Platz, die ganze Nachbarschaft, ja die ganze Stadt mit einem alles umfassenden bitteren, scharfen Haß. Frauen und kleine Kinder waren dem Fluch verfallen alles war ver­wünscht. verwünscht wie die Hölle, alles hier war verwünscht! Als Aurgis sie fragte, was sie eigentlich meinten, wurden sie argwöhnisch und begnügten sich mit der Antwort:Laß nur gut sein. Du bist nun einmal hier und wirst es schon selbst finden." Vor allem aber konnte sich Jurgis das Problem der Gewerkschaften " nicht lösen. Er hatte keine Ahnung von solchen Sachen und mußte es sich erst erklären lassen, daß die Männer sich zu solchen Verbänden zusammentun, um für ihre Rechte zu kämpfen. Jurgis fragte, was sie unter diesen Rechten verständen, er fragte ganz treuherzig, weil er nicht die geringste Idee von irgend einem Rechte hatte, außer dem Recht, sich Arbeit zu suchen, und dann zu tun, was ihm befohlen ward. Seinen Mitarbeitern ging gewöhnlich bei seinem harmlosen Gefrage die Geduld aus, sie nannten ihn einen Narren. Eines Tages kam ein Zlbgesandter der -,, Fleischergewerkschaft" zu ihm und wollte ihn als Mitglied gewinnen. Als aber Jurgis dann erfuhr, er solle sich von einem Teile seines Geldes trennen, wurde er sehr zurück- haltend. Der Abgesandte, ein Jrländer, der nur wenige Worte Litauisch verstand, wurde wütend und fing an zu drohen. Zuletzt geriet Jurgis in noch größere Wut und ließ deutlich durchblicken, daß mehr als ein Jrländer dazu nötig sei, ihn in den Verband zu pressen. Allmählich erst lernte er verstehen, was für einen Endzweck die Manner mit ihren Gewerkschaften verfolgten: die Hetzarbeit sollte aufhören! Sie taten, ihr Bestes, um eine Verlangsainung der Arbeit zu er- langen, weil viele unter ihnen waren, die die Hast nicht er- tragen konnten, durch die sie geradezu tot gemacht wurden. JurgiS aber hatte keine Neigung für solche Ideen. Er konnte die Arbeit leisten, meinte er, also müßten es auch andere, wenn sie wirklich etwas taugten. Wenn nicht, konnten sie ja einfach anderwärts hingehen. Jurgis hatte nicht in Büchern studiert, er konnte das WortSichgehenlassen" nicht einmal aussprechen, aber er war weit genug in der Welt herum- gekommen, um zu wissen, daß ein ganzer Mann für sich selbst einstehen mutz. Doch es bat Philosophen und einfache Männer gegeben, die aus Malthus schwuren und nichtsdestoweniger zu der Hülfskasse der Hungerleider beisteuerten. So war es auch mit Jurgis bestellt, der für keine umstürzlerische Idee zu haben war und doch mit Trauer im Herzen umherging, weil sein armer alter Vater sich irgendwo auf den Höfen herumdrückte, »«m irgend eine Arbeit zu finden. lFortsetzung folgt.) (Nach druck verboten.) Mitsbaiiler und'Cruihftuben im Mittelalter. Im heutigen Mrtschaftsleben stehen Schenke und Herberge einem jeden, sei er nun Fremder oder Einheimischer, gleicherweise zmn Be- suche offen. Nicht so im Mittelalter. Damals gestattete man den Gasthaus- und Wirtsstubenbesuch in der Hauptsache mir den Orts- fremden und Reisenden. Die einheimischen, ansässigen Bürger waren auf den Besuch ihrer kastenmäßig geschiedenen Geschlechter- und Handwerker- Trinkstuben beschränkt, deren Besuch hinwiederum einem Fremden verboten war. Trugen Gasthäuser und Wirtsstubcn einen öffentlichen Charakter, so glichen die städtischen Trinkstuben geschlossenen Gesellschaften, die in ihren eigenen oder gemieteten Räumen die Schankgerechtigkeit aus- übten. Der Charakter als Trinkstube selbst sollte dabei nach