bre'chens. ihnen stand es frei, zu verführen, zu schwindeln, zu plündern und zu rauben. Das Gesetz unterjagte sür den Sonntag das Trinken und dieser Umstand hatte die Wirte den Händen der Polizei überliefert und ein Bündnis zwischen ihnen zur Notwendigkeit gemacht. Das Gesetz verbot die Prostitution, und dadurch waren dieMadames" in die Kom- bination hineingezogen worden. Ebenso stand es mit den Spielhöllen- und Billardsaalbesitzern und auch mit jedem anderen Mann oder Weib, die irgend einem unerlaubten Ver- dienst nachgingen und bereit waren, dafür zu zahlen. Der Bauernfänger und Straßenräuber, der Taschen- und Gelegen- heitsdieb, der Hehler, der Verkäufer von verfälschter Milch, von verrottetem Obst und faulem Ueisch, der Besitzer ge­sundheitsschädlicher Mietswohnungen, der Quacksalber und Wucherer, der Bettler und derRollwagenkrüppel", der Preis- ringer und der berufsmäßige Faulenzer, der Rennplatz- Schlepper", der Zuhälter, der Mädchenagent und der Mädchenverführer vom Fach. All diese Beförderer der Korruption hatten sich zusainmengeschart und waren eine Blutsbrüderschaft mit den Politikern und Polizeibeamten eingegangen: sehr oft waren sie ein und dieselbe Person der Polizeioffizier war Eigentümer des Bordells, das er zu revidieren vorgab, und der Politiker schlug sein Hauptquartier in seinem eigenen Bierhaus auf. An Wahltagen vereinigten sich alle diese Mächte des Lasters und Verbrechens zu einer einzigen großen Macht: sie konnten bis zu einem Prozent hinauf genau voraussagen, wie der Distrikt wählen würde, und sie konnten die Stimmen jeden Augenblick beeinflussen oder verschieben. lFortsetzung folgt.) (ltilei* Deutfch. So nennt sich ein einfach und klar geschriebenes Büchlein von 150 Seiten, das vor kurzem bei Quelle u. Meyer. in Leipzig   er- schienen ist.(Preis t M.) Geschrieben ist es von Professor Friedrich Kluge  , einem Manne, der sich bereits früher auf dem Gebiete der deutschen Sprachwissenschaft durch eine Reihe tüchtiger gelehrter Werke bekannt gemacht hat. Er beherrscht also seinen Gegenstand, und daher können wir ihm mit Vertrauen folgen, wenn er es unternimmt, sich mit einer Schrift an die breite Masse des Volkes zu wenden. Wer liebte seine Muttersprache nicht? Ist sie es doch, in der die Mutter zu einem jeden von uns, als er noch hülflos war, mit liebevollen Worten gesprochen hat. Und jetzt, wo wir nicht mehr hülflos sind, müssen wir sie alle jeden Tag gebrauchen, um unsere Gedanken angemessen auszudrücken. Und wer will seine Gedanken nicht angemessen ausdrücken, besonders, wenn er etwas zu sagen hat? Und wir Sozialdemokraten haben der Welt noch viel mehr zu sagen, als wir ihr schon zu ihrem großen Leidwesen gesagt haben. Es gab eine Zeit, und das war um 1500 herum, als fast alle Bücher im wesentlichen in der Mundart der Landschaften, wo sie er- schienen, geschrieben wurden: erschien ein Buch in Norddeutschland, war es in plattdeutscher Sprache, erschien es in der Schweiz  , war es in schweizerischer Mundart abgefaßt. Das geschieht heute nicht mehr, sondern alle Bücher, die sich an die Allgemeinheit wenden. gebrauchen die hochdeutsche Schriftsprache. Wie das möglich ge- worden ist, legt Friedrich Kluge   in dem vierten Abschnitte seines Buches dar, indem er dabei von den politischen Verhältnissen ab- sieht und die inneren, rein sprachlichen Voraussetzungen und Aus- gleiche, die die Entstehung unseres Einheitsdeutsch erschwert oder erleichtert, oder überhaupt erst ermöglicht haben, die inneren Ve- dingungen der