Graphische Ausstellungen.

Von Ernst Schur  .

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hier ist der Zwedgedanke maßgebend, der fich aber durchaus fünft lerischer Mittel bedient. Und das ist das Gute daran. Feine Holz schnitte des Müncheners Neumann, breitlinig Zierstücke, die sich an den Biedermeierstil anlehnen von E. R. Betß, in gleich fräftigem Die Graphik ist in Berlin   nicht zu Hause. Man muß nach Stil gehaltene Arbeiten der Magdeburger   Kunstgewerbeschule  , sowie München   gehen, um die Vielseitigkeit des modernen, graphischen Schülerarbeiten der Leipziger Akademie für raphische Arbeiten ver­Schaffens beurteilen zu können. Das empfindet man wieder, wenn vollständigen das Bild und geben andeutungsweise einen ers man die Schwarz- Weiß- Ausstellung der Sezeision weiternden Ueberblick. Es ist zu wünschen, daß alle, die es angeht, bei Cassirer   sieht. Unleugbar ist hier eine Fülle des Feinen. diese Ausstellung, die bis 7 Uhr abends unentgeltlich geöffnet ist, Die Ausstellung ist ein Genuß für jeden, der für fünstlerische Reize besuchen.

empfänglich ist. Aber ist das Graphit? Unter einer graphischen Auch der Verlag Fischer u. Frande ergänzt mit seiner Arbeit versteht man eine solche, die nur in dieser Technik, in Schwarz Ausstellung, die Originalzeichnungen zu deutschen Sagen, Märchen Weiß gedacht ist, die nur an der Linie oder an dem Spiel und Liedern bringt, die Schwarz- Weiß- Ausstellung der Sezession. bon Licht und Schatten Freude hat. Diefer Stempel der Freilich nur in bescheidener Weise. Das Populäre, Inhaltliche drängt Notwendigkeit, den die moderne Münchener Graphit so deutlich sich mehr in den Vordergrund, zugleich etwas Deutschtümelndes. an der Stirn trägt, da fie energischer den neuen Möglichkeiten der Auch die komponierte, ausgeführte Zeichnung tann einen Stil haben Techniken nachgeht und organischer dem Zwed folgt, fehlt der Aus- und das Technische kann auch hier eigen gestaltet werden. Bei ftellung. Das sind hier Maler, die zeigen wollen, daß sie auch auf manchen Künstlern verharrt aber die Komposition bei einer äußer­graphischem Gebiete tätig sind. Sie könnten über der Ausstellung lichen Anlehnung an die romantisch geschaute Bergangenheit. Dieses Schreiben: Aus unserer Sfizzenmappe. Das nur zur Charakteri Antiquierte dürfte feinen dauernden Bert haben. Doch sind eine flerung, nicht als Zadel  . Denn, wie gesagt, die Ausstellung bietet Reihe tüchtiger Künstler hier tätig, die einen rigenen Stil suchen. auf diesem umgrenzten Gebiet- für Berlin   ist diese Einschränkung Da ist Mar. Dasio( München  ), der feine Linienzeichnungen eben charakteristisch viel Feines. Man muß das eben andeuten, entwirft. Er vermeidet ganz die brei'e Schwarz- Weiß­um die Haltung des Ganzen zu fennzeichnen. wirtung. Doch haben die dünnlinigen Zeichnungen einen Der Art nach lassen sich drei Gruppen unterscheiden: die mehr aparten, graziösen Charakter. Im Gegensatz dazu gewinnt nach alter Art gemütvollen Landschaften, wie sie etwa H. v. Volf gerade Bernh. Wenig( Hanau  ), indem er die Gegenfäße mann repräsentiert, die Art der rheinländischen Künstler. Dann die Schwarz und Weiß aufs energischste betont, eine besondere Eigenart. impressionistischen Stizzen, von Malern herrührend, die in dieser Etwas Festes, Entschiedenes gibt ihnen eine moderne Note. Wenig Manier sich erzogen haben, die Mehrzahl der Blätter. Dazu tritt tommt auch in einigen seiner Blätter zu einem eigenen Stil. Wie die Gruppe von Künstlern, die Leim und Farbe zu einem grotester 3. B. großzügig die Wasserfläche, den Felsen, den Wald hinsetzt, phantastischen Arrangement bereinen; sie lehnen sich an die fran das hat dekorative Wirkung und wahrt doch gut den Fächencharakter zösischen Zeichner und an den Engländer Beardsley an; aber auch der Jllustration. Bei Horst Schulze spürt man etwas von dem fie verharren im Malerisch- Impressionistischen. Dagegen fehlt ganz alten Märchengeist. Er verfügt über eine lebendige Fülle von die neue Graphit, die dem Stil zustrebt, einem dekorativen Stil, Motiven, die er verschwenderisch und fein nachempfindend aus­der, wie oben erwähnt, in München   seine besten Vertreter gestaltet. Ein eigenartiges Talent ist E. Kuithan( Jena  ), der be hat. Diese angewandte Graphik fehlt vollkommen. Beinah abficht- fonders liebenswürdig mit den Kindern umzugehen weiß. Er ist lich schließt sich die Berliner   Sezeffion dagegen ab. Eine Erscheinung der natürlichste unter diesen Zeichnern. Er erinnert an Ludwig wie Klemm, der in einem Holzschnitt eine breite Manier zeigt, Richter. Er weiß das Persönliche mit dem Dekorativen zu ver= die das Technische wirklich als charakteristisch heraushebt, ist hier binden. Seine Kinder haben alle persönliches Leben und doch hat fingulär. Und auch Kandinsky   ist hierher zu rechnen als wirf das Bild als Ganzes eine geschlossene, dekorative Wirkung. Diese licher Graphifer. Auch vermißt man gänzlich diejenige Gruppe von Ausstellung ist speziell als Weihnachtsausstellung gedacht und wird Graphifern, die Stil und Ornament pflegen; es gibt auch einen Kindern manches bieten. Sie ist unentgeltlich geöffnet und findet modernen Stil und ein modernes Drnament. Man darf also diese in den Geschäftsräumen des Verlages Fischer u. France, Eichhorn­Ausstellung nicht als einen lleberblick über das graphische Gebiet straße, ftatt. der Gegenwart auffassen, sondern in der Hauptsache als eine Samme lung von Blättern, die von impressionistischen Malern herrühren.

