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gewöhnliche Sterbliche für sich im stillen Kämmerlein abzumachen[ pflegen photographiert und der bewundernden Mitwelt preisgegeben.
Man könnte derartigen bildlichen Rüpeleien aus dem privaten und öffentlichen Leben ein ganzes Kapitel widmen unter der Devise: Photographische Roheiten".
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Die Fülle der Geschehnisse, die Gestalten, die da über die Bühne gehen, sind zweifellos aus der Wirklichkeit gegriffen und mit realistischer Treue vor den Leser hingestellt. Man gewinnt den Was aber wird einst die erstaunte Nachwelt dazu sagen? Was Eindruck, daß man alle jenen Individuen irgendeinmal in Berlin wird sie sagen zu der teils unglaublich überflüssigen und darum begegnet sein müsse: mit so stupender eindringlicher Kraft sind lächerlichen Verewigung ganz gleichgültiger Menschen und sie gezeichnet. Das gilt besonders von Lehmann und Staudigl. Situationen, zu der anderenteils von einer erschreckenden Herzens: Man fühlt förmlich des Verfassers künstlerisches Behagen, das sich roheit zeugenden Verbildlichung grausiger oder empörender Szenen, bis ins fleinste versenkt, um diese Gestalten so recht aus der Tiefe Wie Jellinek diesen Desterreicher die man aus einem einzigen Jahrgang irgend einer beliebten ihres Wesens heraufzuholen. illustrierten Zeitschrift registrieren tann! handeln und reden läßt: das ist schlechthin ein Meisterstück freischöpferischer Charakterisierungsgabe. Freilich muß man sich in diesen Desterreicher liebevoll vertiefen, um auch so recht des Dichters Behagen an der Dialektsprache seines Heimatlandes würdigen zu fönnen. Alles an dieser Figur ist echt weanerisch und lebensvoll bis ins innerste Wesen hinein. Aber noch andere Gestalten sind da: das mauschelnde Verlegerkleeblatt der" Trinitas", der Wikblattredakteur Dr. Pinkus, der großsprecherische Possendichter Tulpee, der ein Theater gründen wollende Kommerzienratssohn Mündel, dazu diverse Typen aus der Theaterwelt, Maler, Journalisten, Schriftsteller usw. Des Romanhelden stille Liebe für eine Schauspielerin zieht sich wie ein zartes Band durch die Handlung. Spe ziell das Kapitel Weiße Liebe" atmet reine poetische Stimmung. Grandiose Tragit des Grabes umfängt den Leser in dem Kapitel Moriturus". Ferner seien die Kapitel" In der Artusritterschaft", deutschen Journalistenbundes"," Im Kabarett" und" Epilog" ge= nannt. Fröhlicher Humor, bissige Satire seßen helle Lichter auf. Solche Bilder find auf den Nervenkibel der Schwächlinge be- Der Noman ist keine Lektüre für denkfaule Leser. Nur wer Berlin rechnet, die in ihrer Sofaecke ohne jede persönliche Gefahr das wirklich kennt, dem wird auch die dokumentarische Beweiskraft der Gruseln erlernen möchten. Wer im Ernstfalle auch dem Entseh- Wahrheit des aufgerollten Bildes vor Augen stehen. Jellineks lichsten ohne Ohnmachtsanfall entgegenzutreten vermag: der sucht Roman erhebt sich stofflich sowohl, als hauptsächlich auch durch in seinen Erholungsstunden anderes, als dergleichen photographierte feine naturgetreue Menschenzeichnung weit über Beyerleins Jena Greuel, die doch stets nur einen Abklatsch der zufälligen, äußeren oder Sedan ". Augenblickshandlung, nie aber das tiesinnerliche Entsegenerregende eines Ereignisses wiederzugeben vermögen.
