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ganz aufgeregt, und sie nahmen beide von mir Abschied, als ob ich zum Tode verurteilt wäre. Ich lachte und scherzte und erklärte ihnen, die ganze Sache habe nichts auf sich. Vor der Haustür stand ein geschlossener Wagen. Wir stiegen ein, der Offizier setzte sich neben mich, mir gegenüber der Polizei­beamte. Die Vorhänge waren vorgezogen, und wir fuhren ab. Die Fahrt dauerte ziemlich lange, ich hatte keine Ahnung, Wohin ich gebracht wurde. Nur als ich den Wagen über eine Brücke rollen hörte, dachte ich an die Peter Pauls- Festung.

Der Wagen hielt. Wir stiegen aus und ich merkte, daß wir in einen großen, viereckigen Hof hineingefahren waren und uns jetzt vor einem großen Gebäude befanden. Ich mußte in Begleitung der Gendarmerieoffiziere und und zweier Gendarmen eine halbe Treppe hinaufsteigen und stand nun in der Kanzlei. Die Beamten behandelten mich sehr höflich. Meine Personalien wurden aufgeschrieben, und als die Be­amten meine Handtasche erblickten, fragten sie, was das sei. Ich sagte, es seien Kleidungsstücke, Wäsche und ein paar Bücher. Bitte, öffnen Sie den Koffer!" Ich tat es, fie durchwühlten alles, und die Bücher wurden mir fortgenommen. " Das andere können Sie, wenn Sie es brauchen, jederzeit von dem Aufseher erhalten. Sie werden jetzt in die Belle gebracht, wir hoffen aber, daß Sie nicht lange unser Gast sein werden." Nach einer Leibesvisitation wurde ich von einem Aufseher durch lange Korridore in die mir angewiesene Belle geführt.

Ich hatte schon vorher die Gefängnisse in Rußland   von meinen Prozessen her kennen gelernt, aber in einem Unter­suchungsgefängnis für politische Gefangene war ich noch nicht gewesen. Die Zelle, die mir heute und vielleicht noch für ein paar Tage als Wohnung dienen sollte, war ein einfaches fleines Zimmer mit einem blinden, hochgelegenen Fenster. Nur der obere Teil des Fensters war aus durchsichtigem Glas, aber vergittert. In der Zelle war eine Pritsche angebracht, die jetzt an der Wand aufgehängt war; außerdem ein Tisch, ein Stuhl und ein Wasserausguß, die Wände waren weiß ge­tüncht, der Boden nadt. Kaum war ich eingetreten, so wurde die Tür zugemacht und abgeschlossen.

Erst in diesem Moment wurde es mir vollkommen flar, daß ich von der ganzen Welt, wenn auch nur für kurze Zeit, abgeschlossen war. Ich konnte mir absolut nicht denken, daß ich hier in diesem abscheulichen Loch lange Zeit bleiben sollte. Gewiß, ich hatte gegen das Gefeß verstoßen, aber meine Schuld war nicht sehr groß, außerdem hatte ich so einflußreiche Ver­wandte, daß sie, wenn nicht sofort, so doch in wenigen Tagen meine Befreiung erzwingen würden.

Ich blieb am Fenster stehen und dachte nach. Tiefe Stille rings umher. Nur in der Ferne ab und zu ein leichtes Rascheln oder Geklirre. Ich war hier von allen abgeschlossen! Da erst pacte mich eine Art Verzweiflung, ich lief auf und ab im Zimmer und flopfte, an die Tür. Nach einigen Minuten erschien der Aufseher und fragte ziemlich höflich, was ich wünschte. Ich möchte Bücher haben."" Das hängt nicht von Was soll ich denn aber die ganze Zeit mir ab," sagte er. tun?".. Was die übrigen Gefangenen tun; gehen Sie auf und ab. Morgen wird sich schon alles finden."

