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Bildeindruck ist da, und doch wirkt das Ganze wie ein Teppichstoff, wie gewebt, oder wie ein Glasfenster. Es ist fein willkürlicher Stil, den der Künstler mit Gewalt herbeiführen will. Die Natur gibt er ohne Zwang. Und nur die Farbenverteilung zerpflückt den farbigen Gesamteindruck und stellt die dekorative Wirkung her.

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( Nachdruck verbeten.)

Der fromme Mann.

Eine tragikomische Geschichte von Heinrich Traube. Es war einmal ein frommer Mann, dem ging alles verquer.

so zu:

war er im Evangelischen Männerverein. Er war Anti- Alkoholiker und gehörte dem Weißen Kreuz an. Natürlich hatte er sehr viel fromme Bücher gelesen und vor allem recht viel Lebensgeschichten frommer Männer und christlicher Familien. Stets hatte er sich an folchen Schriften erbaut, und sein Herz war einfältig geworden, und in seiner Jugend schon hatte er beschlossen, auch so ein frommer Mensch und christlicher Familienvater zu werden.

Aber es tam leider anders.

Als Lehrling war er sittsam und arbeitete fleißig, flagte nie, denn in den frommen Büchern hatte er gelesen, daß der christ­liche Meister solchen Lehrlingen als besondere Belohnung für ihren Fleiß das letzte Vierteljahr der Lehrzeit schenkte. Es tam aber anders. Der Lehrherr schenkte dem frechen und faulen Stübich das letzte Vierteljahr und war froh, daß er ihn los war. Unserem Freunde aber schenkte er nichts, sondern freute sich, daß er einen so Dummen gefunden hatte, den er ausnuten fonnte.

In der letzten Sommer- Ausstellung der Berliner Sezeffion In seinem Leben kam alles anders, als er dachte, und das ging fielen einige Plastiken und Bilder des Dänen Willumsen auf. Der Kunstsalon Schulte widmet ihm nun eine umfangreiche die Sonntagsschule besucht, später den Jünglingsverein, und jetzt Von Jugend auf war er fromm gewesen. Als Kind hatte er Rollettivausstellung, die aber eigentlich das Bild, das man von dem Künstler hat, verwirrt. Das kommt daher, weil der Künstler in sich nicht geflärt ist. Ganz offensichtlich ist in Plastik wie Malerei das Hinstreben zum Dekorativen. Aber in der Plastik bleibt Willumsen in einer blaffen Allegorie haften. Weder der zähnefletschende Krieg", noch der weibliche Kopf mit dem blafierten Ausdrud, Schwäche" betitelt, überzeugen unmittelbar. Es sind wohl neuartige Ansäge darin, doch würde ein deutscher Künstler verlacht werden, wagte er so blasse Allegorien, und in die Sezession würde er nun und nimmer hineinkommen. Das Große ist bei Willumsen nicht organischer Ausdruck, sondern wirkt nur vergrößert. Auch in den keramischen Arbeiten treibt Willumsen eine nicht einwandfreie Symbolik, da die Werte mehr aus dem Inhalt als aus der Technik und dem Stil geholt werden. Er stellt eine Vase her, die er das Wachsen" betitelt. Unten am Fuß ein brauner Streifen um die Base, der etwa Schlamm andeutet; im Mittelteil Blumen, oben Menschenkinder. Bei den Bildern, die ausschließlich dekorativ sind und darum das Entsezzen der Besucher bilden, mischt sich französischer Später als Gefelle hielt er sich von allen Sozialdemokraten und nordischer Einfluß. Man spürt auf einigen Straßenbildern den fern, machte willig Ueberstunden und schmählte nicht über geringen Einfluß der französischen Karikatur wie der modernen Lohn. Stand doch in seinen frommen Büchern, daß wirkliches Ver­Stiliften in Frankreich . Dann merft man speziell dienst immer belohnt würde. Ja, wie oft hatte er nicht gelesen, auf dem Bilde Niflheim" das Wirken des Nordischen. daß die zufriedenen Chefs einen fleißigen Arbeiter zum Wert In eigentümlich rücksichtsloser Manier vereinigt Willumsen führer, ja oft sogar zum Kompagnon ernannt hätten. Als dic altarartig Bild, Schnitzerei und Gobelin. Etwas Barbarisches liegt anderen streiften, arbeitete er natürlich weiter. Die Belohnung darin. Man denkt: ein starkes Temperament, ohne Zucht. Diese würde schon kommen. Und sie tam auch. Die anderen erhielten großen, der nordischen Gebirgswelt entnommenen dekorativen Ge- mehr Lohn und er wurde entlassen. mälde, die mit reichlicher Verwendung von Gelb gemalt sind, wirken auf die Dauer leer und wenn ein Deutscher solche leeren Flächen hinsetzen würde, würde man lachen. Tatsächlich berühren sich hier Zeitströmungen. Die Scholle" in München , die Bereinigung Münchener Künstler, die zum Dekorativen hinstrebt, hat die gleichen Tendenzen, nur sind ihre Mitglieder künstlerischer und ihre Bilder malerischer. Was an Willumsen tüchtig ist, das sieht man an den Stizzen, Bilder fleinen Formats( badende Jungen, sigende Mädchen, alles auf's Große, Einheitliche, auf den farbigen Eindruck hin angelegte Studien), die aber doch einen Stil haben, einen flächen­artigen, frestenhaften Stil, der aus dem Impressionismus geschickt und sicher, ohne Schönfärberei entwickelt ist. Man denkt an die jungen Künstler der Schweiz , die auch diese Tendenz zum Dekorativen haven, um aus dem Impressionismus heraus wieder zu einer großen Auffassung zu kommen.

