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einmal am Flußufer war der Schnee weiß, der Regen, fortsette. Hier veranlagte ihn Schwanig, der neugegründeten der herabfiel, war eine verdünnte Lösung von Ruß und Burschenschaft Memannia" beizutreten, der er selbst schon angehörte; Rauch, und Jurgis' Geficht und Hände waren mit schwarzen und hier wurde der Grund zu einer Freundschaft gelegt, die erst mit dem dem Ableben Scheffels enden sollte. Schwaniz ging Strichen bedeckt. Dann erreichte er das Geschäftsviertel der schon ein Semester später, nämlich im Frühjahr 1845, nach Jena   ab; Stadt, wo die Straßen ein tintenschwarzer Pfuhl waren, in die Freunde saben sich von da an nur selten und nur auf furze Zeit welchem Pferde umherglitschten und fämpften, während wieder. Aber die im Verlage von Georg Merseburger in Leipzig   in Frauen und Kinder gleich aufgeschreckten Herden hinüber ihrer ganzen Wollständigkeit herausgekommenen Briefe Scheffels- stürmten. Diese Straßen waren ungeheure, vor hoch es sind auch solche von seiner Mutter an Schwanig dabei be ragenden Gebäuden gebildete Schluchten und hallten wieder zeugen es, wie festgewurzelt trotz der räumlichen Trennung der bon dem Läuten der Straßenbahnen und dem Geschrei der beiden diese Freundschaft war und blieb. Jene Briefe umfassen den Kutscher; die Menschen, die in Mengen darin hin und her Beitraum von 41 Jahren, und zwar von 1845 bis 8. Januar 1886, genau drei Monate vor dem am 9. April erfolgten Tode des Dichters. eilten, waren geschäftig wie Ameisen, alle stürmten atent- Dürfen sie in erster Linie von allen jungen und alten Studenten" los vorüber, ohne auf irgend etwas oder auf einander zu als eine Art literarisches Ereignis freudig willkommen geheißen achten. Der einsame vagabundenhafte Wanderer in seinen werden, so haben sie doch auch gerade durch den reichlichen Ein­durchnäßten Kleidern, mit hohlen Wangen und angstvollen schlag von politischen Anschauungen und Meinungen Scheffels über Augen, war so sehr allein, während er an ihnen vorüber- die deutsche Revolution ein allgemeines Intereffe. eilte, war so verlassen und unbeachtet, als ob er sich in einer tausend Meilen entfernten Einöde befunden hätte. Ein Polizist sagte ihm über seinen Weg Bescheid und fügte hinzu, daß er fünf Meilen zu gehen habe. Er kam wieder nach den Armenvierteln, zu ganzen Alleen von Bier­fneipen und billigen Läden, zu langen, unsauberen, roten Fabrikgebäuden, Kohlenlagern und Eisenbahngeleisen; und dann hob Jurgis den Kopf empor und begann gleich einem erschreckten Tiere die Luft einzuziehen, er witterte den fernen Geruch der heimatlichen Gegend. Es war jetzt bereits später Nachmittag, und er war hungrig; aber die Aufforderungen zum Mittagessen, die in den Fenstern der Bierkneipen hingen, waren nichts für ihn. ( Fortsetzung folgt.)

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( Nachdruck verboten.)

Scheffel- Briefe

bon E. Kreowski.

I.

Seit einem halben Jahrhundert ist Joseph Viktor Scheffels anmutig- romantischer Schwarzwaldsang" vom Säckinger Trompeter" das Brevier aller verliebten Backfische und Pennäler aus dem , besseren" Bürgertum. Zum Ueberfluß hat ihn dann später Viktor Neßler   als Oper auf die Bretter gebracht. Und wenn der Dichter auch davon schlecht erbaut gewesen war die larmoyante Melodie des Abschiedsliedes mit dem sentimentalen Refrain ,, Behüt dich Gott, es wär so schön gewesen