Es war vielleicht ein oder zwei Uhr mittags, ich wanderte in einem fort auf und ab. Mit Hülfe des Stuhls versuchte ich auf das Fensterbrett zu flettern und ins Freie zu schauen, erblickte aber nichts als den Himmel und einen hohen ab. geschlossenen Hof. Ich wanderte wieder auf und ab, als sich plöglich die Tür öffnete. Der Aufseher erschien in Begleitung eines Soldaten, der das Essen brachte.

( Fortsetzung folgt.)

Ernährungsgenoffenfchaften

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mutet uns die Tatsache an, daß auch zweierlei Pflanzen ver schiedenster Art fich vereinigen, zusammenschließen, berbinden, um eine Ernährungsgenossenschaft zu gründen, von der beide Teile Nutzen und Gewinn haben. Es flingt fast wie ein Märchen. Seit dem die trockene statistische Naturwissenschaft und Botanik endlich der dynamischen hat weichen müssen, d. h. seitdem man nicht mehr allein die Pflanzen als Produkte der Naturkräfte, sondern das Werden, Walten und Wirken dieser Kräfte selbst zu erforschen bemüht ist, hat fich uns gar vieles als Wahrheit offenbart, was uns vorher ins Reich der Fabel zu gehören schien.

Es gibt eine Ernährungsgenossenschaft unter den Pflanzen. De Bary  , ein botanischer Forscher, hat für das Verhältnis die Be­zeichnung Symbiose eingeführt. Erst in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts hat der hervorragende Botaniker Schwendener über die Symbiose eingehende Untersuchungen angestellt und anerkanntermaßen bahnbrechend gewirkt. Das beste Untersuchungsmaterial lieferten die Flechten, über die später eine ganze Reihe namhafter Gelehrten( Stahl, Reeß, A. Müller, de Barh, Naegeli und andere) noch geschrieben. Die grauen, gräulichgrünen, schwarzen oder gelben Flechten bestehen tatsächlich aus zwei grundverschiedenen Pflanzen, aus einer Alge des Wortes auf den Algen, er ernährt sich von den organischen und aus einem Pilze. Der Flechtenpilz schmarozt im vollen Sinne Substanzen, die die Alge( wie alle grünen Pflanzen!) durch Kohlen­fäure zerfetzung gewinnt. Allein der Pilz richtet seinen Wirt nicht rücksichtslos zugrunde, sondern schützt die Algen vielmehr, indem er sie nur insoweit ausnutzt, als unbedingt nötig ist. Die Algen leben, umfponnen bon den Flechtenpilzen, gerade so, wie sie im Freien leben würden, indem sie durch die Arbeit ihrer Chlorophylltörner Kohlehydrate erzeugen. Es leuchtet aber ein, daß die Algen innerhalb des Pilzgeflechtes ein geschützteres Dafein führen. Da der Pilz zudem Wasser und Aschenbestandteile aufnimmt und ihnen zuführt, befinden sie sich unter günstigeren, wenigstens gleichmäßigeren Lebensbedingungen, als wenn sie im freien Zustande vegetierten. Vielfach leben die Flechten auf dürren, wasserarmen Steppen oder auf kahlen, sonnendurchglühten Fels­wänden. würden die Algen hier nicht leben Der Pilz schützt sie bor dem Untergange durch tönnen. in feine Austrocknen, dringt außerdem mit seinen Fäden izen des Gesteins ein und besorgt die Aufnahme mineralischer Bestandteile."( Hansen.)

