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Der Alte fette fich; die Frau wollte noch etwas breinreden, I fand aber nicht die rechten Worte und wandte daher mißgelaunt der Stube den Rüden. Draußen winkte ihr Mann ihr, in das ausgeräumte Zimmer au tommen, fie trat näher und sah es fich an.

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Nee, meine liebe Frau, das geht nich, heut is nich Visitene tag; aber morgen und denn wieder Sonnabend können Sie zwischen zwei und vier ihn besuchen."

Nach kurzem Zögern fand man sich ins Unvermeidliche. Dc: Alte, den eine nervöse Unruhe ergriffen hatte, gab seinem Sohn " Ja," sagte fie, nu haben wi endlich mal' n Büschen Blah und seiner Schwiegertochter schnell die Hand, tüßte seine Entelin für uns, das war doch all die Jahre' n Laft mit den Alten. Na, flüchtig auf die Stirn, dann rief er seinem Hunde, der schweif­nu kommt er ins Stift, da hat er das gut, und wir können auf- wedelnd und aufgeregt der Szene zugefehen hatte, und folgte dent atmen." Führer zur Treppe; der aber machte erstaunt Kehrt und sagte: Aber find Sie denn ganz des Deubels, Mann? Den Köter wollen Sie doch nich mitnehmen?"

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Und die sechshundert Mart, die uns das foft'?" fragte der Mann dagegen, und wenn's damit genug wär! aber der Alte muß noch immer' n kleinen Notschilling von uns kriegen, damit er anftändig ausfömmen tann."

Na, da werden wir auch woll' rüber kommen. Die Haupt­fache is, daß wir das Zimmer kriegen. Er wird auch schon so wunderlich, wie fo'n Kind, da kann ich nich immer aufpassen. Wenn Leute so alt werden, is das so das beste."

" Das is das auch," entgegnete der Sohn und schlug, auf der Fensterbank stehend, einen Nagel in die Wandbekleidung des Fensters.

Die Stimmen der Beiden drangen, da die Tür nur sorglos angelehnt war, zur Wohnstube hinüber und an die Ohren des alten Mannes; der aber fühlte sich nicht im mindesten dadurch getränkt. Du lieber Gott, es war ja die lauterste Wahrheit! Er wußte es selber sehr gut, daß er den Seinen zur Last gewesen war, und im ähnlichen Falle hätte er auch genau so gedacht und resprochen. Seit er sein Handwerk aufgegeben, seine Tischlerwerkstelle wegen Mangels an Kunden und Arbeit geschlossen hatte, lebte er bei seinen Kindern, die ihm gegen Aushändigung seiner mühsam ersparten paar hundert Mark und als Lohn für Verrichtung leichterer Haus­arbeit: Kost, Logis und Kleidung gewährt hatten. waß das nicht ewig so dauern würde, hatte er vorausgesehen, und so freute er sich über die Umsicht der jungen Leute, mit der sie alles, was zu seiner Uebersiedelung ins Stift gehörte, für ihn besorgten.

" Ich hab' gute Kinder," sagte er befriedigt vor sich hin, ge= wissermaßen als Endresultat seiner stillen Betrachtungen. Eine feiertägliche Stimmung war über ihn gekommen, jo eine freudige Erregung; er hatte jeden kleinen und größeren Zwist, den er mit seinem Sohn und seiner Schwiegertochter ausgefochten, vergessen, nur ihre Fürsorge war in seiner Erinnerung geblieben; er wußte, daß er die Seinen in Zukunft nicht allzu oft mehr sehen werde; die Besuche bei ihm würden sehr bald nachlassen, und auch seine Be­fuche bei ihnen nicht gerade heiß ersehnt werden. was war aber alles ganz ordnungsgemäß, nur der Lauf der Welt, und bereitete ihm keinen Augenblick Herzweh. Man hatte doch gut fur ihn ge­sorgt, er sah einem friedlichen Lebensabend entgegen, und das war schließlich die Hauptsache.

