, ohne zugrunde zu gehen und ohne auch nur beträchtlich an Gewicht abzunehmen. Während andere niedrig stehende Tiere eine Verringerung ihres Gewichtes um 75 Proz. ertragen können, sterben höhere Organismen, wenn ihr Körpergewicht auf vier Zehntel des ursprünglichen Gewichtes hcrabgegangen ist. Der Mensch kann, von den berufsmäßigen Hungerkünstlcrn" abgesehen, natürlich nicht zu experimentellen Zwecken für längere Zeit dem Hungern ausgesetzt werden, leider aber bietet das Leben vielzuvielen Gelegenheit, die Standhaftig- keit des gesunden menschlichen Körpers gegen Nahrungsentzichung zu erproben, in den alltäglichen Fällen der Not und in besonderen Katastrophen, wie kürzlich bei dem Bergwerksunglück in CourriereS