Surb'cn 700 Mann nnteracbracht, die auf den blanken Bettstellen schliefen. Als diese Zustände allgemein bekannt wurdenund eine Untersuchung verlangt wurde, und der Bürgermeisterder Stadt gezwungen war, die Anwenduirg des Gesetzes zubefehlen, wandten die Packherren sich an RechtsamMte, diees dahin brachten, daß der Befehl zurückgezogen wurde.Gerade um diese Zeit rühmte sich der Bürgernwister, daß esilim gelungen sei, dem Hazardspielen und Preis-Boxen ein(Ende zu setzen. Aber ein Schwärm professioneller Spielerhatte sich hier mit der Polizei verbunden, und diese rupftennun die Streikbrecher nach Noten. Jede Nacht konnte man aufeinem großen Platz vor Browns Hause kräftige, muskulöseNegergestalten, nackt bis zum Gürtel, um Geld boxen sehen,während eine johlende Menge von drei- oder viertausendLeuten herumstrolchten. Whisky und Dirnen wurden inMenge hereingeschafft und an sie verkauft, kurz, die Hölle warin den Arbeitsplätzen los. Jede Nacht gab es Stechereien undSchießereien. In jeder Nacht wurden wahre Orgien ab-gehalten, Szenen, wie sie in Amerika vorher noch nicht ge-sehen worden waren. Da die Dirnen der Wschaum der Bor-belle Chicagos und die Männer zum großen Teile unerfahreneNeger waren, griffen namenlose Laster und schreckliche Krank-heilen rasch um sich, und dies an einem Platze, von dem ausNahrungsmittel über die ganze Welt versandt wurden.Die Viehhöfe waren nie angenehme Plätze gewesen, aberjetzt waren sie nicht allein eine Kollektion von Schlachthäusern,sondern zugleich der Ausenthalt von fünfzehn- bis zwanzig-tausend menschlichen Bestien. Den ganzen Tag über branntedie Sonne hernieder auf diesen Platz, voll des Ekelhasten undGräßlichen: auf tausende Stück Vieh, in Hürden zusammen-gedrängt, deren Holzböden einen unerträglichen Gestank ver-breiteten, auf gleißende, mit Asche bestreute Eisenbahngleiseund aufragende Blöcke schmutziger Fleischfabriken, derenLabyrinth von Gängen jeden frischen Luftzug abhielt, aufStröme heißen Blutes, auf ganze Wagenladungen frischenFleisches, auf Siedekessel, Leimfabriken und Filtriertonnen,die wie die Pest stanken. Ganze Tonnen voll Gedärme, die inder Sonne eiterten, standen umher, die schmierige Wäsche derArbeiter wurde zum Trocknen aufgehängt, der Speiseraumwar bedeckt mit Ueberbleibseln, an die sich Schwärme vonMücken machten. Und dann nachts, wenn die Menge hinaus-strömte in die Straßen, um zu spielen, zu boxen, zu trinkenund zu zechen, zu fluchen und zu schreien, zu lachen und zusingen, und dabei Banjo spielte und tanzte! Die Woche übermußte tüchtig gearbeitet werden, dann aber konnten sie sichauch ihrem Vergnügen hingeben; selbst am Sonntagabendfanden ihre Preiskämpfe statt. So sahen die Viehhöfewährend des Streiks aus, während die Gewerkschaft indumpfer Verzweiflung wartete und das Land wie einhungriges Stück Vieh nach Nahrung schrie. Die Packherrenaber verfolgten ruhig ihren Weg weiter. Jeden Tag nahmensie neue Arbeiter an und konnten daher mit den alten schärferverfahren. Jurgis war jetzt einer ihrer Helfershelfer beidiesen Vorgängen. Er hatte sich längst daran gewöhnt, seinenLeuten zu befehlen; aber die erstickende Hitze und der Gestank,sowie das Bewußtsein, daß er ein Streikbrecher war, ver-leideten ihm das Leben und ließen ihn sich selbst verabscheuen.Er fing an zu trinken und bekam allmählich eine so häßlicheLaune, daß er wütete, fluchte uud seine Leute anfeuerte, bissie vor Erschöpfung fast zusammenbrachen.Eines Tages, gegen Ende August, kam der Inspektornach dem Platz von Jurgis und befahl ihm und seinen Leuten,die Arbeit niederzulegen und zu ihm zu kommen. Sie folgtenihm zu einer dichten Menschenmenge, in deren Mitte mehrerezwcispännige Karren standen. Auch drei Wagen mit Polizei-Mannschaften waren zu sehen. Jurgis und seine Leute stiegenauf einen der Karren und unter Gepolter ging e$ im Galoppdavon. Einige Stiere waren ausgerissen und den Streikernin die Hände gefallen. Das war eine günstige Gelegenheit,bei der ellvas abfallen konnte. Sie fuhren nach dem Ashland-Avenue-Tor und weiter in der Richtung nach dem„Dump".