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aus. Japans Ausfuhr hat sich in den letzten Jahren bedeutend ges 25. Februar 1830 anber umt worden. Zunächst setzten die Klassiken hoben, der Japaner selbst raucht am liebsten den in der Provinz Hiuga auf einem lockeren vulkanischen Tuffboden wachsenden Tabak. Dem philippinischen Produkt rühmen die Raucher besonders das Aroma nach, das an Feinheit demjenigen Havannas nur wenig nachgibt. Die herrlichsten Sorten liefern die großen Plantagen in den nördlichen Teilen der Insel Luçon ; die allerfeinste Sorte soll im Distrikt Gapom erzeugt werden. Auch die Inseln Lchte und Negros bringen ein beliebtes Gewächs hervor, welches aber im frischen Zustande so scharf schmeckt, daß man es bis zum Verbrauch mehrere Jahre lagern lassen muß. Unter den ostindischen Inseln obean steht aber, wenigstens was die Qualität des Erzeugnisses betrifft, Sumatra , daneben Java. Der in riesigen Mengen gebaute Tabak wird in grünem Zustande geschnitten, er bekommt dadurch einen jüßen Geschmack und wird entweder zu Zigaretten oder Kautabat verarbeitet. Der Tabak Sumatras bildet infolge seiner großblättrigen und dabei doch zarten und elastischen Beschaffenheit ein ausgezeichnetes Dedenmaterial, das für die Raucher bei der Auswahl oft bestimmend ist. Die Gesamtproduktion Asiens dürfte sich auf 250 Millionen Kilogramm belaufen.
Während Portugal , Spanien , Skandinavien und Groß britannien gar keinen oder doch nur geringen Tabakbau besitzen, erfreuen sich die Produkte der flämischen Provinzen Belgiens und mehr noch die holländischen Orte Amersfort , Nykerk, Boudenberg und Voorhuizen wegen ihrer guten Eigenschaften eines wohlbegründeten guten Rufes. In Frankreich ist der Tabatbau nur nach Uebereinkunft mit den Monopolbehörden gestattet, an welche die Gesamternte abzuliefern ist. Auf verhältnismäßig hoher Stufe steht Deutschlands Tabatfultur. Die hauptsächlichsten Anbaubezirke befinden sich am Mittelrhein ( Pfalz ) und an der unteren der ( Uckermark ).
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In Desterreich- Ungarn raucht man Monopolzigarren; der Zabalbau unterliegt der Bewilligung der Staatsverwaltung, und die Ernte muß abgesehen von gewissen Ausnahmen an die Einlösungsmagazine zu den für die verschiedenen Blättergattungen festgesetten Preisen abgeliefert werden. Südtirol , Ostgalizien mit der Butowina und die große ungarische Tiefebene sind die drei Hauptgebiete des Tabalbaues, unter ihnen, die sowohl hinsichtlich der Quantität als auch der Qualität des erzeugten Tabate große Verschiedenheiten aufweisen, steht Ungarn , das den ersten Rang unter den Tabat erzeugenden Ländern Europas einnimmt, an erster Stelle. Die zweite Stelle gebührt, wenn man von der Balkanhalbinsel absieht, dem russischen Reiche. Als die Hauptbezirke sind die Gouvernements Samara , Tschernigow und Poltawa zu nennen. Das russische Kontinentalflima mit feinen heißen, trodenen Sommern begünstigt den Anbau gewöhnlicher Sorten von scharfem Geschmad und starkem Geruch, Eigenschaften, welche ja vielfach sehr beliebt find. Bessere Qualitäten aus türkischem oder amerikanischem Samen werden vorzugsweise in den Küstenstrichen des Schwarzen Meeres erzielt. Der Anbau, der keinerlei staatlicher Beaufsichtigung unter stellt ist, liegt meistens in den Händen kleiner Bauern und ist nicht felten deren einziger Erwerbsztveig.
Die Türkei liefert besonders dem Heere der Zigarettenraucher die feinsten Tabatsorten. Allerdings find die Qualitätsunterschiede so groß, daß die Preise zwischen 40 und 550 Pf. pro Kilogramm schwanken. Relativ ansehnliche Mengen Tabak, der dem türkischen an Güte wenig nachgibt, produziert Rumänien , ebenso Griechenland , dessen Erzeugnisse einen gesuchten und gut bezahlten Ausfuhrartikel bilden. In Serbien steht die Zabalkultur noch auf ziemlich niedriger Stufe, da sich die Bauern trotz der behördlichen Unterstüßung und troß der günstigen natürlichen Bedingungen zu keinee sachgemäßen Pflege dieses anspruchsvollen Kulturgewächses bequemen wollen. In Italien dagegen unterliegt die Kultur der behördlichen Kontrolle, sein Tabafbau beschränkt sich auf 8 Arrondissements. Die Tabakproduktion Europas beträgt 198 Millionen Kilogramm.