Ansicht der mittelalterlichen Staatsgewalt durchaus in den Hintergrund treten. Die Trinkstube diente politischen und militärischen Zwecken, sie sollte den Rat jederzeit in die Lage setzen, die Handwerker über- wachen und an ein für allemale festgesetzte Orte zusammenrufen zu laffen. Alle Trinkstuben hatten ihren eigenen Wirt, den Stubenknecht oder Schenk. Er wurde von der Gesellschaft besoldet, verwaltete das Haus und das Gesellschaftseigentum, lieferte das Trinkenumb ein gebührlich Geld", sammelte das Stubengeld", d. h. die Mitgliederbeiträge zur Unterhaltung der Trinkstube usw. Im übrigen suchte die mittelalterliche Stadt- und Ratsgewalt alles zu vermeiden, das die Trinkstube irgendwie zu einer Schenke oder einem Gasthause gestalten konnte. Daher war der Mehrzahl der Handwerkertrinkstuben verboten, mit Ausnahme von feierlichen Gelegenheiten, Esten und besonders warmes Essen zu verabfolgen. Bei den Zusammenkünften durfte meistens nur Brot und Käse verabreicht werden, um Meister und Gesellen nicht den häuslichen Mahlzeiten zu eittfremden und an ein Aufliegen in der Trinkstube zu gewöhnen. Auf den späteren Gesellentrinkstuben durften sich daher auch die Gesellen an ihren regelmäßigen Sitzungen als Ersatz für die versäumte Meistersmahlzeit ihr Brot und Käs durch den Lehrbuben auf die Trinkstube bringen lassen, was sie sicherlich auch taten, da ihnen ihre eigene Trinkstube auch nicht mehr bot. Ebenso wenig sollte jemand über seine Verhältniffe hinausgehen, weshalb sowohl den Meistern wie den Gesellen das Borgen auf der Trink- stube verboten war. In Frankfurt a. M. war es wohl den Meistern in einigen Zünften erlaubt, für eine Zechschuld auf der Trinkstube einen Bürgenauf der Meister Recht" zu stellen, wurde die Schuld aber nicht an dem bestimmten Tage bezahlt, so mußte für einen jeden Tag Fristüberschreitung Strafe gezahlt werden. Noch weniger aber sollten die Bürger sich in den für die Orts- fremden bestimmten Gasthäusern und Herbergen herumtreiben. Aus diesem Grunde erklärt eine Nürnberger Polizerordnung crnS dem 15. Jahrhundert:«Der ledige Mann, den man hier als Bürger empfängt, soll haben eigenen Rauch oder er soll sich verdingen zu einem Bürger in seine Kost auf ein Viertel des Jahres oder auf ein halbes Jahr oder mehr und soll nicht sein in eines Gastgeber Kost." Auch die öffentlichen Gasthäuser waren anfänglich bei ihrem Betriebe oft in die allerengsten Schranken gebannt. Selbst sie dursten in Landstädten vielfach nicht einmal warm zu effen geben, sondern nur dem Gaste das, was er sich mitbrachte, kochen und die Getränke dazu liefern. Bei dem geringen Interesse, welches zumal im ftühen Mittelalter seitens der öffentlichen Gewalt dem Galthaus und Herbergswesen entgegengebracht wurde, kann es nicht Wunder nehmen, daß dasselbe bis zum Ausgange des Mittelalters nichts weniger wie alles zu wünschen übrig ließ. Wer damals eben reisen mußte, sollte sehen, wie er durchkam und sich behalf. Und wie man selbst in der Nähe der großen Städte bis zum 14./15. Fahrhundert die Straßen und Wege verloddern ließ, um ja durch gute Wege keinem Feinde Anreiz zu einem Angriff zu geben, so kümmerte sich auch niemand um das HerbergSwesen. Nur dafür sorgte die mittelalterliche Rats- Weisheit, daß die Schank- und Herbergsgerechtigkeit einer Stadt möglichst sparsam verliehen wurde, damit die Gastwirte ja nicht Rot litten. Noch schlimmer stand es mit den Herbergen und Gasthöfen auf dem Lande. Oder