und ist meist geneigt, die Dosen allzu sehr zu steigern. Wie viele Opfer die heimlichen Schilddrüsenkuren in den letzten Jahren schon gefordert haben, ahnt das Publikum ja gar nicht. Das satanische bei diesem Mittel besteht vor allem darin, daß es Diabetes herbei- führt. Anfangs merken die, welche es nehmen, noch keine Be- schwerden, dann mit einemmal— fast immer so plötzlich— fällt es ihnen auf, daß die Abnahme des Körpergewichts letzthin denn doch eine zu rapide gewesen ist, nun hören sie mit der Kur auf, aber da melden sich auch bereits Beschwerden und der konsultierende Arzt konstatiert Zuckerkrankheit. Nicht ganz so viel Unheil, aber immerhin auch noch genug schaffen die Mittel, um stärker zu werden. Auch für diese sind Frauen die besten Abnehmerinnen. Vorsicht vor diesen wie vor jenen— Vorsicht vor allem, was in die Kategorie der Geheimmittel gehört I Im günstigsten Fall enthalten sie gleich- gültige Bestandteile, die man nur hundert Prozent teurer bezahlt, als wenn man sie unter richtiger Flagge in der Apotheke oder Drogenhandlung kauft.> Kleines feuilleton. Ucbcrsicbcu. Die Voreingenommenheit spielt auch in der mittel- alterlichen Rechtsprechung eine verhängnisvolle Rolle. Bis zum 11./12. Jahrhundert beruhte Beweisführung und Urteil in allen pein- lichen Anklagen auf dem Geständnis oder den vereideten Zeugen- aussagen von sieben unbescholtenen Männer, deren Aussagen sich aber auf Augenschein und Tatsache stützen mußten. Das 12./1ö. Jahrhundert aber gewöhnte sich daran, Geständnis und Tatsachen- Material soviel wie möglich auszuschalten und das Urteil auf bloßen Verdacht und bösen Leumund hin herauszubringen. Es genügte dann zur Ueberführung, wenn der Kläger und sechs Eldeshelfcr aussagten, daß sie dem Angeklagten der Tat für fähig hielten. Auch der Richter mußte, Ivenn er als öffentlicher Ankläger auftrat, den An- schuldigungseid, laut dem„Sachsenspiegel" genau so selbsiebent schwören „selbst gctüge sein", wie irgend ein anderer Privatkläger. Im Kapitel 13 des Regensburger Landfriedens von Kaiser Rudolf I wird über eine solche Anklage gesagt:„Wer einen schädlichen Mann vor Gericht gefangen bringt, dieselbe oder„der Richter" soll schwören, daß er ein so schädlicher Mann sei, daß man über ihn richten solle; und dann sollen sechs schwören, daß der Eid wahr sei. Danach soll mau fragen(die Schöffen), wie man über ihn richten soll."— Irgend ein Schuldbeweis, oder auch nur der Schatten eines solchen, war nicht nötig. Wer als„schädlich Mann" galt, galt auch als Täter. Und wie leicht wurde man damals zum schädlichen Mann. Jeder- mann, der sich Jahr und Tag im„bösen lümd" befand, d. h. dem man eine verbrecherische Handlung vorwarf, ohne daß er sich gegen den Vorwurf vor einem Gerichte zu wehren oder ihn dort zu ent- krästen vermochte, galt als solcher. Daher sagt daö Herrschaftsrecht von Büro»„Item wer Jar und tag in einem bösen Lümden ist unvcrsprochen, der im gat an Er und an leben unversprochen, der het sich selben bezöget und mag man ab im richten nach sinen bösen lümden und in ab rath und ab gericht setzen und im da fürhin nit glouben und sol auch nieman schab noch gut sin an kleinen rechten, es wer denn, daß in ein Richter older ein Gericht older sust ehhaftige Not sumte, daß er sich nüt könnt older lnöchte versprechen, dann solls im nüt schaden, er muß aber das fürbringen".— Gelang aber eine versuchte Reinigung nicht, entweder weil der Angeschuldigte bei der vielleicht geradezu blödsinnigen Anklage überhaupt keinen Beweis seiner Unschuld zu führen in der Lage war, oder weil es ihm nicht glückte, für seine Unschuld die nötigen Eideshelfer aufzutreiben, blieb er„ein schäd- licher Mann". Sein Schicksal war beim ersten, besten Vorkommnis besiegelt. Mit ihm machte man kurzen Prozeß.