Insgesamt verpaffen, schnupfen und fauen die Menschen 800 Millionen Kilogramm, gewiß eine hohe Zahl, die am deutlichsten den Nachweis erbringt, daß der Tabat nicht nur zum unentbehrlichen Lebensbedürfnis, sondern auch ein gewaltiger Fattor im menschlichen Leben geworden ist, dessen Bedeutung für das Gesamtwohl auch diejenigen nicht verkennen werden, die als Apostel der Hygiene den Tabak in Acht und Bann erklärt haben,
Kleines feuilleton.
Ein Theaterkrieg von ehedem. Die Theatersfandale find wohl so alt wie das Theater selbst. Zu wahren Schlachten wachsen jie sich aber dann aus, wenn eine bis dahin herrschende literarische Richtung von einer neuen, emporstrebenden bedroht wird. In aller Erinnerung sind noch die Kriege, die der Naturalismus auf und vor der Bühne mit der Kuliffentradition führen mußte. Er eroberte fiegreich Bühne und Zuschauerraum. Ohne Kämpfe gehts eben nirgends ab. Als der bis in das erste Drittel des vorigen Jahrhunderts despotisch regierende Klassizismus in Frankreich von den Romantikern bestürmt wurde, gab es auch hier eine erste große Schlacht vor der Bühne, wie sie sich in solcher Ertase, mit solchem Aufwand an Mitteln faum häufig wiederholt haben dürfte. Das Théâtre français in Paris hatte Victor Hugos " Hernani " zur Aufführuna angenommen. Die erste Vorstelluna war auf den
alle Hebel in Bewegung, die Aufführung überhaupt zu vereitelm Sieben Akademiker, bis dahin ständige Theaterstüclieferanten des Théâtre français , reichten ein Gesuch an Karl X. ein, worin vers langt wurde, daß allen Stücken der neuen( romantischen) Schule die Bühne verschlossen bleibe. Vergeblich. Der König lehnte ab, hier einzugreifen. Man versuchte andere Mittel. Ein Klassiker wußte sich Eingang zu einer der Proben des„ Hernani " zu verschaffen, um das Stück kennen zu lernen und es vor der ersten Aufführung lächerlich zu machen. Das geschah auch. Einige Tage vor der Premiere brachte das Vaudeville- Theater eine Parodie auf das Sugesche Stück. Auch den Zensoren wurde nachgesagt, daß sie mit den Klassikern unter einer Dede stedten und diesen die wörtliche Kenntnis gewiffer Teile des Stüdes zugänglich gemacht hätten. Jedenfalls wurde mit allen Mitteln und nicht den feinsten gearbeitet, um Victor Hugo , den Führer der Romantiker, von der Bühne fernzuhalten. Erreicht wurde nur, daß ganz Paris in fiebers hafter Spannung auf die erste Vorstellung des Hernani " wartete und jeder eine Einlaßkarte zu der Vorstellung zu erhalten trachtete. Für die schlechtesten Pläge, für irgend einen Winkel wurden enorme Preise gezahlt. Den Schauspielern war anscheinend gar nicht wohl in ihrer Haut. Als Victor Hugo sich am Tage vor der Vorstellung die übliche Wirksamkeit der bezahlten Klatscher energisch verbat, sahen die Mimen mit Entfeßen einen schauderhaften Durchfall fommen. Hugo fonnte leichten Herzens auf die Lohnklaqueure verzichten: an ihrer Stelle standen hunderte begeisterte Anhänger bereit, um die gute Sache des Romantizismus mit wildester Energie zu verteidigen. Balzac , Berlioz boten sich mit vielen anderen guten Namen an. Theophil Gautier , damals neunzehn Jahre alt, glühte vor Begeisterung, die Rolle eines Unteranführers jener Truppe zu gesprochen zu erhalten. Oberstkommandierender war Nerval . Gautier aber wollte auch eine Uniform. Er entwarf selbst den Schnitt einer roten Weste, ließ sich ein grünes Beinkleid mit Samts streifen und einen schwarzen Rock mit breiten Samtkragen machen. Auch die übrigen Soldaten" paradierten in den allerverschiedensten, feltsamsten und ganz unmöglichen Kostümen natürlich lediglich zu dem Zwed, um gegen alles Hergebrachte aufs deutlichste zu