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er nicht ersoffen sein kann, muß ihm wohl was anderes passiert sein. Der gelbe Sänger verliert die Stimme und segnet auch bald das Zeitliche, während in der bescheidenen Wohnung des Arbeiters und Handwerkers die Pflanze grünt und blüht, der Vogel singt und der Fisch munter im nassen Element herumplätschert. Dort steht man diesen Geschöpfen verständnislos gegenüber, hier werden sie als Mitglieder der Familie betrachtet und in liebevoller Weise betreut. Am schlechtesten geht es der Zimmerblume im Winter in den Kellerwohnungen, wo sie im Dämmerlicht und jedem Sonnenstrahl entzogen nur fümmerlich dahin vegetiert. Je höher die Wohnung, je zugänglicher die wenn auch nur fleinen Fenster der Sonne, um so besser das Gedeihen der Pflanzen. Daher fommt es auch, daß wir die fleinen Fenster der Dachwohnungen so häufig bon üppigem Grün umrankt sehen.
Wir müssen die Blumen jetzt vor der direkten, trockenen Ofenwärme bewahren, sie dem Fenster und damit dem Tageslicht so nahe als möglich bringen, ruhig an dem einmal gegebenen Standorte belassen, gegen falte Außenluft und starke Temperaturschwankungen schüßen und dem nun verlangsamten und stockenden Wachstum entsprechend wenig gießen. Dabei ist aber zu beachten, daß die wintergrünen Zimmerpflanzen auch im Winter einen gewissen Durst zu befriedigen haben, da die trodene Zimmerluft den Blättern ständig Wasser entzieht, das ihnen durch die Wurzeln ersetzt werden muß. Das Gießen soll aber im Winter mit Vorsicht ausgeführt werden und stets nur unter Verwendung von abgeftandenem oder besser noch erwärmtem Wasser geschehen. Das Gießen mit faltem, der Leitung frisch entnommenem Wasser ruft Wurzelerkältungen hervor, in deren Verlauf die feinen Sauge wurzeln absterben und in Fäulnis übergehen, was bald den Tod der Pflanze zur Folge haben muß.
May Hesdörffer,
Kleines feuilleton.
N
Das Lorking Denkmal im Tiergarten.... Das Fest der Denkmalsenthüllung war glücklich vorbei. Mit Bannern und Fahnen waren sie dahergezogen, wie zur Königsparade. Wichstopp an ichs topp ftrahlte dichtgedrängt in herbstlichem Sonnenschein. Liedertafler, Krieger, Stat- und Keglev- Klubisten, patriotische Vaterlands bündler, Schornsteinfeger- und Schützengilden, Reporter und sonstige Sportler: fie alle, alle hatten das ausgemünzte Blechgold ihrer gesanges- und trinkfrohen Kehlen am Sockel niedergelegt. Reden und Hüte wurden geschwungen. Dann war die funterbunte Korona marschmäßig, die Hände an der Hosennaht, mit wehenden Wimpeln und flatternden Frackschößen wieder stadteinwärts gezogen.
Einige zur Feier befohlene" Wadelexzellenzen im ordenbesäten Habit des berühmten Hauptmanns von Köpenick, nebst zahlreichen Hoftunstleutenants und sonstigen Würdenträgern hatten indigniert und naserümpfend zur Seite gestanden. Nun bildeten sie einen Kreis: die Köpfe vornübergebeugt, auf dem Rücken ihre von weißen Glacés belederten Aristokratenhände. Es wurde„ Kritik" gehalten. Ein allgemeines Murmeln und Mauscheln begann.
" Sagen Sie, mein verehrter Herr Generalintendant, was hatte das zivile Proletenpad hier zu tun? Ich denke, es handelte sich um eine spezielle höfische Angelegenheit..
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So denke ich gerade- da nieft's schon wieder: Hazi hazi- z- zi"
Num hört ich's deutlich: es tam aus der Luft, von oben her. -1 2orging wird doch nicht
Aber da winkt mir der steife Marmormann schon mit dem Bleistift in der rechten Hand, während er die Notenblätter in der linken als Schnupftüchlein zusammengeballt vor die Nase ge= preßt hat. Unverzüglich begebe ich mich dicht vor das Postament.
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„ Js keen Blauer da?" fragt er, sich niederbückend, leise. " Augenblicklich nicht. Scheint ausgetreten zu sein."
„ Et is also reene Lust. Endlich! endlich! Jottecken, war das Anstrengung for mich!"
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Wovon denn?"
" Von de ville Blizableiter und Piepvögel heite, wie se mir enthüllt haben. Und icke mittenmang als Ziviliste."
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Denken Sie nur, verehrter Meister, die Ehre!!"
Wat fagen Sie- Ehre? Jak huste druff!"
Ganz baff darüber, nehm' ich„ Die Post" aus der Tasche und ihm, so gut das bei einem entflammten Zündholz möglich ist, einiges vor:" Innungen mit ihren Bannern flingendes Spiel alle Schichten des Volkes vom Herrscher" „ Hören Sie uff!"
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Sein hohes Interesse erstreckte sich bis auf die Ausgestaltung Kunstwerts „ Hazi- i"
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" Und dann, liebster Meister-Sie sind der Siebenundvierzigste Tiergarten."
„ Hazi- i"
" Unter so vielen gekrönten Häuptern"
" Hazi- i-- 3-3-11- So, nu tann ich wieder uffatmen! Nee, war det' n Klimbin! Schon von Anno dazumal hab ick de Näse voll. Erst die hundertste Geburtsfeier; daun, seitdem id fünfzig Jahre tot bin. Ueberall ha'm se mir zu Ehren jerummelt, jedenktäflert, jedenkmälert. Aberst nu nee, id danke!"
hier
Er lachte, lachte aus vollem Halse. Geradezu staatsgefährlich. Ich bedeutete ihm, nicht allzu vorlaut zu sein. Ach fo ,, Nein, noch nicht. Bitte weiter! Aber ein bißchen leiser; denn haben die Gebüsche Ohren."