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Wie? Gehört nicht dem Künstler das Erschütternde, das Graufige ebenso wie das heiter Anmutige?" Jawohl dem Künstler, der es aus seiner freiwaltenden Phantasie nach schafft, neuformt; der sich von einem entsehlichen Eindruck, gerade weil er durch ihn in tiefster Seele erschüttert, durch sein Kunstwerk zu befreien sucht: aber nicht dem Photographen. Sich vorstellen, daß ein Mensch die Gemütsruhe besitzt, angesichts Sich vorstellen, daß ein Mensch die Gemütsruhe befißt, angesichts eines Haufen menschlicher Leichname sich mit seinem Apparat auf: zupflanzen, womöglich zuvor den günstigsten Standpunkt zu suchen, dann in aller Gemächlichkeit abzudrücken: ich weiß nicht mir wird talt dabei. Ich meine, die Hand des Photographen müßte zum Café Westminster",„ Auf dem Stiftungsfest des Allgemeinen sehr zittern in Empörung und Entsetzen, um ihn sein Werk vollbringen zu lassen.
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Und dann- heißt es nicht ein Bankrotterklären aller Phantasie; wenn wir zum Verständnis jeden Geschehnisses erst die getreuliche Naturaufnahme gebrauchen? Jener freischaffenden Phantasie des Volkes, die in unseren köstlichsten Märchen und Sagen in ungebeugter Selbstherrlichkeit uns einen unermeßlichen Schatz von Gestalten gegeben, die das körperliche Auge nie geschaut.
Und sie sollte nicht imftande sein, uns etwas Erschütterndes, weit, weit erschütternder zu malen, als je der routinierteste Photograph es vermöchte?
" Bitte, recht freundlich" meine Herren Photographen, aber es wäre wirklich besser, Sie hörten da auf, wo der gewaltigste Künstler in uns unsere Phantasie anfängt! Th. St.
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Literarisches.
Meteorologisches.
e. k.
Die Aerologie oder Luftkunde. In der ersten Oktoberwoche hat in Mailand die 5. Konferenz der internationalen Kommission für wissenschaftliche Luftschiffahrt stattgefunden, über deren Ergebnisse die lustrierten Aeronautischen Mitteilungen", das Organ des deutschen Luftschifferverbandes, im soeben erschienenen Dezemberheft einige Einzelheiten berichten. Auf eine allgemeine Beachtung fönnen namentlich die Beratungen über Organisationsfragen rechnen. Bunächst ist wichtig, daß auf einen Vorschlag des hervorragenden französischen Meteorologen und Luftschiffers, Teisferenc de Bort, die sogenannten Serienaufstiege eine größere Ausdehnung erfahren sollen. Bei diesen Unternehmungen handelt es sich darum, daß zusammenhängende Experimente mit bezug auf die Vorgänge in den höheren Luftschichten an drei aufeinanderfolgenden Tagen unternommen werden. Vorläufig haben Josef Jellinek: Kunsttaufleute". Roman aus solche Serienaufstiege nur versuchsweise in Petersburg stattDer Berliner Theater- und Journalistenwelt.( Verlag: Hermann gefunden, und zwar auf Veranlassung von Professor Hergesell in Walther, Berlin W, 1907.) 28ir leben im Zeitalter der Offen- Petersburg. Nach den jetzt vorliegenden Beschlüssen sollen sie auch barungen. Dies Buch ist eine Offenbarung. Es dedt übelriechende an möglichst vielen anderen Orten bewirkt werden, außerdem im Schwären auf: im Bereich der bürgerlichen Berliner Presse, im ganzen viermal im Jahr, und man hofft in diese wichtigen Ver Ringe blutfaugerischer Buchmäkler und Verleger, im Nayon der suche auch entlegenere Gebiete, wie die Nordküste von Skandinavien , Bretter, die die Welt bedeuten. Zunächst: was sind„ Kunstkauf das Innere von Rußland , Aegypten , Algier und die Azoren hineinTeute"? Menschen, denen es nicht darauf ankommt, ein Kunstwert ziehen zu können. Außerdem hat die Mailänder Konferenz der zu schaffen oder zu fördern, sondern denen Kunstwerte nur Mittel