Loslösung unserer Schriftsprache aus unseren Mund- arten eingehend berücksichtigt. Wenn die hochdeutsche Schriftsprache jetzt von jedem, wo er auch in den weiten deutschen Landen ge- boren sein mag, verstanden wird, so ist es von selbst klar, daß es keine Kunstsprache sein kann, daß sie nicht in einem Treibhause ge- züchtet worden ist. sondern daß sie im Boden der Volkssprache und der Volksmundarten der Landschaften, zwischen denen sie ver- Mitteln will, ihre Wurzeln hat. In welchem Umfange knüpft denn nun die Schriftsprache an die Dialekte an, und worin besteht ihre Eigentümlichkeit? In der EntWickelung unserer heutigen Gemeinsprache sind drei Stufen zu unterscheiden: zuerst handelt es sich um den Ausgleich des Wort- Materials, also um den eigentlichen Körper der Sprache, dann um die grammatische Einigung und schließlich um den Ausgleich in der Aussprache. Schon Goethe verlangt im Jahre 1803 in seinen Regeln für Schauspieler Reinheit und Korrektheit der Aussprache, und im Laufe der Zeit haben sich diese Bestrebungen, eine einheitliche Aus- spräche zu schaffen, bedeutend verallgemeinert. Hierauf können wir heute an dieser Stelle nicht näher eingehen, da man schließlich ohne eine übereinstimmende Aussprache auskommt. Wichtiger ist der allmähliche Ausgleich in den äußeren Formen der Sprache, wie er sich in dem Zeitraum von der Reformation bis auf Lessing   vollzogen hat. Wie das zu verstehen ist, macht Kluge an einem interessanten Beispiel deutlich. In Oberdeutschland   zieh» man kurze Formen vor, man sagt: die Sünd  , die Krön, die Seel usw. Die heutigen Formen Sünde, Krone. Seele usw. kamen seit der Reformation aus den mitteldeutschen Dialekten in die Höhe, wurden aber in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts in Ober- deutschland als protestantisch abgelehnt. Merkwürdigerweise war es ein Jesuit, der gelehrt? Jgnaz Weitenauer, der in seiner deutschen Sprachlehre mit großer Entschiedenheit für das unglückliche e ein- trat. Später taten das auch noch andere Jesuiten   in anderen Fragen. Denn die Glaubenslehre habe mit dem e und anderen grammatischen Sachen nichts zu tun. Wenn auch die Prosa und Gemeinsprache nicht ernsthast darunter leiden, wenn die Form der Wörter nicht immer dieselbe ist, so ist es anders mit der gebundenen Rede, der Verskunst. Reim, Rhythmus und Versbau verlangen geradezu den starren Regelzwang für die Gemeinsprache. Durchwandern wir die deutschen Gaue, so treffen wir fast in jeder Mundart für eine und dieselbe Sache eine andere, oft uns unverständliche Bezeichnung an. Es wäre nicht schwer, für das Wort Schmetterling noch ein Dutzend andere Namen aufzutreiben, z. B. Buttervogel, Sommervogel. Maienvogel, Müllermaler usw. Ja, noch ebensoviele, die außer in gelehrten Werken noch niemals gedruckt worden sind, z. B. Flörlör(= FlatterlappenZ, Flalter- hans, Raupenscheißer usw. Ebenso geht es anderen Tieren und Gegenständen: es gibt für sie unzählige Synonyme( ähnliche Be­zeichnungen für ein und dieselbe Sache). Demgegenüber gibt es wiederum unzählige Wörter, die weder in der dialekten noch in der Schriftsprache je ernsthafte Mitvewerber gehabt haben. Solche Wörter sind: Vater, Mutter, Sohn, Tochter, Bruder, Schwester, Auge, Ohr, Wolle, Seide, Hut, Schuh, Esel, Affe, Fisch, Fleisch, Milch, Ei, Silber, Gold, Essig, Salz. Für diese Wörter finden sich keine Nebenbuhler. Wären alle Wörter so srei von Synonymen geblieben, dann würde der Unterschied zwischen der Schriftsprache und der Mundart viel geringer sein, und