»Schon möglich was aber kann ich dafür? Gewiß nehme ich teil an dem Unglück, daö Sie betroffen. Doch da mein guter Wille ohnmächtig ist Er erhob sich, um dem Besucher zu verstehen zu geben, daß die Unterhaltung lange genug gedauert. Mein Herr," bat dieser,»hören Sie mich noch einen Augen- blick. Vielleicht ist mein Kind in Sie verliebt. Das ist doch kein Verbrechen? Sie find schön und gut das blendet unsere Kinder und jetzt im Fieber arbeitet das Gehirn es schmiedet Ideen und träumt. Sie hätten sie nicht einmal bemerkt". Wie sieht Ihre Tochter aus?" forschte der junge Mann. »Eine schlanke Brünette in blauem Tuchkleide mit einem roten Hute, den Rand an einer Seite aufgebogen." Jetzt erinnerte sich der Student. Oft war er dem jungen Mädchen auf der Treppe begegnet. Sie war in der Tat sehr Hubich: ein anziehendes Gesichtchen, das er zuweilen flüchtig beobachtet. Er erinnerte sich noch recht gut, wie sie ihn kürzlich im Vorbeigehen verstohlen ansah, als hätte sie das Bedürfnis, mit ihni zu sprechen. ohne jedoch in ihrer Schüchternheit zu wagen, ihn anzureden. Sie liebte ihn also heimlich und wartete nur auf ein Wort von ihm. um in seine Arme zu fallen. Von ihr waren die Leinen Veilchensträußchen, die er regelmäßig an seine Tür geheftet vorfand und die so oft seine Neugier erregten. Und dabei bildete er sich ein, sie kämen von seiner blonden Nachbarin, während sie in Wirklichkeit des Sinnbild jener bescheidenen Liebe waren, die un- geahnt von ihm. Diese stumme Verehrung rührte ihn:Ich würde mich freuen, lieber Freund, wenn ich etwas für Sie hm könnte aber was? ich wüßte nichts." Da raffte der Alte seinen Mut zusammen und bat:Kommen Sie mit mir sie stirbt ja bald es wird ihr eine große Freude sein, Sie zu sehen." «Gut, ich komme mit." Die Wohnung des Arbeiters im sechsten Stockwerke war von großer Einfachheit, aber sauber gehalten: ein Heller Strahl der Morgensonne fiel durch das mit Blumen besetzte Fenster, durchflutete das Zimmer mit dem heiteren Glanz des Frühlings und vergoldete mit seinem Schein den ärmlichen Raum. Als sie das Zimmer des Mädchens betraten, lag sie in fried- lichem Schlummer. Ihr Atem ging so ruhig, daß ihre Brust die Decke kaum hob, während das abgezehrte und weiße Antlitz einem unbelebten Marmorbilde glich. Der Student ließ sich neben dem Bett nieder, um zu warten, bis sie erwache. Bald jedoch quälte sie ein heftiger Anfall ihres trockenen Hustens. Sie schlug die Augen auf und erkannte ihn ein leichtes Rot stieg in ihre bleichen Wangen. Sie" flüsterte sie,Sie hier 1 Warum nur sind Sie her- gekommen?" Sie waren allein; die Alten hatten sich unbemerkt zurückgezogen; er antwortete:Weil ich Dich liebe" Die zarten Hände der Kranken bebten vor Freude und den blut- leeren Lippen entschlüpften die Worte: Wenn Du wüßtest wenn Du wüßtest Sie fand keinen Ausdruck mehr, um ihm die geheimen Gedanken ihres Herzens zuzuflüstern, keine Worte, um ihre ganze Liebe und Glückseligkeit auszudrücken. Und sie schwieg und sah ihn an mit einem Blicke, der ihr un- aussprechliches Glück verkündet. Plötzlich aber kehrten ihre Gedanken zu der rauhen Wirklichkeit zurück, die Anwesenheit des jungen Mannes in ihrer Kammer beunruhigte sie: Wie kommt es nur, daß Sie hier sind?" fragte sie ängstlich. »Ich habe bei Deinem Vater um Deine Hand angehalten. Sobald Du wieder gesund bist, machen wir Hochzeit." Ein seltsamer Schimmer der Hoffnung ließ ihre Augen