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Nein, wie ist ihm der Kopf schtver! So wunderlich wunderlich und daß er immerfort denken muß an all die Leut, die nun lang im Grabe ruh'n Und er muß doch seinen Weg geh'n seinen Weg aber ein bissel ausruhen erst Und die Lider werden ihm schwer, der müde Kopf finkt auf die Brust

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Noch einmal haben sie ihn den Weg getragen, den er fünfzig Jahre lang tagtäglich gegangen ist. Aber der Quirin hat die Marterln nicht mehr gesehen und nicht die Häuser, nicht die Menschen, die sich neugierig in den Türen dieser Häuser gedrängt haben er hat die letzte Station erreicht. Und er ruht nun aus bei denen, die an seinem Wege gewohnt haben, und die ihm vorauf gegangen sind.

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Kleines feuilleton.

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Ganz anders, nämlich altbahrisch wurzelechter, bodenständigen also gröber ist Josef Ruederers Weise, den sie mit Recht den besten Satirifer der zeitgenössischen Münchener   Dichterschule nennen. Ruederer ist ein Freund des Haberfeldtreibens. Das hat er schon in seiner" Fahnenweihe" bewiesen, wo er die ländlichen Haberer den Pfaffen und Amtsrichter, den zuhälterischen königlich bayrischen Posthalter, die Honoratioren und das ganze Lumpen gesindel aus Stadt und Land flott hertreiben läßt und über diesen göttlichen Spaß selber aus vollen Backen lacht. Und das hat er aufs neue in seinen eben( bei Georg Müller, München  ) erschienenen Münchener Satiren" bewiesen. Hier proflamiert er sich selbst zum moralischen Haberfeldtreiber: in dieser lendenlahmen, miferabeln Zeit, wo alles auf Zehen schleicht, wo alles kuscht und lispelt, wo alles kriecht, schielt..., wo ausgesprochene Gegenfäße sich auflösen in einem Dusel von Alkohol, Brüderlichkeit, von Christentum, Spiritismus und Neoromantik, ists notwendig, daß unter dem Gefrach der Dreschflegel und unter dem Ablesen von Spottliedern manchmal aufgemuckt wird. Draußen auf dem Lande Münchener   Satiren. Berlin   ist eine gebaute Stadt, München  , der lieben Geistlichkeit und dem mehr wie dünkelhaften Beamten ihr füddeutscher Gegenpol, eine gewachsene Stadt. In der Reichs- tum. Bei uns in der Stadt jenen Sitten und Gebräuchen, die zentrale herrscht der Korpsgeist der Uniformen, der Schiffshüte, dank der Gjelsgeduld der guten Münchener erbeingesessene geworden der Talare wie der Blusen. Die Stände" fühlen sich dort noch sind." Der Dreschflegel liegt gut in dieses Kraftkerls Ruederer solidarisch, die Beamten hier, die Bürger in der Mitte, der Prole- Fauft, und flott treibt ers wieder her, die geschwollenen Knall tarier wachsendes Heer dort. Und nur die Intelligenz bildet eine prozen, die Mucker und Ducer, die Seicher und Speichler, die versöhnende Luftschicht zwischen den Kasten. In der süddeutschen Bürger Schöps und Trottelberger, die Kunstgründer und Wagner­Bier- und Kunstmetropole, genannt München  , hat das Jch vielmehr spekulanten, den Bürgermeister und die pfiffigen Hofräte, den Boden und Recht. Es gibt vielleicht in feiner Stadt Europas   mehr Ganghofer   und den Bossart. Sogar dem Peter Schlemihl knallt Individualisten, Jchmenschen, Eigenbrödler, Sonderlinge, Charat- er einmal gelinde den Dreschflegel um den Kopf, aber der ist selber tere, mit einem Wort Zeitgenossen, denen das Schema& des mittel- ein Altbayer und hat einen Eisenschädel, an dem sich schon manche europäischen   Normalmenschen ein Greuel ist. Künstler und Holz- Jesuitenphalang die Lanzen berbogen hat. Inechtsnaturen, Zigeuner und Gelehrte, Zentrumspfaffen und Freidenker, die erbeingesessenen starken Altbayern   und die zu­gewanderten flugen Nordlichter", Maler, Musiker, Literaten, Snobs und Bourgeois, Droschkenfutscher und Mörtelweiber, Arbeiter und Kleingewerbler: alle, alle leben sie mit köstlicher Ungeniertheit und bemerkenswerter Kulturlosigkeit ihrer Lebenshaltung durchein: ander hin und ein demokratischer Geist, der am bildmäßigsten bei dem sommerlichen Kellerleben zutage tritt, bildet hier den Kitt. Abseits stehen nur, wie überall auf Germanias Fluren, die Edelsten der Nation": der Adel und das Militär vom Feldwebel aufwärts. Das Vergnügen ist aber durchaus gegenseitig.