Den Mittelpunkt der Ausstellung bildet das van Gogh­Kabinett. Es enthält Zeichnungen, deren einfacher und doch großzügiger Charakter sich unwillkürlich einprägt. Es find fast durchweg Landschaften. Was Gogh in seinen Bildern suchte, das hat er hier, beinahe unbewußt, gefunden: einen einfachen, dekorativen Stil, der dennoch alle Feinheiten bewahrt. Es ist eine ganz per­jönliche Note darin, und doch werden alle, die unvoreingenommen fehen, hier die Schönheit empfinden. Es ist keine gewollte Primi­tivität, die sich in diesen Kreisen, Strichen, Tupfen dokumentiert. Es ist die Natur des Künstlers darin. Mit diesen einfachen Mitteln gibt Gogh restlos die Natur. Das Waffer schimmert, die Bäume breiten ihre Zweige aus, die Sonne scheint. Das alles ist nicht mit einer photographischen Treue gegeben, sondern persön lich gestaltet, aufs Einfachste reduziert, so daß man beinahe an alte Holzschnitte denkt.

Kleines feuilleton.

,, Bitte, recht freundlich." Als um die Mitte des vorigen Jahr hunderts die Kunst auffam, vermittels eines Linsenapparats das Bild des Menschen festzuhalten, zuerst als Daguerretypie( nach ihrem Erfinder Daguerre  ), auf Metallplatten, die leider die Gewohnheit hatten, das Bild sehr schnell wieder verschwinden zu lassen später als noch recht unvollkommene Anfänge unserer Photographie, da war's eine Haupt- und Staatsaktion, wenn unsere Großmütter den Weg zum Photographen antraten.

