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Damals beging er die Dummheit. Er unterschlug seinem Chef Paris und in der Provinz Vorträge über religionsphilosophische und 400 Mark und büßte diesen Leichtsinn mit 3 Monaten Gefängnis. politische Themen, doch blieb er, zum Unterschiede von seinen meisten Dann wars aus mit dem frohen Leben im Heimatstädtchen. Mitstreitern in der Patrie Française", in den Grenzen des guten Makel hatte sich an seine Sohlen geheftet. Es trieb ihn fort unter Geschmacks und verfiel weder in die Albernheiten eines andere Menschen, unter Fremde, die ihn nicht kannten. Coppée, noch in die auf kaltem Wege erzeugte snobistische Brutalität eines Barrès. Auch behielt er eine gewisse

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Er kam nach Berlin . Hier begann für ihn die harte Schule des Lebens, der rücksichts- Selbständigkeit seiner Meinung, wie feine Teilnahme an Lose Stampf ums Dasein. Mit hungrigem Magen war er tagaus, der Aktion der katholischen Notablen, der sogenannten grünen tagein umbergeirrt, nach Arbeit, nach Brot. Ueberall Enttäuschung, Kardinäle" so genannt nach dem Palmenzeichen der Akademiker überall bedauerndes Achselzucken, wenn er sein legtes Zeugnis borzugunsten einer Abfindung mit dem Trennungsgesetz beweist. Ebenso brachte. Ueberall Mißtrauen, wenn er beteuerte, daß das ein Leicht wahrte er in sozialpolitischen Dingen ein freies Urteil. In einer sium war, den er nie wieder begehen würde. Endlich war es ihm Diskussion über den Sozialismus mit Gerault- Richard doch geglückt. Wohl nach drei Monaten. Ein vorurteilsloser Kauf- der Petite Republique" entwickelte er einen ziemlich weit main hatte ihn engagiert. Und er hatte das ihm entgegengebrachte gehendenden katholisch sozialen Radikalismus. Ein tief­Vertrauen zu würdigen gewußt. bohrender Forscher ist Brunetière weder auf dem literarischen, noch auf dem religionsphilosophischen Gebiet gewesen. In seinen Ausführungen über die Aesthetit des Theaters z. B. gibt er im ganzen die Durchschnittsmeinung des Bourgeois in gewählter Form wieder. Sehr heftig hat er auch den naturalistischen Roman an gegriffen. Jedenfalls aber ist sein Tod ein empfindlicher Verlust für das französische Schrifttum. Brunetière ist sozusagen mit der Feder in der Hand gestorben. Das lezte Heft seiner Revue enthält noch eine auf dem Krankenbett geschriebene Studie über die Philo­sophen und die französische Gesellschaft".

Die jugendliche Torheit war ihm zur Schule geworden, nach langem Mühen hatte er wieder eine Eristenz, er wollte ein tüchtiger Mensch werden.

Der Chef hatte sich in ihm nicht getäuscht, er hatte in ihm einen brauchbaren und gewissenhaften Arbeiter gefunden. Plöglich stellte sich wieder die unselige Tat zwischen ihn und seine Butunft. Jener Abend stand vor ihm, jener Abend, an dem ihm von der Polizei­behörde der Ausweis aus der Stadt Berlin und den Vororten zu gestellt wurde. Alle Reklamationen halfen nichts, er mußte die schwer errungene Eristenz aufgeben, Berlin verlassen.

Der Boden war ihm unter den Füßen entzogen. Damals bes gann sein Unglüd.

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an sein verlorenes Leben.

Völkerkunde.