Auch der andere Däne, Karl Nielsen , fommt als vielseitiger Künstler. Er ist Plastiker. Am besten sind seine kleinen Tierstudien, die von momentanem Leben erfüllt sind. Sie zeugen von genauer Beobachtung und viel Liebe, und bringen gewissermaßen die Luft mit. Man spürt bei einer liegenden Sau die Hige der Luft, bei einem fpringenden Fohlen die Freiheit der Landschaft. Das ist alles mit viel Geschmack gearbeitet, momentan, flizzenhaft und doch vollständig das Motiv ausschöpfend. Dagegen ist die Symbolik an den großen Bronzetüren des Doms zu Ripen sehr billig und sehr profaisch. Unten Wellenzüge, in der Mitte Aehren, als Türklinke ein Schnecken­gehäuse, den Türring hält ein Stierkopf im Maul. Das soll dars stellen, daß der Ort an der See liegt, Wiesenreichtum besigt und Viehzucht und Ackerbau treibt. Immerhin erfreut auch hier eine gewisse Frische der Anschauung, die sich lieber bescheiden auf sich stellt, als in billiger Weise Formen aus der Vergangenheit über

nimmt.

Sehr

Der märkise Künstlerbund zeigt ein erfreuliches Niveau, das nicht begeistert, doch auch nicht verstimmt. prickelnd malt Schinkel die Frühlingsschönheit der Mark; doch trifft er auch den düsteren Ton des In sich Ver fintens der diefer Landschaft eigen ist. Achtenhagen malt breiter, er arbeitet in flüchtigen, großen Kontrasten, am besten find die Bilder, in denen er Ansichten von Dörfern gibt, die tief im Grünen liegen. Geyer bevorzugt einen grauen Schleierton. Es gelingt ihm, die zarten Töne märkischer Landschaft markant wiederzugeben. Kayfer Eichberg arbeitet mehr auf das Deforative hin, wozu ihm die in tiefem Abendlicht erglühenden Kiefern über dem See Gelegenheit geben. Gute Kollektionen von Julie Wolfthorn , Phil. Frand, Fabian schließen sich an. Hermann Lang läßt sich in seinen Plastiken von der römischen Kunst an­regen. Seine Büsten, speziell die Kinderbüsten, sind sachlich und zugleich natürlich und haben eine gute, ruhige Haltung. Das Beste gibt der Künstler in einem Relief eines trinkenden Knaben; der Körper hebt sich in breiten Konturen flüchtig von dem Grund ab; es ist Können und Stil in der Arbeit, wenn auch kein eigener Stil, so doch ein mit Umsicht aus Fremdem genommener.

