Leber weg zu hören". Zwar wird in der Berliner Studentenschast„viel über deutsche Freiheit und Gemütlichkeit und Tapferkeit usw.gepaukt", auch„dem wissenschaftlichen Geist" der akademischen Jugendund der Frauentugend das Wort geredet; aber das alles sei ebendoch blosses Gerede und nicht Welt her. Gern erbaut sich Scheffelan Dahlmanns Geschichte der französischen Revolution:„Wenn nurdie großen Herren auch Geschichte studierten in solcher Auffassung,eS würde ihnen manches begreiflicher vorkommen! Ich glaube, derKönig von Preußen z. B. würde auch die Augen aufmachen, wenn erlesen würde, daß Zeiten möglich waren, wo aus dem Volk heraus einBrief an den König erlassen wurde, mit einer Sprache, wie in demvon Marat an Ludwig XVI. sS. 36S usw.)", schreibt er einmal und fährtdann satirifierend fort:„Die Berliner Staatsweisheit aber führteine ganz anders klingende Sprache. In Stahls Staatslehre—dem neuesten Produkt der Wissenschaft auf diesem Felde, stehtwörtlich S. 226:„Ein gottesfürchtiger König ist das herrlichste, waseS auf Erden geben kann".— Durch dies Buch bin ich von ineinerHochachtung Stahls ziemlich abgekommen; seine Ansichten— z. B.auch die über den Adel, den er für eine notwendige und göttlichgesetzte Institution hält, weil er eine sittliche Individualität hat,d. h.„die persönliche Hingebung an den Fürsten und die spezifischenBegriffe von Ehre und edler Sitte, die wir mit dem NamenRitterlichkeit bezerchnen," klingen oft fast wie eine Wissenschaft-liche Kneipzeitung." Kurz, die preußischen Mucker undBaalspfaffen hat Scheffel gründlich aufgeschrieben. Ueberhaupt istmit ihm selber eine innerliche Wandlung vorgegangen. Somanches aus dem inneren Leben anderer, das er mtt an-gesehen, hat ihn„unwillkürlich ernster" gemacht. Er findet,daß auch das„Studentische" an jedem abstirbt, und daß„dieZeit, wo man so heiter und ungestört mit Gesang und Becherklangden Tag totschlägt und bloß an die Gegenwart denkt", auch für ihnhalb vorüber sei.Wissenschaftlich gefestigt, innerlich gereist, verläßt Scheffel 1843anfangs September Berlin und geht über Eisenach, wo er beiSchwanitz Station macht, nach Karlsruhe ins Elternhaus. Aufwenige Wochen nur. Er verbrachte sie,„ohne viel und konsequentgearbeitet zu haben". Umso eistiger besuchte er die letzten Kammer-Verhandlungen bis zum Schlüsse:„eS ging zum teil wild darin her,und unparlamentarisch", berichtet er anr 30. September.„DenTriumph in der Feinheit hat Büß sNniverfitätsprofessor in Freiburg)davongetragen: als der Abgeordnete Brentano ihm aus seinen Ge-dichten nachwies, daß er stüher nicht an Unsterblichkeit geglaubt,meinte er, es sei unwürdig, seine Vergangenheit so auszubeuten, wennober die Herren ihr System gegen ihn fortsetzen wollten, so wolleer ihnen bemerken, daß er vor 40 Jahren in Zell am Harmersbachgeboren sei, dort könnten sie vielleicht noch seine Windeln finden undsollten nur recht wacker die Nasen hineinstecken, um etwas aus seinerVorzeit zu riechen."— In ähnlicher Art gings weiter.