auf- leuchten und verklärte ihr Lächeln mit überirdischer Freude: ,.O, das wird nicht lange mehr dauern ich fühle mich schon viel bester. Wann aber gibst Du mir den Berlobungsring?" Ohne Zögern streifte er einen schmalen Reif von seinem kleinen Finger und reichte ihn ihr:Hiermit schenke ich ihn Dir." Ihre Glückseligkeit war so groß, daß sie nicht im entferntesten an die vielen Unmöglichkeiten dieser Stunde dachte. Schon so oft hatte sie im Traume den Geliebten ersehnr, der sie als seine Braut heimführen solle, daß seine Ankunft ihr wohl ganz natürlich erschien. Und ohne Nachdenken überließ sie sich dem Zauber der geheimsten Wünsche ihres reinen Herzens. In der folgenden Nacht entschlief sie, die Hand des Verlobten in der ihrigen haltend, mit den zärtlichen Worten: Wie gut Du bist, Gregor ich fühle mich so glücklich so glücklich." Und ihr Ringen mit dem Tode war leicht ging sie doch dahin in der edlen Lüge, mit der ein mitleidiges Herz ihre letzten Augen- blicke versüßte. Mein Herr," sagte der Alte,wir danken Ihnen für Ihre schöne Tat. Doch bevor Sie fortgehen, möchte ich Ihnen den Ring zurück- geben, den Sie meiner Tochter schenkten." Da Ivandte sich der junge Mann ab, um eine heimliche Träne zu verbergen, die sein Auge feuchtete, und antwortete: Lasten Sie ihn ihr l" Kleines Feuilleton. kl. Kultus der Nacktheit. In Oklahoma (Vereinigte Staaten ) hat sich eine Anzahl von Menschen zusammengetan, die sich Edeniten" nennen und gemeinsam nach demirdischen Paradiese" aufgebrochen sind. Im äußersten Westen, an der Küste des Stillen Ozeans, hoffen sie es, allen biblischen Ueberlieferungen entgegen, zu finden. Um aber des Paradieses teilhaftig zu werden, muß man ein Leben der Unschuld in paradiesischer Nacktheit führen. Darum verwerfen sie jede Kleidung, auch leben sie von Früchten. Im Paradiese aber gedenken sie ein Leben zu führen, wie es Adam und Eva im Paradiese gelebt haben, und jeder Regung dev Fleischeslust zu widerstehen. Vor allem aber nehmen sie sich in Erinnerung an den Sündenfall vor, jede Schlange, die sie an» treffen, zu töten. Die Grundidee der Sekte ist übrigens nicht neu. Schon seit vielen Jahrhunderten wird die Kleidung von Schwärnicrn bekämpft, teils als Aeußerung leiblidjcr Kultur, teils aus dem entgegengesetzten Grunde, weil sie darin ein Zeichen des Sinnes- Verfalles erblicken; gegen Ende des Mittelalters tauchen solche Sekten vielfach auf, und die katholische Kirche mußte viel Mühe aufwenden, um sie zu bekämpfen. Im 13. Jahrhundert entstand im Rhcinlande die Gemeinschast der Brüder und Schwestern vom freien Geiste, die, von pantheistischen Vorstellungen und der Auf- lehnung gegen jede Form ausgehend, auch den Kultus der Nacktheit zur vollkommenen Freiheit für erforderlich hielten. Doch reizten die Feste der Sinnlichkeit, die sie feierten, zur Verfolgung, und zahlreiche Anhänger starben auf dem Scheiterhaufen. Im 15. Jahr» hundert, als die Hussitenkriege die kirchliche Ordnung in Böhmen zerstörten, tauchten Prediger ähnlicher Gedanken in Böhmen auf, und noch im Jahre 1848 lebte diese Sekte, die Nikolaiten, im Chru» diner Kreise unter dem NamenMarokkaner " wieder auf. In Amerika , wo die Gesetzgebung die freie Entfaltung religiöser Schrullen gestattet, führten adamitische Bestrebungen in den siebziger Jahren zur Gründung der kommunistischen Kolonie Oneida" im Staate New Uork. Das Ideal ihrer Gründer, der Protektionisten, war