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in den Verhältnissen, dürften seine Begabung, die zweifellos vorhanden ist, sehr unterstüben.
Dem Maler Alfred A. Wolmert, dessen Bilder diese Plastiken begleiten, merkt man an, daß seine Kunst in England zu Hause ist. Er haftet start am Gegenständlichen; früher sagte man Genrebild, jest heißt es" Studie in Braun und Grün". Aeußerlich farbige Effekte, wie die bunten Polentrachten, reizen ihn. Seine sichere Technik arbeitet ohne Temperament. Auch das jüdische Leben nimmt er sich zum Vorwurf und da erreicht er in fleineren Arbeiten oft manche Feinheit, so z. B. bei den in weißem Kostüm mit schwarzer Kappe vor grauer Wand fizenden Rabbinern. Am besten wirkt der Maler in kleinen Bildern, wo er ganz natürlich bleibt, z. B. eine Schreinerwerkstätte, die bon sonnigem Licht erfüllt, ist sehr leicht gemalt. Fein, und farbig sehr reizvoll, find auch die kleinen Landschaften( Erntezeit"," Heuschober"," Mittag"). Naturausschnitte ohne Brätension; manchmal schon ein bißchen englisch sanft, ja flau. In großen Bildern respektiert man die Arbeit und die Technit, wendet sich aber gelangweilt ab.
Bon den beiden Häuptern der modernen französischen Malerei, Manet und Monet , find bisher nach Deutschland nur ihre späteren Werke gekommen, die ihre Eigenart scharf pointiert zeigten. Mit diesen Werken übten sie auf die Sezession und ihren Nachwuchs Einfluß aus, nicht zum Vorteil, da hier nur Nachahmung möglich war. Im Kunstsalon Cassirer bekommen wir jcht die frühen Werke dieser Maler zu sehen, die die Säulen der modernen Malerei überhaupt sind. Es ist die Sammlung des Opernsängers Faure . Man sieht hier den Anschluß an die Tradition. Die Annäherung an die alten Meister wird klar. Beide Künster bedeuten den Triumph der Subjektivität. Ihre Freiheit aber jeder jetzt sich unbekümmert in feiner Art durch, in diefer robusten Kraft haben sie etwas beinah Unfranzösisches besteht nur in der Unabhängigkeit von ihrer Zeitumgebung. Da gegen führen sie einen Anschluß an die hervorragenden Meister der Vergangenheit herbei, an Tizian und Belasquez, an die Holländer.
Bei Manet , der den monumentalen, großzügigen Eindruck anstrebt, der die Farben aufs malerische Zusammenwirten weniger Kontrafte reduziert, finden wir direkt Kopien nach Tizian und Velasquez . Wir spüren in diesen Kopien, die selbständige Werke find( Manet bezeichnet sie: Manet nach Velasquez ) das Wirken bes gleichen Strebens, ausgesprochene Farben, die weich ineinander übergehen, deren feinfühliges Zusammenordnen den vollendeten Geschmack zeigt. Instinkt und Intellekt gehen einzigartig zusammen. Was wir sehen ist Natur; aber wir sehen die Wirklich feit kaum noch, sondern empfinden nur noch die eigentümliche Schönheit der Farben.
Bei Monet , der die zitternde Lebendigkeit des Momente anstrebt, dessen Auge so scharf sieht, daß er den Augenblick belauscht, der in feinsten Tüpfelchen und Nuancen den Eindruck zusammensetzt, merken wir den Einfluß der Holländer, deren Landschaften zuerst dem atmosphärischen Spiel des Lichts und der Luft nachgehen. Manet will die Schönheiten der Farbe, Monet das Flimmern des Lichts. Wertvoll ist, daß wir hier zum ersten Male in der angedeuteten Weise diese Ursprungslinien ihres Schaffens berfolgen können. Manets Meisterwerk aus der Mitte der Schaffenszeit( 1873) ist das Porträt des Kupferstechers Belot, beBeidynet le bon Bock". Beim Glafe Bier" zu deutsch . Ein behäbiger, älterer Mann, mit rotem Gesicht, schwarzweißen, frausen Bart. Er hält mit der einen Hand das Glas Bier, das auf dem Tisch steht, mit der anderen führt er eine Tonpfeife zum Munde. Genug, ein Stoff, der nicht originell ist, den ein deutscher, moderner Maler heut nicht wagen dürfte, er würde seinen Ruf einbüßen, da alles, was nach Genre aussieht, berpönt ist.