„Als überteckers Antrag, daß jeder, der während seiner Wirksamkeit in derammer einen Orden erhalten, austreten müsse, debattiert wurde,gabs eine harte Szene. Nachdem Hccker allerdings in sehr forscherWeise die deutsche Ordcnsmenagerie und die Bändelcin der hoch-heiligen Bureankratie lächerlich gemacht batte, ertönte von derGalerie ein Bravo. Nun fuhr die rechte Seite auf; Beck nannteHeckers Weise roh, Trcfurt verlangte Räumung der Galerie, Schaaffschimpfte auf die Parteilichkeit des Präsidenten, Junghanns I schriedazwischen. Alles unisono— Hecker wollte sich verteidigen.es war ein sörnilicher andauernder Tumult usw."Seit Anfang Oktober befand sich Scheffel wieder Studicrcnshalber in Heidelberg. Unter allen Vorlesungen des Wintersemestersregistriert Scheffel nur die GervinuSschen über Politik als„von all-gemeinem Jnterefie". GervinuS verurteilte darin besonders denKommunismus. Er bezeichnete es als„Unvernunft" und„Anachronismus": daS Bestreben nämlich,„den vierten Stand, dasProletariat, zu emanzipieren, während wir den dritten, da«Bürgertum, auf welchem nach geschichtlicher Notwendigkeit,nachdem Adel und Geistlichkeit ihre Rolle ausgespielt, die Ent-Wickelung der Zukunft beruhe, noch bei weitem nicht zu seinemRecht und seiner Bildung gebracht hätten". Scheffel will zwar die„gerechte" Polemik über den Kommunismus noch gelten lassen.„Fatal",räsonniert er.„hat mich nur berührt, daß GervinuS damit in einemguge auch über die ganze soziale Frage unserer Zeit den Stab ge-rochen hat und einfach die materielle Not leugnete oder sogar fiirein Produkt hirnverbrannter Köpfe und nicht für ein Produkt derwirklichen steigenden Not hält. Ob er darin mit wirklich historischemBlicke sieht, wird die Zukunft lehren."...ÄJ,<«-«---«>M°>Das Ruhuksd.Von Lisa Weng er« Nuntz.Ein Vuchfinkenweibchcn hatte fünf reizende Eier gelegt undbrüstte eifrig Tag und Nacht. Und weil eS müde wurde und ganzfstif. so flog es einmal mit seinem Männchen spazieren. Wie siezurückkommen, so liegt unter den kleinen, niedlichen Eilcin einsechstes, dn ungeschlachtes großes Ding, doppelt so dick und lang alsd» anderen. Ganz verblüfft stehen sie an, Rest. Der Fink siehtfem Weibchen von der Seite an und sagt:„Frau, das gefällt mirnscht. Dn wirft doch nicht mir da ein stcmdeS Ei einschmuggelnwollen, wo wir schon solange verheiratet sind und so glücklich zu»sammen leben. Wie kommt das Ei dahin?"„Aber Mann," sagt das Finkenweibchen und wischt seine Augen,„wie kannst Du mir so etwas Abscheuliches zutrauen! Ganz gewiß,ich weiß nicht, was das für ein Ei ist und wer es in unser Restgelegt hat."Der Buchfink war nur halb überzeugt, aber er wollte sdnWeibchen nicht aufregen, jetzt, wo es an, Brüten war.„Ich fliegenoch ein wenig aus," sagte er kurz und ging.Unterwegs begegnete er dem Grünspecht, dem Schuflehrer, underzählte, was ihm begegnet sei, und daß er fast glaube, seine Frauwolle ihm einen Streich spielen.„Jetzt hör' aber." sagte sein Freund,„Buchfink, blamiere Dichnicht! In welche Schule bist Du denn gegangen, daß Du nichtweißt, daß das selbstverständlich ein Kukuksei ist I Wie stehtes aus?"„So und so," sagte der Buchfink.„Natürlich, es ist kein Zweifel, es ist eines," sagte der gelehrteSchullehrcr." Ich rate Euch aber, es schleunigst zum Neste hinauszuwerfen, Ihr habt nur Aerger davon, wenn Ihr solch einen fremdenVogel aufzieht."Sie gingen n,it«inander heim und erzählten der Frau, wasfür eine Bewandtnis es mit dem Ei habe. Der Mann verzieh ihr,und darauf berieten fie von wegen dem Hinausschmeißen.„Nein, daS tue ich nicht," sagte daS Weibchen," es ist nicht recht.schließlich ist es doch ein Vogel! Es wird schon gehen." Und dasgute Weibchen brütet und brütet, bis es endlich piepst im Nest."Gott Lob I Da sind sie I" sagt es, und zählt die Neinen, nackten,unappetitlichen Vögel.