vielmehr es stand gar nickt. Bis zum 14. Jahrhundert besaß wohl jedes größere Dorf als Regal der Guts- Herrschast eine Schenke mit einer Schankgerechtigkeit, aber fast nirgends fand sich eine Herbergsgerechtigkeit. Schon aus Gründen der öffent- lichen Sicherheit war diese anfangs nur auf die Städte beschränkt. Wer eine Stadt auf seiner Reise nicht mehr erreichen konnte, mußte je nach seinem Stande entweder auf einer Ritterburg oder einem Kloster Unterkommen suchen. Und sicherlich war er dort besser auf- gehoben wie in den meisten städtischen Gasthöfen und Herbergen. Gewiß mußte es in einzelnen großen Städten, die schon frühzeitig an einen großen Frcmdeiizufluß gewöhnt waren, wie z. D. Aachen, Frankfurt a. M., Köln , Nürnberg , Augsburg , einzelne Gasthäuser geben, wo Fremde mit außergewöhnlichem Luxus und allen für damalige Zeit möglichen Bequemlichkeiten aufgenommen wurden. Sonst ließe sich der Ausspruch des Aeneas Sylvins Piccolomini, späteren Papstes Pius IL,wo ist ein deutsches Gasthaus, wo man nicht aus Silber äße"? einfach nicht verstehen. Dies war aber nur die Ausnahme, und zwar die sehr seltene Ausnahme. Denn alle Berichte, die wir von dem mittelalterlichen Gasthaus- und Herbergs- Wesen, zumal aus Deutschland , überkommen haben, atmen nur bitterste Klagen über den unsauberen Zustand, die grobe Behandlung, die schlechte Verpflegung, das wüste Durch- einander, das in den damaligen Wirtshäusern herrschte. Eine lebendige Schilderung darüber verdanken wir dem Humanisten Erasmus(. Jahrhundert), der die Eindrücke, die er auf seinen vielen Reisen empfing, gewiß mehr als einmal am eigenen Leibe er- probt hat. Er erzählt da: Bei der Ankunft grüßt niemand, damit es nicht scheine, als ob sie viel nach Gästen fragten, denn dies halten sie für schmutzig und niederträchtig und des deutschen Ernstes un- würdig. Nachdem Du lange geschrien hast, steckt endlich irgend einer den Kopf durch das kleine Fensterchen der geheizten Stube heraus gleich einer aus ihrem Hause herausschauenden Schildkröte. In lolchen geheizten Stuben wohnen sie beinahe bis zur Zeit der' Sommersonnenwende. Diesen Herausschauenden muß man mm fragen, ob man hier einkehren könne. Schlägt er es nicht ab, so ersiehst Du daraus, daß Du Platz haben kannst. Die Frage nach dem Stall wird mit einer Handbewegung beantloortet. Dort kannst Du nach Belieben Dein Pferd nach Deiner Weise behandeln, denn kein Diener legt Hand an. Ist es ein berühmteres Gasthaus, so zeigt Dir ein Knecht den Stall und auch den freilich gar nicht bequeme» Platz für das Pferd. Denn die besseren Plätze werden für spätere Ankömmlinge, vor- züglich für Adelige vorbehalten. Wenn Du etwas tadelst oder irgend eine Ausstellnng hast, hörst Du gleich die Rede:Ist es Dir nicht recht, so suche Dir ein anderes Gasthaus". Ist das Pferd be« sorgt, so begibst Du Dich, wie Du bist, in die Stube, mit Stiefeln, Gepäck und Schmutz. Diese geheizte Stube fft allen gemeinsam. In dieser Stube ziehst Du die Stiesel aus, bequeme Schuhe an und kannst auch das Hemd wechseln. Die vom Regen durchnäßten Kleider hängst Du am Ofen auf und gehst. Dich zu trocknen, selbst zu ihm hin. Auch Wasser zum Händewaschen ist bereit, aber es ist meist so, sauber, daß Du Dich nach einem anderen Wasser umsehen nmßt, um die eben vorgenommene Waschung abzuspülen. Kommst Du um 4 Uhr nachmittags an, so wirst Du doch nicht vor L Uhr speisen, nicht selten erst um 10 Uhr, denn es wird nicht eher aufgetragen