Breit, flüssig ist die Mache; volles Leben und reifstes Können bereint. Man denkt bei diesen kühnen Strichen an Franz Hals . Schärffte Charakteristik und schönste Malerei treffen zusammen. Die Farbenftala geht von Grau zu Braun hinüber, dabei alle Ruancen von grauem Weiß bis zu tiefem Braunschwarz durch laufend. Man wird diese Uebergänge taum gewahr, so fein und natürlich sind sie. Und das graue Weiß des Halstuches fügt sich besonders vornehm ein. Wie die Töne sich abstufen, wie sie in die andere Stala übergehen, das ist meisterhaft. Der nüchternen Kleidung unserer Tage ist der höchste Reiz malerischer Erscheinung berliehen worden. Dieser Reife des Könnens entspricht auch die Schönheit der nebensächlichen Dinge. Man beachte den Marmortisch, das Glas mit dem schimmernden Bier, die Hand an dem Glas, es ist alles mit vollem Bewußtsein und doch mit einer unbekümmerten Leichtigkeit gemalt, die anzeigt, daß der Künstler nur seinem wahrsten Instinkt folgt und feinem Programm. Das ist das Ueberzeugende an diesem Bild. Ernst Schur .
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Kleines feuilleton.
Holger Drachmann . In einem seiner Essays über dänische Literatur kennzeichnet Georg Brandes den orthodog- reaktionären Drud, der um 1870 auf dem gesamten geistigen Leben Dänemarks Iaftete:* Es gab keine fünf Menschen in der akademischen
Welt, die fich öffentlich für Freidenker erklärt hätten. Nur so läßt sich der Aufruhr begreifen, den die Vorlesungen über die Emigranten- Literatur" heraufbeschworen. Die einfache Tatsache, daß ein junger Mann von einem Universitätskatheder herab seinen Glauben an das Recht des freien Gedankens und den endlichen Sieg der freien Forschung bekannte, war ein Ereignis. Beamte suchten den Jrregeleiteten auf, um zu fragen, ob es wahr sei, daß er, wie sie mit Entsehen in den Mienen sich ausdrückten, bedauern, daß die Dänen keine Atheisten seien, und sie dazu machen wolle..." Der, dem solches passierte, war Brandes selbst. Bis zu seinem Auftreten hatte die Literatur seines Heimatlandes jahrzehntelang im Schlafe gelegen. Neues Leben begann sich jest erst aufzutun. zu einem Teil war dieser Umschwung dem Einfluß der großen norwegischen Dichter zu danken, die ihre Werke in Dänemart berlegen ließen. Brandes jedoch hat die Hauptarbeit geleistet. Er, der in seinen Literaturvorträgen für Geist und Individuum unbedingte Freiheit forderte, jeden Autoritätsglauben verwarf, führte die Dichtung von der seitherigen rein ästhetischen Würdigung zu einer bergleichenden Betrachtung bergleichend in bezug auf die übrigen Kulturverhältnisse der Zeit- und verlangte für sie den diretten Zusammenhang mit dem wirklichen Leben und seinen Kämpfen. So machte er Dänemark zum Vorland der neuesten Literaturentwickelung. Er wurde auch zugleich der Führer aller aufstrebenden Talente, indem er für sie die kritischen Turniere ausfocht. Um ihn scharten sich rasch die Jungen.