Der Alte stand wie vom Blik getroffen still, drehte sich ganz entsett zu seinem treuen Tier um, das leise winselte, als ahne es die bevorstehende Trennung, und sah es mit verständnislosem Blick an. Dann stotterte er, fich wieder an den Pförtner wendend, vers wirrt: " Ich dachte, ich könnte ihn mitnehmen-" und fah hülfes flehend den Seinen nach, die sich schon auf dem Heimweg befanden. Nu halten Sie fich man nich lang damit auf, Mann," rief der Pförtner, das is doch ganz selbstverständlich, daß wir den Hund hier nich brauchen können. Wo sollten wir woll damit hin, wenn hier jeder seinen Hund oder seine Kabe mitbringt, hier is doch kein Tierasyl!" Und damit trat er zu dem Hund: Kusch, rut!" machte er, den Fuß hart aufsehend, so daß das Ties mit schnellen, une beholfenen Säßen zur Seite sprang.

Der alte Mann sah zu seinem Hund hinaus, der in dem leuch tenden Sonnenschein des Sommertages doppelt struppig und häßlich erschien; ein langgedehnter wimmernder Ton aus der Kehle des Tieres, das noch immer stand, als warte es auf den Zurückruf von seinem Herrn, drang zu ihm. Deutlich sah er den Schmerz in den Augen des Tieres; das stumme Flehen dieses Blickes ließ ein brennendes Gefühl in ihm aufsteigen und schnürte ihm die Kehle au; heiß trat es ihm in die Augen. Da rief der Pförtner un geduldig:

Bird's nu bald?!"

Da wandte er sich der dunkeln Treppe zu. Aber der Hund blieb noch immer stehen und sah den alten Mann müden, langsamen Schrittes entschwinden,

Kleines feuilleton.

Während er so vor sich hin träumte, streichelte er unablässig das struppige Fell des Pudels, der sich zu seinen Füßen nieder­gelassen hatte. Das Tier verstand jeden Blick seines Herrn, er be­griff ihn auch ohne viele Worte und kannte jede seiner Stim- Mittelalter hindurch bei den Wollenwebern, Tuchmachern, Maurern mungen; so war ihm auch die Aufregung der letzten Tage in die Seele gefahren, und wenn er auch nicht wußte, was da vorgehen sollte, so empfand er doch die Wichtigkeit und Bedeutung des Augenblics. Er lag ruhig da und sah mit flugen Augen zu feinem Freunde empor, als wolle er ihm sagen, daß unbekümmert um alles, was auch geschehe, es zwischen ihnen beiden beim alten bleibe. Es flingelte.

Komm, Badder," rief der Sohn gleich darauf ins Zimmer, " Hein Kahl is da und hat Deine Stifte schon runtergebracht, nu tomm man, Klod zehn müssen wir da sein."

Der Alte erhob sich, der Hund ebenfalls. Und sie gingen alle die Treppen hinunter, zum Hause hinaus. Hin und wieder wurde auf dem Weg durch die belebten Straßen ein Wort zu Hein hinüber gerufen, der auf dem Fahrdamm die Karre mit der Kiste schob, und manchmal fragte eines der Familienmitglieder, ob der Alte nicht dies oder das etwa habe liegen lassen. Nach kurzem Marsch war das Stift erreicht, ein großes, ernstes, graues Haus mit gewaltigem Torbogen. Durch den langen, dunkeln Eingang hindurch, in dem einige Ruhebänke standen, sah man in einen freundlichen, sonnen hellen Garten, in dem einige müde Greise langsam auf und nieder schritten und behaglich ihr Pfeifchen schmauchten.

Die Klingel hallte durch die Räume, und der Bförtner trat bor  das Tor. Die Begrüßung war furz und gefchäftsmäßig. Die Karre wurde hereingeschoben, und die Kiste den Armen eines fräftigen Haustnechts anvertraut.

Nummer siebenundneunzig, Karl," sagte der Pförtner zu dem Burschen, der mit seiner Last davonging, und fuhr dann, zur Familie gewendet, fort:" Der Mann, der da gewohnt hat, is auch gerade fiebenundneunzig Jahre alt geworden; vergangene Woch is er tot geblieben, trant is er gar nicht gewesen."