die erste Christengemeinde in Jerusalem , sie lebten in voller Hausgemeinschaft, und bei ihren Andachtsübungen spielte auch die Nacktheit eine große Rolle. Doch brachten sie e» zu keiner großen Verbreitung. gc. Ein verödetes Paradies. Es gibt im Kaukasus ein großes Gebiet, das völlig verödet ist, obwohl die Natur es, was Fruchtbar- keit und landschaftliche Schönheit anbetrifft, verschwenderisch aus» gestattet hat. Nur Jäger durchstreifen flüchtig die dichten Wälder. die es bedecken, sonst wagt sich selten jemand hinein, auS Furcht vor den tödlichen Fieberdünsten, die dort wie ein verborgener Feind auf den Menschen lauern. Die Einöde von Abkhasia liegt zwischen den Flüssen Jngur und Kodor: auf ihre Ausdehnung kann man annähernd aus der Tatsache schließen, daß der Engländer Fresch» field, der ihr eine eingehende Schilderung gewidmet hat, mit seinen Begleitern sechs Tage zu ihrer Durchquerung gebrauchte. Ueber den allgemeinen landschaftlichen Charakter dieses merkwürdigen Erdstriches schreibt er:Wie soll ich denjenigen, die nie einen kaukasischen Wald und nie ein Feld kaukasischer Waldblumen gesehen haben, einen Begriff davon geben? Indem ich diese Zeilen nieder- schreibe, steigen vor meinem Auge vertraute Bilder auf: gewaltige Fichten und Erlen, undurchdringliche Dickichte von Lorbeer und Azalea, Felder von Alpenblumen, die ihre Blüten über den Kopf des Wanderers ausstreuen, während er sich durch ihre hohen Stengel einen Weg bahnt; pfadlose Täler mit geheimnisvoller Schwermut und wunderbarem Düsterschein; weitausgedehnte herrliche Land- schaften, von hohen Weideplätzen aus gesehen; hundert grüne Ab- hänge und eisbedeckte Gipfel im Frühlicht, dazu die Riesenhaftigkeit der Szenerie in ihrer Gesamtheit und der zarte Reiz ihrer Einzel» heiten. Welche Zukunft wird diesem irdischen Paradies beschicden sein? Von seinen ursprünglichen Bewohnern ist kaum noch eine Spur vorhanden. Man hat sie verbannt und ihre Wohnungen wie ihre Gräber liegen verloren in der üppigen Pflanzenwelt, die nur Bären und Moskitos beherbergt und Fieberdünste erzeugt. TaS Volt, das hier seit Beginn der Geschichte unter unveränderten Lebensbedingungen wohnte, ist zerstreut oder vernichtet. Die Abkhasianer sind vom Erdboden verschwunden, ohne eine Geschichte zu hinterlassen und kaum genügendes Material für den Ethnologen, der feststellen möchte, zu welchem Zweige der großen Völkerfamilie sie gehörten." Die Härte verschiedener Holzartcu. In derNaturwissenschaft- lichen Wochenschrift" veröffentlicht M. Büsgen eine von ihm auf- gestellte Härteskala für Holz mit genauen Zahlenangaben. Büsgen untersuchte über 200 Holzarten aus der Sammlung lufttrockener Hölzer der Forstakademie in Hannoversch-Mündcu mit Hülfe eines Apparates, der im wesentlichen darauf beruht, daß eine Stahlnadel durch Gewichte in das Holz eingetrieben wird. Je weicher da» betreffende Holz ist, desto geringere Gewichte genügen, um das Eindringen der Nadel m das Holz zu bewirken. Da aber das' Holz wenig homogen, also in allen seinen Teilen nicht gleich hart ist, wurde jede Holzart einer Reihe von Versuchen unterworfen und der Durchschnittswert der ver» schiedenen Gewichtszahlen zur Aufstellung der Härteskala benutzt. Diese Skala unterscheidet acht Härtestufen. Alssehr weich"(Härte I) werden solche Hölzer bezeichnet, für welche nach den Versuchen die Härtezahl 1 bis 10 ermittelt wurde, wie die Silberweide(Härte-