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Holger Drachmann ist als der hervorragendste Dichter unter den Trägern jenes" Durchbruchs" und somit der neuen Schule in Dänemark zu betrachten; ja er ist die Entwidelung der Dinge beweist das gegenwärtig wohl überhaupt der vboltstümlichfte unter allen dänischen Schriftstellern. Ganz Dänemark huldigt ihm heute an seinem 60. Geburtstage! Die Bevölkerung bon Stagen, wo er ansässig ist, hat das schon vor wenigen Tagen getan; und jetzt weilt er in Kopenhagen , feiner Vaterstadt. Am föniglichen Theater fommt heute sein neuestes Drama„ Herr Oluf , er reitet.. zur Aufführung; im Rathause aber wird er morgen offiziell gefeiert werden. Inwieweit die fozialdemokratische Ar beiterschaft Kopenhagens und Dänemarks an dieser nationalen Dichterfeier beteiligt ist, entzieht sich allerdings noch unserer Kenntnis. Jedenfalls aber liegt in Drachmanns menschlicher wie fünstlerischer Persönlichkeit das ganze Geheimnis beschlossen. Es heißt: großes Dänentum, sowohl in feiner Töne Weichheit und Schwellen", als auch in seinem Tapferkeitsfultus und feiner Friedensliebe". Drachmann ist von der Kunst hergekommen. Gr war Marinemaler und hatte sich bereits in der halben Welt umhers getrieben, als er 1872 mit einem Bändchen Gedichte in die Literatur hineinsprang. Sie machten Aufsehen, einmal wegen der hohen poetischen Begabung, die sich in ihnen fundtat, und besonders ihres oppofitionellen, gegen alles Bestehende gerichteten Inhalts wegen. Der junge Dichter stand eben unter dem gewaltigen Einfluß, den die Pariser Kommune , unmittelbar nach dem deutsch - französischen Kriege, auf ihn gemacht hatte. Während sie von den meisten nicht begriffen wurde, erkannte Drachmann mit ganz wenigen, daß, wie Brandes sagt, sich in all dem eine Fülle von gärenden Zukunftsgedanken, sozialistischen und anarchistischen, berge und daß diese Revolution reicher an Verheizungen sei, als alle früheren, auch wenn sie im Blute erstickt wurde. Von diesen großen Eindrücken wurde der Dichter damals fortgerissen. Er nannte sich einen Sozialisten, nicht als ob er sich mit irgendeiner sozialistischen Lehre vertraut gemacht hätte, sondern weil er sich als den Mann der Arbeit fühlte und die Herrschaft der Reichen verabscheute. Offenbar hatte jener Sturm seine brausende Natur geweckt. In ihr vereinigte sich des Malers Verachtung für die gesetzte Bürgerlichkeit, mit des angehenden Dichters Haß gegen den gemästeten Materialismus, die Abneigung eines tünstlerischen Zigeunertums mit dem seemännischen Hange zur Formlosigkeit. Das alles nahm - und war Lyrik", urteilte sich aus wie Revolution im Gemüt Brandes später, das heißt mit anderen Worten: Drachmann war so sehr nur Dichter, daß seine Natur, um zum Durchbruch zu ge langen, mancherlei Wandlungen, politische und ästhetische, durchs machen mußte. Wohl hatte er sich Brandes als einer der Ersten angeschlossen. Bald zeigte sich, daß er mit den Brandesianern nicht durchaus sympathisierte. Und als sich das literarische JungDänemark vollends in negativer Kritit und naturalistischer, nach dem Ausland gravitierender Uebertreibung berlor, da war für Drachmann der Zeitpunkt seiner öffentlichen Abkehr gekommen. Dieser Umschwung bollzog fich gemäß seiner Natur. Dänisch im hohen Grade, mußte sich ihm instinktiv die Ueberzeugung auf drängen, daß die Heimatliteratur das höchste Maß von Sittlichkeit darstelle, wenn sie fich ausschließlich innerhalb der eigenen nationalen Grenzen bewege. Andererseits barg sich in seinem Geiste ein beträchtliches Erbe aus der Zeit der Romantik. Beides war von bestimmendem Einfluß auf seine Produktion. Sie ist reichlich gefloffen. Dem Erstling folgten Daempete Melodier", „ Lieder am Meer"," Ranten und Rofen"," Jugend"," Gedichte und Gesänge"," Alte Götter". Daneben ging eine gewaltige Anzahl fleinerer und größerer Erzählungen, Romane, Märchendichtungen und Dramen in gebundener und ungebundener Form. Gerade durch seine Lieder vom Meer und in noch höherem Maße durch feine meist furzen Erzählungen von Fischern und Seeleuten hat Drachmann seinen nationalen und europäischen Dichterruhm ges wonnen und für lange Zeiten befestigt. War Rasmus Winther
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