Wissenschaft einen neuen Namen beschert, da nach dem Vorschlag zum Zweck find, Geld zu verdienen." Jellinek stellt zwei mert- von Professor Köppen in Hamburg der Beschluß gefaßt worden ist, würdige Gesellen in den Vordergrund. Der eine- Doktor Lehmann für die wissenschaftlich- meteorologische Erforschung der freien präsentiert das Parasitentum in der Berliner Journalisten- und Atmosphäre den Ausdruck Aerologie einzuführen, da die bisherige Schriftstellerwelt; der andere ein Wiener Theaterdirektor Bezeichnung wissenschaftliche Luftschiffahrt" nicht ganz zutreffend Staudig! das Schacherwesen mit Bühnenfünstlern, Dramen und ist und daher oft zu Mißverständnissen Veranlassung gegeben hat. Schauspielhäusern. Welcher der größere Kunsttaufmann sei, ist schiver zu entscheiden, da beide hinsichtlich künstlerischer Impotenz, ftrupelloser Geschäftlichkeit, listiger Verschlagenheit und brutaler Rücksichtslosigkeit einander nichts nachgeben. Dottor Lehmann, der Gründer der Artusritterschaft", des" Deutschen Journalisten-Im Deutschen Theater gelangt Donnerstag, den bundes", sowie einer Journalistenfabrik vulgo Hochschule" und 20. Dezember Ringelspiel", ein Lustspiel in 3 Akten von Hermehrerer Fachzeitschriften, betreibt das Geschäft der geistigen Ausbeutung bei allen, die in die Sphäre seines Machtwillens gelangen. mann Bahr, zur ersten Aufführung. Ohne selbst irgendetwas als Schriftsteller zu leisten, weiß er sich desto wirksamer zu inszenieren. Von anderer Art ist der Theater direktor Karl Staudigl. Dieser schlaue Wiener, der durch alle Pfützen des Schmierenkomödiantentums gezogen ist, hofft in Berlin Anzengrubertheater" aufzumachen, obwohl er weder ein Künstler ist, noch Geld besitzt. Aber an der Spree liegt das Kapital fozusagen auf der Straße. Man muß es nur verstehen, sich als ein Kapitalist ohne gleichen aufzuspielen, dann findet man schon Was Messel bauen foII, wenn er den Auftrag „ Aktionäre". Diese beiden Biedermänner suchen sich nun das dazu bekommt, deuten einige Blätter an. Vor allem die für die Talent und die Not eines jungen Schriftstellers Fris Feininger staatlichen Kunstsammlungen dringend erforderlichen neuen Gebäude. nußbar zu machen. Feininger ist, wie alle echten Boeten, ein reiner Besonders soll eine Erweiterung des überladenen und unübersichtIdealist. Er bringt sich schlecht und recht durch als Theaterkritiker lichen Museums für Wolterkunde in Frage kommen. und Feuilletonist. Aber weil er ehrlich ist, kommt er zu nichts. Wünschenswert wäre beides: das neue Museum und Messel als ErAber trotz aller Not und Sorge ums nadte Dasein bleibt er ein Cha- bauer. Doch haben die Untertanen dabei bekanntlich nicht mitrafter. Freilich auch ein unverbesserlicher Idealist insofern, als er
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Notizen.
Der Goethe- Verein veranstaltet am 2. Weihnachtsr feiertag, nachmittags 4 Uhr, im Saale der Sezession, Kurfürsten damm , eine Vorführung von May und Morig von Wilhelm Busch in Rezitation und Lichtbildern nach den Driginalzeichnungen. Ferner gelangen durch Dr. Rudolf Blümner ( Deutsches Theater ) Märchen von Andersen zur Vorlesung. Eintrittsfarten zu 50 und 30 Pf.
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sich ausnuten läßt. Da ist aber noch eine Zeitschriftenfirma ureden. Trinitas", deren Inhaber drei galizische Gauner Feininger
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bis auf den letzten Blutatropfen ausbeuten, um den Wehrlosen Theater, das nach ihr Théâtre Réjane genannt wird.
allmählich in Verzweiflung und Wahnsinn zu heben. Er endigt als Selbstmörder. Der Verfasser rollt hier die erschütternde
Lebenstragödie eines begabten Schriftstellers auf.