„ES ist auch unser Landrecht fEntlibuch 1373), daß sieben Biedermänner, denen Cid und Ehre wohl zuzutrauen ist, wohl mögen einen schädlichen Menschen vom Leben zum Tode durch ihre Aussage bringen." In der Tat eine geradezu furchtbare Methode der Urteils- sällung. Denn sie mußte, abgesehen von dem Walten des Zufalles selbst bei aller Ehrenhaftigkeit der Eideshelfer, der persönlichen UrteilSfällung, dem persönlichen Hasse und der Voreingenommenheit Tür und Tor öffnen. ES konnte kein bequemeres Mittel geben, als daS Uebersieben, um mißliebige oder lästige Personen um die Ecke zu bringen. Und gerade diese schandbare Möglichkeit machte das Uebersieben der damaligen Rechtsprechung so lieb und wert. In voller Offenheit heißt es hierüber in der Bischöflich-Konstanzischen Gerichtsordnung für Klingnan und Zurzach :„Wenn in diesen Twingen jemand in so bösem Argwohn und Lümden fällt, daß er am Leben zu strafen wäre; so sollen die bischöflichen Amtsleute zugreifen, Rechtstag ansetzen und selben dein Vogte verkünden. Wird der Missetäter mit Kundschaft überwunden, welcher Beweis in Gegenwart des Vogts zuerst versucht werden soll, so sollen die Amtsleute ihn mit Leib und Gnt und mit dem Stab dem Vogt überantworten und nicht weiter fragen noch richten. Ist kein Zeugen- beweis erhältlich, und will der Missetäter nicht„verichen", ist aber der Argwohn so stark, daß die Person„ohne Fragen" nicht billig zu lassen wäre, so soll man sie in Gegenwart des Vogts„an cyn feil legen und si damit elder in ander wis so nach fragen, daß es ge- uoug sye und in massen als daß nach dem bösen lümd gebührlich und billig ist". Kann der Uebelbelenmdete mit Recht nicht„um- gebracht" werden, so haben die bischöflichen Amtsleute in Beisein des Vogtes dafür zu sorgen, daß er nicht«schädlich" werde*, d. h. man stach ihm die Augen aus, hieb ihm einen Fuß oder eine Hand ab und andere Lieblichkeiten mehr. Ebenso brutal lautet die Urkunde, mit welcher König Wenzel der Stadt Luzern den Blutbann verleiht,„und verleihen ihnen vollkommen Macht und Gewalt, daß sie einen jeglichen schädlichen Menschen, der in ihr Gefängnis nach Luzern komnit mit bösem Leumund, den Leib abgewinnen mögen, wenn es Rat oder Schöffen oder deren Mehrheit auf ihren Eid dünkt, daß der Leumund so groß und so stark sei, daß man billig richte über seinen Leib, denn ein solches unterlasse und daß er damit seinen Leib verloren habe. Auch sollen sie es in ihrer vollen Gewalt haben, einen jeden ihrer Bürger oder sein Kind oder seine Freunde oder seinen Knecht, wenn sie erfahren und inne werden, daß er so ungeraten sei, daß es sie dünket, daß eS für seine Ungeratenheit besser sei. er sei todt denn lebendig, daß sie einen solchen, der in der Stadt und dem Gerichte von Luzern ge- sessen ist, verurteilen mögen, ihn von einem Turme zu stürzen oder ihm einen anderen Tod zu geben, je nachdem sie beschließen*. Kein Wunder, daß die durch das Uebersieben verursachten Justizmorde zum Himmel schrieen, zumal in den Städten, die sich mit diesem Mittel politische Feinde und einen Teil des lästigen Proletariats vom Halse zu schaffen suchten. So schlimm wurde die Sache, daß 1493 das Reichskammergericht beim Reichstage Beschwerde führen mußte, wie täglich Klageii ein- gingen,„daß sy lut onvcrschuld, on recht vnd redlich nrsach zum Todte verurteilen und richten lassen haben". Bei dieser Art der Urteilssprechung nahm natürlich die Rcchtsunsicherheit immer mehr zu; denn zumal gegen reiche oder sonst mächtige Verbrecher fanden sich nicht so leicht' Eideshelfer. Wohl aus diesem