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Behüt dich Gott, es hat nicht sollen sein"

wen kann das wunder

Zunächst bezeugen sie allerdings des Dichters unverhohlene Freude an allem, was mit studentischem Leben zu­fammenhängt. Der junge Scheffel war ja tein Proletarier­find, sondern der Sproẞ eines gut bürgerlichen Hauses. Sein Vater hatte als Offizier bis zum Major Dienste geleistet und lebte nun als Staatspensionär in behaglicher Auskömmlichkeit und Ruhe. Von dort her hatte der Sohn etwas von soldatischer Forschheit mitbekommen. Daß sich der Heidelberger Korpsstudent die Freiherrlichkeit seines zu den höchsten Staatsämtern qualifizierten nehmen! Wo Couleurbrüder versammelt find zu fröhlichem Tun", Standes ausgiebig zunuze machte fei es auf dem Fechtboden oder Turnplatz, sei es beim Schoppen­stechen, Kommersieren oder zuweilen auch nächtlichem Randalieren, ist Scheffel natürlich gern dabei. Er weiß es ja: Aller Studien höchste Weisheit liegt doch auf dem Boden eines Römerglafes oder Lichtenhainer Bierkruges. Die Heidelberger   Zeit hat einen poetischen Schimmer über sein ganzes ferneres Leben gebreitet. Wo er als " Philister" auch weilen mag, ob in Berlin  , Jena  , Sädingen, Donau­ eschingen   oder daheim, ob in der Schweiz   oder Italien  : bon überall her sendet er durch Schwaniz Grüße und Glückwünsche an seine irgendwo festierenden Kommilitonen und vergißt nie, ihnen einen träftigen Kuhschluck" zu stiften. Manchmal freilich und Scheffel bekennt das unumwunden mußte ihm nachher der Wein als wohltätiger Sorgenbrecher dienen, wenn es galt, rasch über heimlich nagenden Gram und Groll hinwegzukommen.

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Die Studentenzeit in der Neckarstadt war gewiß schön. In­dessen scheint Scheffel bald erkannt zu haben, daß das Bummelleben und Kollegschwänzen nicht der einzige Zweck des Studierens sei. Er betonte vielmehr die Pflichtteilnahme aller studentischen Ver­bindungen an wissenschaftlichen Kränzchen" c., um so ver hindern, daß fernerhin bloß die Kneipe als Mittelpunkt und Haupt­Sache angesehen werden würde, wie das bisher geschehen war. Auch würde dadurch der Korporationsgeist geweckt und das Interesse an bolflichen und politischen Fragen rege gemacht werden. Scheffel stand also im Kreise der studentischen Opposition", die sich zu bor­nehmlich auch die Aufgabe stellte, mum auch nach außen hin

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zu demonstrieren", so etwas von politischer oder freiheitlicher Tendenz zu zeigen. Als Georg Herwegh   im Sommer des Jahres 1845 durch Heidelberg   kam, sollte ihm ein Ständchen gebracht werden. Allein die Tentonen wurden mit dieser an sich harmlosen Demonstration schnöd abgeklappt". Der Prorektor Vangerow wies die Bitte um seine Erlaubnis an den Universitätsamtmann und notierte diesem indes, sie abzuschlagen; der Amtmann wollte die Leute anfänglich wieder zum Prorektor schiden und wies sie endlich

ganz ab."

Somit wurde aus dem Ständchen nichts.