Drei Satiren sind es vorläufig nur, aber hinten. Kündigt der Verleger verheizungsvoll an:" Weitere Münchener Satiren des gleichen Verfassers je nach Bedarf." Freuen wir uns dessen! Auf drehbarer Bühne" heißt die erste vor 6 Jahren zur Eröffnung des Münchener   Prinzregententheaters geschriebene Satire. Ein geiftvolles Pamphlet, eine schonungslose Demastierung aller jener Münchener   Theaterfeldherren, Hofräte, Zeitungs­verleger, Baumeister, Gründer, Advokaten, Gemeinderäte und Gesellschaftsstüßen, die öffentlich mit Jdealismus und insgeheim mit Terrainattien hausieren gehen. Leider ist des Haberers Spottlied auf den Rabbi   Sichel, Oberrabbiner, Intendant, Pro­feffor, Ritter hoher Orden", der zu Füßen der Statue von der ber­pagten Gelegenheit( zielt auf Wagner in München   1864!), umgeben von der spalierbildenden Firma Theilmann u. Schrittmann( Heil­mann u. Littmann) mit der ganzen Terraingesellschaft, den Bolieren, Ziegelträgern, Mörtelweibern, den Bürgern Schöps und Trottelberger, der Gintrittsbilletenpreisermäßigungskommission" und den 26 Redakteuren des vornehmsten Blattes Mittel- und Süddeutschlands  ", über Wagner und die deutsche Kunst mauschelt, nicht mehr ganz aktuell.