Grunde suchte dann 1498 ein kaiserliches Mandat im Lüneburgischen das Ueber- sieben wenigstens einzuschränken,„damit das Uebel gestraft, der ge- meine Nutzen gefördert und den Rechten seinen Lauf gelassen werde". Ebenso schaffte die Bamberger Halsgerichtsordnung 1597 das Uebersieben ab, während die Carolina, das von Karl V. eingeführte erste allgemeine deutsche Strafgesetzbuch, mit Stillschweigen darüber hinwegging. Aus diesem Grunde dauerte das Uebersieben noch bis in das 18. Jahrhundert hinein. So wurde 1732 zu Emmendingen das Urteil gegen einen Gotteslästerer durch Uebersieben heraus- gebracht. Es heißt darin:„Obwohl der Maleficant die zu Drehen verschiedenen Malen begangene Gotteslästerung nach Ausweis des Besiebenungsprotokolles nicht so vollkommen eingestanden, dagegen aber durch unverwerfliche Gezeugen nach abgeschworenen Eiden in Confrontatione dessen überwiesen usw." Kunst. * Fritz Thaulow , ein bekannter norlvegischer Maler, ist in Volendam (Holland ) gestorben. Thaulow gehörte zu den nordischen Künstlern, die früh der impressionistischen Richtung in der Malerei sich anschlössen. Er war in Christiania 1847 geboren und hatte seine Ausbildung in Karlsruhe und dann in Paris genossen. Besonders die Kiisten der Nordsee , Meeresstimmnngen und Eindrücke aus den Hafenstädten in der Normandie usw. kehren in seinen kraftvoll und breit gemalten Bildern wieder. Auf deutschen Ausstellungen war Thaulow , der seit langen Jahren in Paris und Nordfrankreich lebte, öfters vertreten. " Edmund H a r b u r g e r, der Münchener Maler und Zeichner, ist in einem Alter von 30 Jahren gestorben. Als Zeichner der „Fliegenden Blätter " erfreute er sich einer breiten Popularität. Die kräftigen Zeichnungen, in denen er mit Humor und ausgeprägter Charakteristik Typen aus dem bayerischen Volksleben festhielt, bildeten auch für den, der das alt gewordene Witzblatt sonst nicht mehr liebte, immer wieder eine Quelle heiteren Genusses. Die dickkopfeten, breiten, stämmige» Figuren Harburgers, diese aufgequollenen Schänkkellncr, Metzger, Bierwurzn, Grantlhuber, den Herrn Amtsrichter und den Angeklagten sah man in den mannig- fachen Variationen immer gern einmal wieder. Volkstümlichkeit und Urwüchsigkeit war dieser Welt Harburgers auf die Stirn geschrieben. In den„Fliegenden" wird»»an seinen Stift vermissen. Als Maler trat Harburger weniger hervor. Er war noch durch die Schule der Historienmalerei gegangen, die sein Lehrer Lindenschmidt vertrat. Er bevorzugte in seinen Gemälden dieselben derben Stoffe und starkknochigen Menschen, wie in seinen Zeichnungen. Wein- proben, Baucrnprügeleien, Wirtshausszenen u. dergl. hat er in Bildern festgehalten, die innner auf eine sehr wenig farbige braune oder graue Harmonie gestimmt sind. Einige davon hängen in der Mllnchener Neuen Pinakothek. Mit einem gewissen Rechthat man ihn einen bayerischen Brouwer genannt, wenn der alte Holländer seinen späten Nachfolger auch an Kraft und Ausdruck übertraf. Harbnrger war am 4. April 1846 in Eichstädt(Mittelfranken ) geboren. Geographisches. PearyL Nordpolfahrt. Tie„Franks. Ztg." berichtet über Pearhs im Endcssent mißglückten Versuch, den Nordpol zu erreichen: Als Peary 1902 nach vierjährigem Aufenthalt im Norden deS arktischen Amerika ohne nennenswertes Ergebnis für seine Haupt- aufgäbe zurückkam, konnte m m annehmen, er werde für eine Wieder- holung seiner Polstürmerei wohl auch in Amerika kein Verständnis und keine Mittel mehr finden. Das war indessen ein Irrtum. Peary nahm die Agitation sofort wieder auf.
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23 (7.11.1906) 216
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