Allein

Für seinen Schußzdienst und seine Arbeitsleistung verköstigt sich der Pilz   mit Nährstoffen, die von der Alge erst bereitet werden mußten. Oder wie Kerner sagt: Die eine Pflanze nimmt Nährstoffe aus der Unterlage und aus der Luft auf und leitet sie in die zweite Pflanze über, in deren grünen Zellen das Rohmaterial unter Ein­fluß des Sonnenlichtes zu organischen Verbindungen( festen Bestand­teilen der Pflanze) verarbeitet wird. Die hier erzeugten organischen Verbindungen dienen aber alsdann beiden zum weiteren Ausbau Leibes; es ist daher eine solche Verbindung als ihres eine wahre Ernährungsgenossenschaft aufzufaffen. die mit Stahl hat festgestellt, daß die Bellen der Algen, dem Pilz in Verbindung stehen, größer größer und fräftiger werden. Wie außerordentlich wichtig diese Symbiose ist, lehrt die Tatsache, daß die Flechten steinigen, unwirtlichen Boden überhaupt erst für die höhere Pflanzenwelt und also auch für die tierische An­siedelung geeignet machen. Der Marburger Botaniker Professor Dr. Otto Schmeil  , dessen zoologische und botanische Lehrbücher eine neue Epoche in der Naturwissenschaft der Schulen bedeuten, schreibt: die Moose. Da sie lange Zeit hindurch die größte Trocnis ertragen " Im Haushalt der Natur spielen die Flechten fast dieselbe Rolle wie tönnen, vermögen sie sich gleich diesen anspruchslosen Pflanzen an Orten anzusiedeln, an denen sie wochenlang von feinem Wassertropfen genetzt werden. An Felsen und vielfach auch auf dürrem Lande bilden sie mit den Moosen die ersten Ansiedler. Gleich jenen treuen fest, und Genossen halten sie den herbeigewehten Staub fest, indem sie abgestorben zu Erde zerfallen, machen fie im Laufe der Beit selbst den härtesten Fels- und den ödesten Sandboden fähig, höhere Pflanzen zu tragen. Da nun von diesen Gewächsen die höheren Tiere leben und von beiden wieder der Mensch abhängt, so find die Flechten( dank der Symbiose) uns gleichfalls ein Beweis dafür, daß das Kleinste und Unscheinbarste in der Natur oft von größter Bedeutung ist." Dieser naturphilosophischen Wahrheit gab Francé eine noch fürzere Form, indem er sagt: Jm fleinsten ist die Natur oft am größten!

Ramiensty hat eine Symbiose bei den Wurzeln von Monotropa ( Fichtenspargel) entdeckt, Reeß die Arbeit des Hirschtrüffelmyzels an den Kieferntourzeln als Symbiose gedeutet. Auch bei manchen blattlosen Orchideen hat die mikroskopische Untersuchung der

im battlosen Orchideen hat

Pflanzenreiche.

Von Eduard Oppel- Berlin  . Genossenschaftliches, torporatives Zusammenwirken ist nicht auf die menschliche Gesellschaft beschränkt. Auch im Tier- und Pflanzen reiche finden sich Beispiele dafür.

Arbeitsgemeinschaften und Ernährungsgenossenschaften bilden fich zwischen Tier und Tier und zwischen Tier und Pflanzen zu gegenseitigem Vorteil und Nutzen heraus. Bekannt ist das Zusammen­leben der Ameisen mit den Blattläufen und das der Qualle mit dem St. Bernhardskrebs, ferner die Ernährungsgenossenschaft zwischen den tierischen Radiolarien und den pflanzlichen Algen. Seltsam aber

Wurzeln das Vorhandensein eines Bilzes ergeben, der für Nähr­

stoffe sorgt. Es ist ja eine alte Binsenwahrheit, daß die Pilze aus tierischem und pflanzlichem Moder solche Nährstoffe zu entnehmen verstehen. Und doch: wir würden ein solches Konfortialverhältnis zwischen Bilzen und höheren Pflanzen, wobei beide Teile sich zu gemeinsamem Leben bereinigen und sich gegenseitig in ihren Fähig feiten unterstüßen, für eine phantastische hypothese halten, meint Professor Cohn, hätten nicht die Forschungen der jüngsten Beit die weite Verbreitung derartiger Bündnisse herausgestellt. Leben doch zahlreiche Erdpilze, und unter ihnen auch die vornehmen Trüffeln, in Symbiose mit den Wurzeln unserer Waldbäume, die sie in der Ausnutzung des humusreichen Bodens unterſtügen!" Die Gemein