demon strieren Diese wirklich romantische Heermacht sollte auf ihre Bitte früher als gewöhnlich Eintritt ins Theater erhalten; man wollte sich ungestört in allen Rängen des Haufes verteilen, die günstigsten Pofitionen besetzen und das feindliche Armeekorps der Klassiker zero splittern und umzingeln. Um 3 Uhr sollte die romantische Armee sich einfinden, um 12 Uhr mittags war sie schon vor dem Theater. Die Vorübergehenden blieben erstaunt stehen vor dieser Menge unerklärlicher Erscheinungen. In seinem Werte Bittor Hugo und seine Zeit" beschreibt Otto Weber( nach Barbou) diese Situation: Die Ginen trugen weiche Hüte und Joppen, die Anderen Röcke aus Samt und Seide mit reichem Belzbefah, oder sogenannte„ Branden burger", eine Rodgattung mit sehr langen Acrmeln. Andere hatten sich mit spanischen Mänteln geziert und stemmten stolz die Faust in die Hüfte. Wieder andere hatten sich mit den sonderbarsten Haartouren herausgeputzt. Es sah aus, als hätte Jungfrankreich" den Laden eines Berrückenmachers gestürmt, und als hätte jeder aufgejetzt, was ihm gerade in die Hand fam, um dadurch den Glauben zu ertreden, als gleiche man einem Rubens, einem Velasquez oder einem Helden aus der Revolutionszeit. Damit war es aber noch nicht genug. Um dem guten Geschmack des Spieß bürgers ins Gesicht zu schlagen, befanden sich auch einige darunter, die das Haar ganz lang bis auf die Schultern trugen oder gar einen Vollbart sehen ließen. Zu Beginn des Jahres 1830 stand der Bart so sehr in Verruf, daß kein junger Mann aus irgend welchem Gesellschaftskreise, der einen Schnurr- oder Badenbart trug, eine Frau bekommen hätte.. Die Bärte und langen Haare brachten die Philister noch mehr auf als die abenteuerlichsten Kostüme. Waren auch die Haare sorgfältig gefämmt und die Schnurrbärte gut ges wichst, so skandalisierte man sich doch darüber und die großen und fleinen Journale jener Zeit verbreiteten mit Entfeßen die Nachricht in ihren Spalten, daß eine Bande von schmutzigen Landstreichern den Generalstab der romantischen Poesie ausmache.
So tams denn fast schon auf der Straße zu einem Forgefecht. Man bewarf die vor dem Theater Harrenden mit Schmub, Gemüse resten und dergleichen. Balzac wurde ins Gesicht getroffen. Aber die Romantiker ließens geschehen und wehrten sich nicht, um die Ginmischung der Polizei zu verhindern, die womöglich den ganzen Feldzug bereitelt hätte. Um 2 Uhr wurde das Theater geöffnet und die Truppen verteilten sich. Sie hatten sieben Stunden bis zum Beginn der Vorstellung zu warten! Aber man unterhielt sich fehr gut, aß und trant die mitgebrachten Vorräte, und fang gelegent lich. Endlich fam der Abend heran. Die Lichter flammten auf. Das Schauspiel vor der Bühne begann. Weber schreibt darüber: So oft die Tür einer Lege aufgemacht wurde, richtete Jungfrantreich" seine Blide dorthin und ließ, falls eine hübsche Frau Blaz nahm, lauten Beifall erschallen. Die für schöne Formen schwärmenden Künstler machen sich nichts aus Edelsteinen und Toiletten. Als aber Fräulein Delphine Gay, die spätere Frau von Girardin, erschien, mit ihren blonden Haaren, ihrer vollendeten Grazie im Auftreten und schön wie eine Statue, ertönte eine dreifache Salve begeisterter Zurufe. Sie trug ein einfaches Musselinkleid mit blauer Schärpe. Bald stellten sich auch die Klassiker ein und das ganze Orchester war mit akademischen Schädeln vollgepfropft. Unmittel bar darauf ging der Kampf los. Die aufgeregte Menge murrte und knurrte. Es war, als ständen sich zwei Armeen gegenüber. Stolz, gehobenen Hauptes, mit der Wut im Herzen tauschten die Gegner vorläufig nur böfe Blide miteinander aus. Gautiers rote Weste