„Du hebe Zeit, der Fremde ist ja noch nicht dabei." ruft derBuchfink und das geduldige Weibchen sitzt noch dnen Tag länger.Endlich piept es noch einmal. Ein Schnabel guckt heraus, dannder ganze Kopf, und sowie der heraus ist, so schreit er«Platz dal"„Behüte", sagte das Männchen,„komm doch Du erst ganzheraus, ehe Du Skandal machst!" Das tat er auch, und wie erfich schüttelte und zurecht setzte, so sahen fie, daß er viel größerwar als die andern, er sperrte seinen Schnabel auf und schrie, erwolle etwas essen.„Das fängt gut an," meinte der Alte, und er und sein Weibchenflogen den ganzen Tag herum, um die Schreihälse zu füttern, derGroße aber brauchte dreimal so viel als die anderen.„Wißt Ihr," sagte der jüngste Buchfink zu seinen Brüdern,„ichfinde, wir wären genug gewesen ohne den Fresser. Wir sind schonfünf und die Bissen sind schmal genug."„Ja." sagte der Aelteste frech,„und wer weiß, wo sie den herhaben I Sie würden ihn auch nicht behalten, wenn fie nicht müßten."Es war unverschämt von ihm, so etwas zu sagen, aber schließlichwußte er eben noch nichts von Kukukseiern, da er ja nicht zurSchule ging.Inzwischen wurden die Vögel größer, bekamen Federn undwaren endlich soweit, daß sie allein fliegen konnten und sich ihrEssen selber suchen.„Hört einmal." sagte eines Tages der Buchfink,„fliegen könntIhr nun alle. Wir haben uns fast zu Tode gequält. Euch daSFutter herzuschaffen, es wäre nun Zeit, daß Ihr selbst dafür sorgt.Von morgen an könnt Ihr ausfliegen und uns von Zeit zu Zeitbesuchen. Alle stimmten dem Alten zu, nur der Kukuk nicht. Derbehauptete. er sei noch nicht sicher im Fliegen und findeallein noch nicht genug zu esien, und kurz und gut— er bleibe nochda. Der Fink mochte schimpfen wie er lvollte, der Kerl ist einfachnicht gegangen. Sie hätten ja nur für einen zu sorgen, meinte er,da lange das Essen schon.Es dauerte nicht lange, so eröffnete er den Alten, er wolleheiraten. Das war aber BuchfinkenS denn doch zu bunt. Sie schaltenund lamentierten und rieten ab, was sie konnten, aber gegen daSHeiraten ist nun einnial kein Kraut gewachsen! Er heiratete alsound die Alten mußten ihr altes Nest verlassen und fich eine neueWohnung suchen, damit die jungen Kukuks einziehen konnten. Und dieganze Familie mußte noch Stroh herbeischleppen und weiche Federchen,damit der große faule Vogel mit seiner Frau recht warm zu liege»hätte. Was aber dabei geschimpft wurde, ist nicht zu sagen I DieSöhne überwarfen sich mit ihrem Vater und sie behaupteten, derfrenide Kukuk stesse ihnen ihr ganzes Erbe, sie hätten auch Lust zumHeiraten, aber ihnen überlasse niemand sein Nest und woher sollterfie welche nehmen? Kurz, es war Zank und Unstiede in der Familieund alles nur wegen des fremden Tieres. Mittlerweile kam die Zdt, inder die Frau Kukuk ihr erstes Ei legen sollte. Und wo legtesie es hin? In BuchfinkenS Nest, die unverschämte Person die! DaSaber brachte den Knig zum Ueberlaufen. Sie waren durch Schadenklug geworden, mit einem einzigen Ruck flog das Ei zum Nesthinaus, daß eS unten ganz gelb Henimspritzte. Jawohl, das fehltenoch! Dann gingen sie zur ersten besten Katze und zeigten ihr dasKukuksnest und am Abend war es leer.'BuchfinkenS zogen darauf in ihr alteS Nest und der ältestSohn bezog mit seiner Frau das andere. Wenn ober eines ode»daS andere von ihnen hörte, daß irgendwo einem Pärchen einKulaksei in das Nest gelegt worden war, ließen fie es sich nichtvcrdrieHpn. flogen hin und baten die Leute, doch um Gottes WillendaS Ei zum Nest hinouszuwerfen. und halfen noch selber mit.