Dem Manne krampfte sich das Herz zusammen, wie er an jene die schon seit einer Reihe von Jahren unter dem Namen der Jesup­Die Forschungen am nördlichen Stillen Ozean, Zeit dachte so lange her Damals wäre er ein brauchbarer Mensch geworden, und heute Expedition in großartigem Maßstabe durch eine größere Zahl von Gelehrten ausgeführt werden, haben wieder große Fortschritte aufs war er verkommen, ein Landstreicher, ohne Zwed und ohne Ziel. Damals hatte er immer noch seinen ehrenhaften Namen May zuweisen. In dem zulegt erschienenen Band der Ergebnisse berichtet Reppert, heute kannten ihn die Kunden und Pennbrüder als Nepper Swanton zunächst über die religiösen Ideen und die soziale Mare, der die Menschen neppte, der ihnen abnahm, was er be- Ordnung bei den haida- Indianern, die etwa 600 an kommen konnte. Wenn ihm damals der Wanderstock nicht in die der Zahl die Städte Stidegate und Maffet auf den Königin Hand gedrückt worden wäre, es hätte sich vieles anders gestaltet. ist in zwei Sippschaften geteilt, die sich nach dem Raben und nach

Heute schleppte er ein verlorenes Leben.

dem Adler nennen.

Die Teilung ist eine rein foziale. Beide

Jede Familie

Er war noch nicht weit von Berlin entfernt, als ihn der Hunger Stämme find erogomisch, d. h. ein Mann der Rabensippschaft muß zum Betteln trieb. Er ging hoch( wurde verhaftet), der Schuffer ein Weib der Adlerfippschaft heiraten und umgekehrt. Die Kinder ( Gendarm) faßte ihn beim Muggen( Betteln) ab. Dafür gab's drei Tage. Ach, richtig, damals feilte er seine Zelle mit einem gehören immer zur Sippschaft der Frau. Daher kommt es, daß Lehmer( Bäcker), der auch wegen Wuggerei brummte, einem aus- ein Mann oft die Kinder seiner Schwester und nicht seine Die Raben und gedienten Kunden. Mit dem tippelte er weiter. Es ging leichter so. eigenen als seine Nachkommen betrachtet. Der gewiefte Spedjäger leitete ihn mit ziemlicher, in langen Jahren Adler scheinen nicht als Gottheiten oder vergötterte Vorfahren zu erworbener Sicherheit durch alle Fährnisse des aufgezwungenen doch scheint dies fein Opfer zu sein. Wenn dem Adler von der gelten. Gelegentlich wird allerdings Futter für Raben ausgestreut, widerlichen Lebens. Adlerfippschaft und dem Raben von der Rabenfippschaft die Bezeich Aber dabei gings rasch bergab. Die Gesellschaft, in die er fam, wurde immer minderwertiger. mung Großvater" beigelegt wird, so soll auch dies nur bedeuten, Er lernte mit jedem Tage Neues kennen, aber nichts, was ihn wieder daß ein Vorfahre, der sich besonders ausgezeichnet hat, zur in die rechte Bahn zurüdbringen konnte. Hatte er einige Bleier Adler- oder Rabenfippfchaft gehörte. Die Sippschaften find geteilt, die sich gewöhnlich nach ( 10 Pf.- Stüde ), dann stand ihm die Benne offen, sonst bieß es Blatte in zahlreiche Familien Die Familie ist dann wieder in ver reißen( im Freien nächtigen). oft tagelang Kohlendampf schieben ihren Wohnftätten nennen. ( hungern), dann wieder bei den Kaffern( Bauern) Hanf und Bifus( Brot ſchiedene Hauswefen gegliedert, so daß es Oberhäupter eines Haus und Speck). Dann und wann auch ein Stück Bosset( Speck). wesens, einer Familie und der Sippschaft gibt. Niedrige und schlecht bezahlte Arbeit und Tippelet, Schiehnägeln hat gewiffe Vorrechte inne, die eifersüchtig gehütet werden, ( arbeiten) und Kilometerfressen wechselten ab. Gehezt und ver- z. B. das Recht, sich selbst oder dem eigenen Hause oder ihrem Kanoe einen besonderen Namen beizulegen, oder auch ein ge­tommen. Unnüß. Ohne Zwed und Ziel. wiffes Abzeichen zu tragen und dieses am Eigentum anzubringen. Diese Abzeichen sind gewöhnlich Nachbildungen von Tiergestalten, doch kommen auch andere Gestalten vor. Die Welt ist den Haida­Indianern mit übernatürlichen Wesen erfüllt. Die oberste Gottheit ist die Macht des leuchtenden Himmels", die allen Dingen Kraft gibt. Bu ihr wird in Krankheit und Trübsal gebetet. Da die Haida Judianer oft die See als Kommunikations­die See bevölkern, eine besonders hohe Bedeutung erlangt. Die mittel benugen müssen, haben die übernatürlichen Wesen, die übernatürlichen Besen können auch vernichtet werden. Ein Geister­beschwörer wird selbst zu einem übernatürlichen Wesen. Diefer Beruf ist gewöhnlich in einer Familie erblich und geht vom Onkel mütterlicherseits auf den Neffen über. Die Geister kommen in die Nähe eines Dorfes, um einen Reinen" ausfindig zu machen, durch den sie wirken wollen. Wenn man rein" sein will, muß man lange Beit gefastet haben.