Die Ankömmlinge standen in einiger Verlegenheit da; sie wußten nicht recht, was sie nun zu tun oder zu sagen hätten. Aber der Mann mit dem großen Schlüffelbund und der sicheren Amts­miene machte allem Schwanken bald ein Ende:

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" So nu man zu," sagte er aufmunternd, nu sagen Sie sich man adjüs, un denn hier richtete er sich besonders zu dem neuen Insassen des Hauses- dann kommen Sie mit mir auf Ihr Loschih. Ich muß denn auch bald mit Ihnen nach dem Kastellan." Können wir nich mit ihm' rauf kommen?" meinte die Frau schüchtern.

Berheiratete Handwerksknechte. Wie in der Jehtzeit, so wurde auch in der Vergangenheit dem Arbeiter das Alter zum Fluche. Niemand aber empfand dies schärfer als der mittelalterliche Hand werksknecht, weil ihm eine barbarische Handwerksordmung auch noch den Frieden und die Behaglichkeit des eigenen Heimes sperrte. 3war bot nicht jedes Handwert seinen Gesellen ein derartig trauriges Geschid. Verheiratete Gefellen finden sich das ganze und Steinmeßen, den Zimmerleuten und den späteren Buchdrudern. Auch das Bäckerhandwerk duldete verheiratete Knechte, z. B. in Frank furt a. M. Nicht nur verheiratete Gesellen, sondern auch verheiratete Lehrlinge oder solche, die sich während ihrer Lehrzeit verheirateten, tommen bei einigen Handwerken vor. So bei den Dedern in Lübeck  , in deren Ordnung es heißt, wenn der Knecht, der unser Handwerk lernen wollte, eine Frau hätte, die berüchtigt oder wandelbar wäre oder er selbst, der wäre unseres Amtes unwürdig". Auch bei den württembergischen Maurern und Steinmegen 1582, wenn ein Lehr­junge( Steinmez) während der Lehrzeit heiratet, so solle er dennoch seine givei Jahre auslernen".

Bei anderen Gewerben fiel im Laufe der mittelalterlichen Hands werksentwickelung die ursprüngliche Heiratssperre der Gefellen. Es waren solche, bei welchen schon damals eine eventuelle Selbständig­machung so viel Kapital erforderte, daß nur die wenigsten Gesellen in der Lage waren, eine solche zu erringen, z. B. bei den Gerbern und den Handschuhmachern. Und wo an und für sich die Unmöglichkeit vorlag, daß das Gesellentum sich leichthin zur Selbständigkeit durchrang, be­durfte es feiner Heiratssperre mehr. Denn der einzige greifbare Zweck des Heiratsverbotes war doch eben nur der gewesen, die zum Handwerk geborenen" Meisterföhne, Meisterswitwen und Töchter bor   allzu starter Konkurrenz der Nichtprivilegierten zu schüßen oder bielmehr eine solche unmöglich zu machen. Nur deswegen ließen die Zünfte verheiratete Gesellen überhaupt nicht zur Meisterschaft zu, wie sie denn mit raffinierter Geschicklichkeit alles taten, die Zulassung eines vermögenden, aber nicht handwerksberechtigten Gesellen zum Handwerk immer weiter hinauszuschieben. Immer mehr verlängerten fich die Sigjahre, immer fleiner wurde die Zahl der jährlich zu den Meisterprüfungen zugelassenen Gefellen. So beschränkten in Augs­ burg   1549 die Goldschmiede die Zahl der Meisterkandidaten auf 12, 1582 auf schs, von welchen je zwei Goldschmiedssöhne, zwei Augs burger Bürgersöhne und nur zwei fremde Gesellen sein sollten. 1669 fant diese Zahl gar auf bier, und zwar zwei Meisterföhne, ein Bürgersohn, während ein fremder Geselle nur alle drei Jahre an die Reihe kommen sollte. Obendrein wurde bestimmt, daß ein in das Handwerk heiratender Geselle jederzeit vor einem anderen den Vortritt habe. Damit war das Handwerk der Augsburger Goldschmiede für Nichthandwerksangehörige fast vollständig gesperrt. Ungeniert erklärten diesen Zweck auch 1597 die Vorsteher des Hand­werks auf die Beschwerde eines immer und immer wieder