Es ist natürlich, daß eine große Stadt wie München  ( das nie eine Großstadt werden wird!) mit so ausgeprägter Physiognomie, eine Stadt mit so viel Isten und Anern: Egoisten, Alpinisten, Marianern, Wagnerianern, ebensoviel Lobredner wie Spötter zu allen Zeiten gefunden. Es gibt eine ganze Literatur über München  und die Münchener  , die jedenfalls origineller und umfangreicher ist wie die über Berlin  , wenn hier auch ein Heinrich Heine   an der Spize marschiert. Die Lobhudler Münchens   beschäftigen uns hier nicht. Aber die Satiriker. Unter den Modernen find an erster Stelle Michael Georg Conrad  , Oskar Panizza   und Josef Ruederer   zu nennen. Zwei Franken und ein Altbayer, Schein". Das ist bekanntlich der Titel eines leider in allen Desto frischer liest sich dafür die dritte Satire:" Der Hohe aber berufene Sittenschilderer ihrer Scholle. Conrads unvollendet gebliebener Romanzyklus: Was die Isar   rauscht", dessen Vorbild Leihbibliotheken zu habenden Lederhosenromans des neuesten Ruederers Bolas:" Die Rougon- Macquart  " waren, ist eine einzige breit Hohenzollerndichters Dr. Ludwig Ganghofer  . ausgesponnene Satire gegen gewisse Cliquen und Konventikel im prähistorischer Epilog aus alten Urkunden gesammelt" erzählt uns, Münchener   Kunst- und Geschäftsleben. Aber Conrads Tinte war wie der blonde Wald- und Naturmensch Ludwig Hofganger in die Galle   und der Roman ist aus einer Privatangelegenheit des einem Urwald bei Bierheim hauste; wie er so fabelhaft objektiv Autors nicht herausgekommen. Viel mehr befreiende Kraft über- war, daß er dicke Freundschaft schloß mit dem Peter Schlemihl, legenen Sumors steht in dem fleinen, geistvoll- bissigen Pamphlet, trotzdem er ein ausgesprochener Optimist und der Schlehmil, der das vor 10 Jahren Oskar Panizza   unter dem unscheinbaren Titel: nördlich der Alpen   ein der Regierung start opponierendes Blatt, " Ueber die Stadt München", als drittes Stück in seinen Dialogen wie der Hofganger seine Keule über die Schulter nahm und gen den Serenissimus" leitete, ein ausgesprochener Schwarzscher war; im Geiste Huttens" schrieb. Panizza  , der ewige Protestant, Huttenianer und Bapstbekämpfer, steckt heute, von bayrischen Staats­antvälten gehebt und verfolgt, unheilbarem Verfolgungswahnsinn preisgegeben, in einem Münchener   Jrrenhaus. Vergessen, ver­schollen, wie seine Schriften, unter denen so köstliche und wahrhaft europäische Bekenntnisse eines freiesten Geistes waren, wie die Unbefledte Empfängnis der Päpste", die Züricher   Diskussionen" und das Liebestonzil"! Köstlich ist die Stelle in der Münchener  Satire, wo er die menschliche Architektur der versumpften, roma­nischen, mariologischen Bevölkerung Münchens   mit dem tropfigen Gebält, den Baden- Säulen, den Busen- gusladenden Erfern des Jesuitenstils vergleicht. Köstlicher jene andere, wo er seine Lands­leute von der Gefühlsseite zusammenfaßt. Sie sei hier noch ein­mal der Vergessenheit entriffen. Das materielle und geistige Rinn­backenbedürfnis der Münchener  , das Zermalmenmüssen um jeden Preis, die pure Genußsucht, nur um guten Stuhlgang zu haben, tennzeichnet Panizza   also: Heute Tristan und Isolde  ", morgen " Bodpartie", übermorgen Kunstausstellung von Nuditäten", dann Osterfest mit symbolischem Schinkenfleisch, dann Salvator auf dem Rockherberg", Redouten mit wallenden Busen und Sett­schmeißerei, dann wieder Entsündigung: Fasten, d. h. Faſtenessen, Responsorien von Scarlatti  , Stabat mater von Palestrina   und dann Rendezvous in der Konditorei verstehen Sie? so mein ichs! Alles nebeneinander, alles zu seiner Zeit, aber alles! nicht das Eine nicht, das Andere doch, sondern alles! Ver­schlingen, genau wie in ihrer Kunst: e bist Matart und e bist Gabriel Mag und e bist Mystik und e bist Du Prel, aber auch etwas Uhde und etwas Pietismus   und von allem übrigen Anderen auch noch recht viel... verstehen Sie? so mein ichs. Jsts nicht toloffal, dies Sodom und Gomorrha?"

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Bierheim wanderte, wo der Hohe Schein festlich einzog und ein Museum einweihte; wie der Hohe Schein fünfbiertel Stunden mit dem Hofganger redete und ihm sagte, daß er den Ertraft der Hofgangerschen Weltanschauung:" Mißtraue nie jemandem, laß Dir nie das Gegenteil beweisen und schweige im Walde", habe eigens in Holz brennen lassen, zum Privatgebrauch.- 3um guten Schluß der glänzenden und überlegenen Satire auf den Münchener  Deutschen   Museums- Rummel und den Münchener   Byzantinismus erfährt man auch, warum der Simpliziffimus" das: Schweige im Walde! sich selbst zu eigen gemacht hat, und den roten Mops im Raften behielt in den närrischen Tagen, da der Hohe Schein in Bierheim einzog und die Schöps und Trottelberger vor Entzüden Kopf standen.

Im Kampf gegen Dummheit und Gemeinheit grüßen wir Josef Ruederer  , den tapferen Wiedererwecker des alten bäuerlichen Sittengerichts als geistigen Bundesgenossen. Die Justiz der Satire ist eine unbefleckte, fie fiegt im Zeichen des gesunden Menschenver­

standes.

Kunst.

Erziehung zur Kunstgeschichte. Prof. H. Wölflin aus Berlin   sprach im Städtischen Museumsverein in Frank furt a. M. über dieses Thema. Der feine Kenner alter Kunst warf, wie wir der Frants. 3tg." entnehmen, zunächst einen Blic auf den Umfang, den das Studium der Kunstgeschichte, die heute ja schon in den Mittelschulen gelehrt wird, erreicht habe. Er bes zweifelt, daß die Resultate im Verhältnis zu dem Aufwand stehen, den sie erfordern. Viele begnügen sich, Urteile oberflächlich zu übernehmen. Ein Teil geht weiter, erringt sich das Systematische, studiert äußere Merkmale der Meister und glaubt genug zu wissen,