ßs entstand ein allgemeines Geschrei, sobald sie gesehenwurden. Da jedoch gcht oder zehn Polizeileute auf demWagen waren, unterblieb jede Störung, bis sie aus einenPlatz kamen, dessen eine Seitenstraße von einer dichten Mengeblockiert war. Ein Warnungsruf erscholl, und die Mengestürzte kopfüber davon, einen der Stiere, der in seinem Blutelag, wieder freigebend. Es hatten gerade eine AnzahlSchlächter herumgestanden, die nichts zu tun hatten, und solhctte einer den Stier ergriffen und ihn niedergeschlagen.Ta ein erstklassiger Arbeiter einen Ochsen innerhalb wenigerMinuten töten und aufmachen kann, so fehlte bereits einTeil des Fleisches. Das war natürlich eine strafbare Tat, unddie Polizisten machten sich auch gleich daran, ihren Pflichteniwchzukoinme». Sie sprangen vom Wagen und schlugen aufjeden los, den sie erwischen konnten. Jurgis und zwei Poli-zistcn trieben einige Leute in ein Kneipzimmer hinein. Dereine suchte Schutz hinter dem Schanktische, wo ihn ein Polizistin die Ecke drückte und ihn auf den Rücken und auf dieSchultern schlug, bis er niederfiel und nun Schläge auf denbloßen Kopf erhielt. Die anderen sprangen über einen Zaunan einem zweiten Polizisten vorbei, einem fetten Kerl, derwütend und fluchend zurückkam. Inzwischen bediente sichJurgis, den so leicht nicht etwas aus der Fassung brachte, amSchenktisch, und der erste Polizist, der seinen Mann wehrlosgemacht hatte, half ihm, händigte ihm sogar weitere Flaschenaus und füllte seine eigenen Taschen. Als sie das Lokal verließen, wischte der eine einfach den Rest mit dem Rockärmelvom Tisch herunter. Dann gingen sie hinaus. Die übrigenLeute hatten das tote Tier bereits auf den Wagen geschafft,und im Trab, unter Fluchen und Schelten gings zurück untereinem Hagel von Steinen, von unsichtbaren Feinden ge-worfen.Es war schon spät am Nachmittag, als sie zurückkehrten.Sie richteten den Rest des Stieres und noch einige weitere zuund hörten dann für diesen Tag auf. Nachher gingen sie ineine Kneipe zum Roulettespiel, und Jurgis, der nie Glückim Spiel hatte, verlor fünfzehn Dollar. Um den Aergerhinunterzuschlucken, trank er ein gut Teil und ging ungefährum zwei Uhr morgens nach Packingtown zurück. Als er nachdem Platze ging, der ihm zum Schlafen diente, begegnete ereiner geschminkten Dirne in einem schmierigen Negligee, dieihren Arm um ihn legte und ihn zurückhielt. Sie gingenin einen dunklen Winkel; aber kaum hatten sie ein Paar-Schritte gemacht, als eine Tür aufflog und ein Mann miteiner Laterne in der Hand eintrat.„Wer ist da?" rief erscharf. Jurgis wollte eben etwas erwidern, als er in demAugenblick, da der Mann das Licht hochhielt, in dessen Gesichtsah und ihn sofort erkannte. Jurgis konnte kein Wortherausbringen, sein Herz drohte zu zerspringen, als er Connorerkannte— Connor, seinen früheren Vorgesetzten, der seinWeib verführt hatte, ihn ins Gefängnis gebracht hatte undschuld daran war, daß seine Familie und sein Leben ruiniertwar! Er stand da und starrte den anderen an. Eine Blut»welle stieg ihm nach den Kopf, und blinder Wahnsinnpackte ihn. Er warf sich auf seinen Gegner, schlug ihn indie Augen, und als er fiel, ergriff er ihn an der Kehle undschmetterte seinen Kopf auf das Pflaster. Das Geschrei derDirne lockte die anderen herbei. Die Laterne war um-geworfen und ausgegangen, man konnte im Dunkeln nichtsunterscheiden. Sie kamen herbeigerannt und suchten diebeiden zu trennen. Genau so wie früher hatte Jurgis seinenGegner gebissen, und ein Stück Fleisch hing ihm zwischen denZähnen. Er ging nun auf die anderen los, die sich drein-mischten, bis ein Polizist kam und ihm einen Hieb versetzte,der ihn bewußtlos machte.Jurgis mußte die Nackst auf der Polizeistation ver-bringen. Dieses Mal aber hatte er Geld in der Tasche, undals er wieder zu sich kam, konnte er etwas zu trinken er-halten und einen Boten mit der Nachricht über sein Miß-geschick an„Bush" Harper senden. Harper kam aber nicht,und der Gefangene, der sich schwach und elend fühlte, wurdevorgeladen und Hinterlegung von 500 Dollar von ihm ver-langt, bis die Ansprüche seines Opfers bekannt waren. Wennnur irgend jemand ein paar gute Worte für ihn eingelegthätte, so hätte er, ohne Geld hinterlegen zu müssen, gehenkönnen. Aber Harper erklärte später, daß et jetzt weit untenin der Stadt wohne und die Nachricht nicht rechtzeitig er-halten habe.„Was ist denn passiert?" fragte er ihn.„Ichhabe es einem Kerl ordentlich besorgt," sagte Jurgis.„undsoll nun 500 Dollar hinterlegen."—„Das kann ich schon inOrdnung bringen," sagte der andere,„wenn es Dir natürlichauch ein paar Dollar kosten wird. Wer ist es denn?"—„Erist Vorarbeiter bei Browns, oder war es wenigstens. Connorist sein Name."— Ter andere erschrak.„Connor!" rief er,„doch nicht Philip Connor? Heiliger Himmel, dann ist allesvergebens, dann kann ich Dir nicht helfen," erklärte derandere.lF.rtsetzung folgt.)