Er wunderte sich, daß er das Leben so lange schleppen konnte. Aber freilich, es hatte ja nicht gleich so angefangen. Mehr und mehr war's abwärts gegangen. Erst allmählich, dann schneller und schneller.

Die Finne( Schnapsflaiche) war sein unzertrennlicher Freund geworden und ein guter Sorroff( Schnaps) tröstete besser als jeder Gallach( Pfarrer).

Mit dem Rems ( Ausreis) begann es, und in der Schembeiz ( Gefängnis) endete der Landstreicher.

Draußen rasselte der Spanner( Gefangenenaufseher) mit den Schlüsseln. Der Hagere Mann zuckte zusammen. Ein Seufzer ent­rang sich seiner Brüft. Durch die schwedischen Gardinen fiel ein

mattes Licht.

.6 Frösche( Monate) wegen Diebstahls... Hunger!" Robert Friedrich.

Literarisches.

Ueber Ferdinand Brunetière , der am Sonntag in Paris starb, schreibt unser Bariser Mitarbeiter:

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Notizen.

Ehen", Drama in drei Atten von Robert Lebermann, erlebte im Nürnberger Intimen- Theater seine Uraufführung. Die Tragik der Ehen wird darin an mehreren Beispielen demonstriert. Trotz gedanklicher Vertiefung vermochte das Stück nicht durchzu­dringen, da es ihm an unmittelbarem Leben fehlt.

Br. war einer der begabtesten Literaturkritiker Frankreichs . E war feit 1875 Redakteur, feit 1893 Direktor der hervorragendsten Ju der Komischen Oper findet am Donnerstag die tonservativen Zeitschrift, der Revue des Deux Mondes ", wo eine Erstaufführung der Buffo- Oper, Pariser Leben " von J. Offen­große Anzahl Essays aus seiner Feder erschienen, die als Etudes ba ch statt. critiques" und" Histoire et litterature" auch in Buchform heraus­gegeben wurden. Seine letzten Arbeiten behandelten die lyrische und dramatische Literatur Frankreichs . Brunetières Aufsätze zeichnen sich besonders durch ihren an den flaffischen Prosaisten des 17. Jahr hunderts gebildeten Stil aus. Was aber seinen Namen besonders bekannt machte, war die Bekehrung des ehemaligen Skeptikers zum Entwürfe zu einem Ernst Abbe Denkmal von Adolf Ultramontanismus, die nach einer Audienz bei Leo XIII . erfolgte. Hildebrand, Hahn in München und E. Paul in Dresden , sowie Brunetière prägte damals das Wort vom Bankrott der Wissenschaft", A. Brütt in Weimar sind im Jenaer Volkshause ausgestellt. Das das zur Parole der Neuklerikalen wurde. Brunetière widmete sich Denkmal soll vor dem Voltshause, das Abbe gestiftet hat, aufgestellt von da an auch der klerikal- reaktionären Propaganda und hielt in werden.

Verantwortl. Redakteur: Hans Weber, Berlin.- Drud u. Verlag: Vorwärts Buchdruckerei u.Verlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin SW.