Darüber grämte er sich gar sehr, denn in den frommen Büchern wurden die Boshaften stets bestraft. Nach seinen eigenen Ei fahrungen traf das aber nie zu. Jndes tröstete er sich. Es würde schon noch kommen.

Er freite eine fittige Jungfrau, wie ihm deuchte, und freute sich auf das echt christliche Familienleben, das nun folgen würde. Unglücklicherweise bekam die teure Gemahlin nach sechs Monaten ein Kind. In den frommen Büchern traf dieses fröhliche Ereignis immer erst nach einem Jahre ein.

Aber auch darüber setzte er sich hinweg. Was tut ein echte Christ nicht alles? Leider hatte er bei seiner neuen Arbeit Pech Er geriet mit einer Hand in das Getriebe und verlor den Arm. In seinen frommen Büchern kam so etwas auch vor, doch dann erschien meist die Gattin des Fabrikanten mit Kuchen und Giern, mit Fleisch und Wein und tröstete den Unglüdlichen, und beim Fortgehen hinterließ fie meist eine Rolle Geld.

Merkwürdig, die Frau erschien nicht, so sehr er auch wartete. Im Gegenteil, er litt bald furchtbare Not, und seiner Familie ging es sehr schlecht. Doch der fromme Mann verzagte nicht. Noch hatte er ja etwas zu versehen. hatte er ja etwas zu verfeßen.

In den frommen Büchern erbarmte sich stets jemand des Krüppels, und gab ihm leichte Arbeit, und seiner Frau Verdienst durch Waschen; oder aber irgend ein edel denkender Wohltäter schenkte Geld zur Gründung eines Bigarrengeschäfts.

Doch nichts Derartiges wollte eintreten. Von seiner knappen Unfallrente und ein paar Gelegenheitsgroschen hungerte sich die Familie durch. Aber der fromme Mann haderte nicht mit dem Schidsal. Stand nicht in seinen Büchern, daß über alle Not das gemeinsame Band der christlichen Ehe hinweghülfe. Trösteten sich nicht echte Christen gegenseitig? Und hatte er nicht die Hoffnung auf einstiges Wohlergehen?

Leider brannte seine Frau nach kurzer Zeit mit einem jungen Arbeiter durch. Fast überstieg dies seine Glaubensträfte. Aber der Herr schickte die Fügungen zur Läuterung der Menschen, so Und er wollte verzagen? stand in seinen frommen Büchern. Gerade wollte er seine Rente holen, da trat er auf eine Apfel­finenschale, die ein boshafter Junge auf die Erde geworfen hatte, Das war schlimm. glitt aus und brach ein Bein.

Er kam ins Krankenhaus. O, jest würde es köstlich werden. Sicher fäme eine fromme tröstende Schwester an sein Bett und pflegte und erbaute ihn. Die Schwestern im Armenkrankenhause hatten aber alle keine Zeit. Und außerdem fühlte er so oft Sunger. Nachdem er entlassen war, stellte sich heraus, daß das Bein nicht ordentlich geheilt war. Doch er ertrug alle Schmerzen willig und mit Ergebenheit, wie es sich für einen rechten Glaubenshelden geziemt. Seine Unfallrente wollte man trok seiner völligen Arbeits so schrieben die Weisen e unfähigkeit nicht erhöhen; denn sei seine Schuld, daß er auf die Apfelsinenschale getreten sei. Merkwürdig alles, höchst merkwürdig.

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In seinen frommen Büchern, trat dann immer der Pfarrer in Aktion und brachte solche Armen in einem Altersversorgungs­hause unter, wo man gut zu essen bekam, und in einem niedlichen Garten spazieren gehen konnte.

Der Pfarrer, an den er sich wandte, gab ihm vier Pfennig,