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Im besten Sonntagsstaat herausgeputzt, geschmückt mit allem, was einem an Geschmeide zur Verfügung stand, sette man schon. unterwegs die freundlichste oder feierlichste Miene auf, die bereits Die besten Arbeiten sind dann die von Liebermann, seit Tagen vor dem Spiegel ausprobiert war. v. Hofmann, Leistitow, Kollwig, alles Persönlichkeiten, Allerlei Wendepunkte im Leben unserer Ahnen waren es, die deren fünstlerische Handschrift uns vertraut ist. Hervorzuheben find sie so für ihre Kinder und Enkel festhielten: So sah ich aus zu die Afte von Lederer, die in überaus feiner, malerischer Weise meiner Hochzeit, zur grünen, dann zur silbernen, zur goldenen, die Plastik einer Gestalt geben. Diese weißen Kreidezeichnungen so Du zu Deiner Taufe, zur Einsegnung." auf grauem Papier sind wohl die Ueberraschung des Salons.

Die Lücken, die die Sezeffion in der angedeuteten Weise läßt, ergänzen zwei andere graphische Ausstellungen, die zufällig zu gleicher Zeit stattfinden. Die eine veranstalten die Monats hefte für graphisches Kunstgewerbe", sie bringen bie angewandte Graphit. Und der Verlag Fischer u. Frande pflegt die mehr nach Südwestdeutschland   weisende Art, die weniger die im preffionistische Slizze als die von Empfindung getragene, durchdachte Komposition will.

Die Monatshefte für graphisches Kunstgewerbe" erringen sich mehr und mehr eine besondere Pofition. Sie sollten um der praktischen Winte willen, die sie dem Kaufmann in bezug auf wirksame, fünstlerische Reklame, dem Verleger in bezug auf tünstlerische Ausstattung des Buches geben, in feinem der genannten Betriebe fehlen. Es liegen hier mehrere Sammelbände aus; ein­mal für fünstlerische Reklame, für den Drucker, Lithographen, wie für den Geschäftsmann bestimmt; dann Vorlagewerke für den kunst­gewerblich arbeitenden Zeichner, die zeigen, wie ein Naturvorbild, ein Käfer, ein Schmetterling, eine Blume wirkungsvoll stilisiert oder ornamental zerlegt werden. Auch Vorsatzpapiere, Umschläge, Drud­proben find ausgestellt. Jm allgemeinen macht sich ein besonderer Stil bemerkbar: die Farbe ist immer fräftig, wuchtig, die Buch­staben fest und deutlich, die Drdnung der Buchstaben sehr über­fichtlich.

Bitte, recht freundlich!" als heitere, glückliche Menschen wollten sie ihren Nachkommen erscheinen. Ob sie weniger Leid im Leben ihrer Tage getragen, als wir in den unseren? Jedenfalls trugen fie's stiller, verschwiegener.

Die Tragödien ihres Lebens, und es waren vielleicht ebenso aftreiche, wie die unseren, spielten hinter zugezogenen Vorhängen. Was die Welt zu sehen bekommen sollte, das war die Steifheit un­erschütterlicher Würde, das war jenes seelenruhige, lächelnde Grinsen, das uns noch heute von alten Familienbildern so seltsam verzerrt anmutet.

Ein Sonntagsnachmittagsgeficht, das allerdings weder auf hervorragende Anmut, noch Naturtreue Anspruch erheben durfte, da es nichts von den Werktagserlebnissen dieses Menschen verriet. Heute heute gibt es wohl taum eine Situation, ob noch so tief erschütternd, noch so keck erheiternd, in der sich nicht irgendwo und irgendwann Menschen photographieren ließen.

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Und wenn irgend etwas fünftigen Forschern die Signatur unseres Jahrhunderts geben wird, so ist es die Snipsschachtel", wie der Berliner sagt, die Afappcamera".

Sie pflanzen fie auf, die Menschen unserer Zeit, gleicheriveise vor den Siegen, wie vor den Niederlagen ihrer Kultur; vor den Spielen der Kinder, wie vor der Reiche des Teuersten.

Fürsten   und Fürstendiener vor allem sind in feiner Lage ihres Lebens mehr sicher vor dem Geknipstwerden". Neugeborene Eine ganze Reihe wirkungsvoller Plakate steigert die breite, Fürstenkinder werden gleich bei den ersten, zwar unumgänglich note bewußte Technik zu einem großzügigen, lapidaren Eindruck. Auch wendigen Verrichtungen ihres erlauchten Daseins die aber fonit

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