die Schriftsprache hätte sich viel leichter aus den Mundarten erheben können. Wir sehen also an den genannten Wörtern, daß die Schriftsprache an einen vorhandenen festen Bestand anknüpft, der von jeher die verschiedenen Mundarten einheitlich zusammengehalten hat. Aber nicht nur die einfachsten Grundbedingungen der menschlichen Gesellschaft, wie die Leibesnotdurft, die Familie, führen zu einheitlichen Benennungen, sondern auf das öffentliche Verkehrsleben in Handel und Wandel» die bürgerliche Gesellschaft mit ihren staatlichen und religiösen Ein- richtungen ist ein erklärter Gegner abweichender Bezeichnungen für ein und denselben Gegenstand. Indem sich nun die Schriftsprache solche allgemein gültigen Wörter, wozu auch noch die Zahlwärter gehören, aneignete, offen- bart sie sich als die Fortsetzung einer uralten Ver» kehrssprache, und in dieser Richtung gleicht sie die bestehenden mundartlichen Gegensätze im Wortmaterial aus. Was kirchlicher und staatlicher Regelung verfällt, dafür wird eine einheitliche Formel nötig. Man erinnere sich, daß Karl der Große   vergebens nach einer Regelung der mundartlichen Monats- namcn strebte I Erst ganz allmählich sind die heutigen einheitlichen Bezeichnungen durchgedrungen. Auch für die Namen der Wochen- tage gibt es einige dialektische Spielarten, und da stellt sich heraus, daß die Tage, welche vom weltlichen und kirchlichen Regimente ge- schützt sind, Sonntag und Freitag, niemals irgend eine Spur einer synonymen Benennung gehabt haben. Aber gleichzeitig können wir feststellen, daß auch die sür die übrigen Wochentage bc- stehenden Synonyme nicht vor den Ausgleichsbestrebungen der Ver- kehrs- und Schriftsprache haben standhalten können... Fast alle diese Synonyme finden wir in den Druckschristen des 10. Jahr- Hunderts, ehe der lexikalische Ausgleich durch die kaiserlichen Kanzleien, die Buchdruckerkunst und die Rcforination die Dialekt- Worte zurückdrängte." Je lveiter nun ein Begriff oder eine Begriffsgruppe von dem Bereich jener großen Mächte des gesellschaftlichen Lebens, der Kirche, dem Staat, dem Verkehr in Handel �md Wandel, entfernt ist, wie z. B. die Begriffe der kindlichen Sprache, desto mehr Bezeichnungen für ein und dieselbe Sache sind in ihr anzutreffen. Wir sehen das an dem Worte Murmel, Apfelgehäuse und an dem vorhin ge- nannten Schmetterling, wofür es unzählige Bezeichnungen tm Kindesmunde gibt. Diese Begriffe setzen der Einordnung in die Schriftsprache den größten Widerstand entgegen. Bon den vielen Namen des Schmetterlings streiten sich beim Beginn des Buchdrucks vielleicht sechs um den Vorrang, bis allmählich um 1750 herum die jetzige Bezeichnung die Oberhand gewinnt. DaL Endergebnis dieser kurzen Darlegung ist also: nur was dem größeren Verkehr und dem allgemeinen Interesse dient, erhält in der Gemeinsprache eine allgemein gültige Formel, das andere, dem Sonderinteresse dienende, verbleibt in der Mundart. Gehen wir nun vom Verkehrslebcn, dem Leben in Staat und Kirche zu den höheren Gebieten der Kunst und Wissenschaft über, so sehen wir, daß hier die Mundarten gänzlich versagen. Wie hilft sich nun in diesem Falle die Schriftsprache? Weil die Mundart aus einer viel älteren Zeit stammt, ist es nicht verwunderlich, daß in ihr die Wurzelwörter überwiegen. Die Schriftsprache ein Erzeugnis der neuen Zeit macht von der Neubildung der Wörter durch Zusammensetzung und Ableitung uneingeschränkten Gebrauch. Als ein geradezu klassisches Beispiel führt Kluge das Lutherschc Schwäher, Schwicgcr