fam auf alle Leierkastenwalzen und wurde populär. Für die so­genannte" Bußenscheibenpoesie", die nach dem Trompeter" allent­halben emporwucherte, Scheffel verantwortlich" zu machen, wie es geschehen, wäre aber ungerecht trotzdem er der Vater vieler studentischer Sauf- und Kommerslieder ist und als solcher stets im Gedächtnis fröhlicher Musensöhne fortleben wird. Für die Allgemeinheit würde jedoch seine ganze lyrische Produktion, die übrigens Scheffels romantische Hinneigung zum katholischen Mittelalter dokumentiert, ohne sonderliche Bedeutung sein, wenn sich Im Herbst desselben Jahres ging Scheffel nach Berlin  . Daß der Dichter nicht durch seinen schönen und in kulturhistorischer Hin- er als Süddeutscher sich rasch in die völlig anderen Verhältnisse sicht äußerst wertvollen Roman Ekkehard" das Recht auf literarische Unsterblichkeit gesichert hätte. Allerdings greift auch dies Werk in im Babylonischen  " Spree- Athen fehlte doch der Heidelberger Schmit eingewöhnen würde, war nicht anzunehmen. Der Studentenschaft die germanische Vergangenheit zurüd. Und doch war Scheffel ein und korporative Zusammenhalt. Wohl tauchte Scheffel hier zuweilen Mensch seiner Zeit, finnenfroh, mit offenen Augen alle Erscheinungen recht fräftig unter; aber im allgemeinen" lebte er sehr einfach und Wandlungen betrachtend.. Nur als Poet flüchtet er sich in ver- und einförmig". Umso energischer wurde ein ziemlich wissenschaft gangene Jahrhunderte. Die Verbindung mit der ihn umkreisenden liches Leben begonnen". Scheffel hörte Pandekten bei Buchta, Gegenwart hielt er allenfalls in Gelegenheitsgedichten lose aufrecht. Staatsrecht bei Stahl, Kriminalprozeß bei Heffter, außer Einst hatte er aber doch auch seine politischen Sturmjahre gehabt dem noch einige Publika; und fist des Abends nicht ohne nicht bloß die studentischen Brausejahre. Die Biographen Scheffels Resignation meist an einem corpus juris und darf freilich nicht an haben ja schon darüber mancherlei Aufschlüsse gegeben. Daß aber in dem jungen Juristen und Dichter um 1848/49 die in Jena  ) denken die Winterabende des vorigen Jahres( in Heidelberg   oder an herum auch ein revolutionärer Geist bei Sang und vollen Bechern..." sehr lebendig ge wesen ist, berrieten uns weder seine sämtlichen poetischen Werke, noch seine bisher bekannt gewordenen Briefe. Adolf Freh hat ja wohl die Briefe Scheffels an zahlreiche schweizerische Freunde herausgegeben. Sie feßen allerdings erst mit dem Jahre 1854 ein. Aber von einigen Gelegenheitsgloffen zur badisch- preußischen Geschichte und zu politischen wie friegerischen Am meisten verstimmt es ihn, daß er an die Bandekten und Beitereignissen abgesehen, wird man in ihnen irgend eine Reminiszenz all die Frrgänge des römischen Rechtes gefesselt" sei obwohl sein an Scheffels persönliche Teilnahme an der Boltserhebung von Jurisprudenzstudium eigentlich doch keine Folge innerer Neigung und 1848/49 vergeblich suchen. Scheffel gehörte eben auch zu jenen teusch Ueberzeugung" involviere. Doch jetzt find die Würfel gefallen", schreibt verschlossenen Naturen, die sich nur wenigen erprobten Vertrauten er mutboll an Schwanig, und wenn es nicht in Gottes Namen geht, so ganz entschleiern. ochse ich in's Dreiteufelsnamen und gedenke jedenfalls in diesem

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Hier am preußischen Flusse

Bin ich so einsam wie nie,

Hier hat man nur Durst nach Wissen Und stillt ihn mit Philosophie."

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Eigentlich hat ihm feiner so nahe gestanden, wie Karl Winter ein ziemliches Stück voranzukommen". Die politischen Zu Schwaniz, der nachmalige Bürgermeister und Oberstaatsanwalt.   stände in Preußen, wo alles Reden so ängstlich und so patent­Die beiden lernten fich kennen, als der 19jährige Scheffel, von wissenschaftlich auftritt", gefallen ihm freilich verdammt schlecht. Er München lommend, seine Studien an der Heidelberger   Universität ist gewöhnt, derbe Worte aus freiem Herzen und frisch von der