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der Blaue"
" Se meenen woll, die anderen Marmorkollegen? Jotte, Jotte, in wat vor' ne scheene Jegend bin id da jeraten! Jd fürchte, de berühmte 2onnejans fann' n stärksten Mann umbringen. Und id bin nie nich'n herkules jewesen. Wir konnten se det Waterunser durch de Backen puften. Nu aberst steh ick da mit uffgeblasenen Justav, Justav, wat haste aus mir jemacht!" " Sie meinen doch Professor Gustav Eberlein , der Sie geschaffen?" So is et. Sehen Sie mir in meine Jeschwollenheit. Uffgeplusterte Backen. Und wat id for ne frampfhaft jespannte Bisasche zeijeet is zum Beinausfejeln. Wenn Justav det leahnt hätte!"
„ Was denn?"
" Als oller Hoffünstler hat er's ja jut jemeint. Wat sollten die bon de höhern Rejionen ooch erfahren tun, dat id in mein'm Leben ' n Zigeuner,' n hungernder Proletarijer, furz und jut:' n vaterlandslofer Jeselle jewesen! Und da hat ma Justav' n jut jenährtet Aussehen jejeben. Hätt er bloß' n Jasschimmer von Ahnung jehabt, dat ick niesen muß! Aberst' ne Anstrengung is et: die ville Hof" Es hätten unter allen Umständen strengere Maßregeln zur Schranzen um mich sehen, und nich lachen dürfen von wejen de hermetischen Absperrung getroffen werden müssen." „ Exzellenz haben doch die Schußmannsposten zu Denkmals Majestätsbeleidigungsparajraphen...
" Ganz gewiß, Exzellenz, aber
Seiten gesehen? Erste Uniformgarnitur versteht sich." Allerdings mit Wohlgefallen bemerkt
äh
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aber noch äh eine Frage: Professor Eberlein äh- ist doch Hofbildhauer, nicht wahr?"
"
"
"
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Ganz recht."
Und wer ist der Kerl, den er da ausgehauen hat?"
Das ist der Opernkomponist Albert Zorging." Lort- zing. Lort- zing-- Ach ja, ich befinne mich eben. Ist aber doch' n oller Komödiant gewesen. Kommt mir pyramidal plebejisch vor. Nicht mal Soldat und' n Marmordenkmal, das verstehe ich nicht."
Monument und Platz verdanken wir allerhöchster Machtvolltommenheit, ergo
Aeh, großartig, pyramidal! Selbstverständlich. Selbstverständlich."
Alle drückten sich unter ehrfürchtiger Verbeugung die Hände und verabschiedeten sich. Nur der Schußmannposten blieb zurück. Das Denkmal stand unter polizeilichem Schutz und Schirm und die Menge durfte es sich außerhalb respektiver Grenzen betrachten. Erst die einbrechende Dunkelheit verscheuchte den letzten Gaffer.
Still war's im Tiergarten, selbst die spärlich belaubten Wipfel der Bäume schwiegen. Es waltete die Nuhe der herbstlichen Nacht.
Plötzlich erscholl unfern von mir ein heftiges Niesen:„ Hazi, hazi, ha- zi- i-
Erschreckt spring ich von der Bant, wo ich gesessen, empor und blice um mich her. Kein menschlich Wesen erspäh' ich. Nur auf dem Teich bei der Rousseauinsel rudern lautlos die Schwäne. Wird doch keiner dieser Göttervögel einen Schnupfen gekriegt haben von der Kühle des in unmittelbare Nähe gerückten Marmors?
bis
Denken Sie liebster Meister; das ganze Volt vom Herrscher
Det is et ja eben. Im Volfe fühle ich mir heimisch; aberst nich mittemang de ville Masse von Erz- und Steinonkels in die Umjejend. Und die ville Uniformonkels von heite, wo se ma enthüllt haben. Da friegte id'n janz jewaltigen Schnupfen druff- wat meinen Sie, wat det for'ne Qual is, nich niesen zu dürfen? Aberst wartet, wenn Ihr Euch dünne gemacht haben tut, dann werd' ich euch gründlich wat niesen. Hazi
Mich wundert Ihr Schnupfen in so hohen Regionen." ,, Haha! Dort holt' n ehrlicher Kerl sich immer'n Schnupfen." „ Aber der Künstler hat Ihnen doch einen langen warmgefütterten Rock angezogen?"
"
,, Ach und wat for eenen! Dreimal inwickeln kann ich mir. Et is' n reener Familjenrock. Und dat soll ick sind? Mit dem Bleistift in der eenen Hand, mit det Notenpapier in der andern? Nee, is nich! Hätt' ma Justav lieber' ne Priestabaksdose jejeben! Und so soll ick tomponiert hab'n? Wie' n Jongleur oder wie ' n Balletthupfer? Hazi, hazi- 3- i! Sagen Se, hab' ick mir vielleicht in Leben als Kourtisane verjangen?' n fleißiger Familijenvater war ick uff alle Fälle, aberst" „ Wieso denn?"
" Von wejen die Butten am Sockel."
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" Sie meinen, die Kinderchen dort, die als Gestalten Ihrer Opern gedacht sind?"
So'n Schnickschnad aus'm Barock. Die nackten Dinger tun mer leid. Wat ick an Rock zu ville, ha'm se an Unaussprechliche zu wenig. Nich mal Badehosen hat'n Justav anjezogen, aberst dafor dufte Feijenblätter und Bruchbandagen. Mir friert, wenn ick die janze Armseligkeit ansehn tu."