Kleines f euUleton* „Dekoration" und fein Ende. DBK, Der Begriff„Dekorationsdiwan" besagt so ziemlich alles. Ihm schließt sich eine lange Reihe von Objekten würdig an, deren wesentliche Bestimmung darin liegt, zu„dekorieren". Wir finden Dekorationsteller, die niemals Speise fassen können, Dekorationsvasen und ebensolche Krüge, die weder Blumen noch Waffer oder Wein aufzunehmen geeignet sind,„Dekorationssäulen" an den Schranktüren, die nichts tragen, sondern nur angeklebt sind und mit den Türen auf- und zugchen, Zigarrenabschneider, die mit dem Kopf Bismarcks oder Moltkes„dekoriert" sind, Biergläser mit aufgemalten blauen Zwetschken, andere Gläser oder Krüge, die den Leib eines Pfäff- lcins oder eines Gnomen vorstellen, Glasmalereien, die keine sind, sondern klägliche Imitationen, an die Fensterscheiben zu hängen, um das ohnehin spärliche Tageslicht aus unseren Großstadt- Wohnungen gänzlich zu bannen, Blumen und Pflanzen, den lebenden, echten, getreulich nachgebildet, künstliche Palmen mit der- zweifelt ausgestreckten starren Blütterfingern, Blattwerk und Gir- landen an allen Formen und Gefäßen, und in harmonischem Weit- eifer mit all diesem Unrat schlechte Bilder, japanische Schirme, Fächer usw., mit denen die Wände„geschmückt" sind. Der kategorische Imperativ„Schmücke Dein Heim!" ist der Urheber dieses erborgten fälschlichen Luxus, aber wir sinden es auf den Straßen nicht Keffer. Gerade hält der Postwagen vor dem Hause, der Blick fällt auf das kleine Jalousienfenster, das un- begreiflicherweise an dem Wagen angebracht ist. Aber es ist gar kein wirkliches Fenster, es ist nur— aufgemalt. Wozu? Darauf gibt es ebensoweniig eine befriedigende Antwort wie auf die Frage, welchen Sinn die winzigen Balkons und Erker an den Häusern haben, die so klein sind, daß sie keines Menschen Fuß betreten kann. Sie dienen augenscheinlich bloß als„Dekoration", wie jene lächer- lichen, maulaufreitzenden Masken, mit denen die Hausfaffaden bis ins oberste Stockwerk„verziert" sind. Wie das Innere und Aeußcre der Läden ist, so sind natürlich auch die neuen Straßen und Plätze, die Parkanlagen und Monumente haben, die nichts toeiter vorstellen, als sogenannte„Dekorationen". Die Vorgeschrittenen wehren sich und erklären: Bitte, der Dekorationsdiwan ist überwunden, wir haben ein englisches Zimmer! Das englische Zimmer hat einen mächtigen Kamin, von einem riesigen Fcuermantel überwölbt, darunter ein offenes Kohlenfeuer, oder nicht? Ach nein, es ist Gasheizung, auf künst- liche Weise Kohlenhcizung vortäuschend, und statt des Dekorations- diwans findet sich ein sogenannter Zierschrank vor, mit getriebenen Kupferbändern, die aber nichts zu halten haben, sondern an den Türen, die in Scharnieren laufen, angenagelt sind! Wozu der Feuermantcl, wozu das künstliche Kohlenfeuec, wozu der Zierschrank, wozu die angenagelten Kupferbänder?— Darauf hört man die stehende Antwort: Weil'S halt so schön ist— wissen Sie— der Dekoration wegen? Man sieht, diese Modernisierung gibt dem Dekorationsdiwan und dem ganzen alten Gschnas nichts nach. Stellen sie ein wirkliches Kunstwerk hinein, so sieht es in solcher Umgebung doch nichts gleich. Der Unfug hat keine Grenzen; er wird in seinem ganzen Um- fang offenbar werden, wenn es wirklich einmal gelingen sollte, die Kultur wieder auf sachliche Grundlagen zu stellen. Zu diesem Zweck ist noch alles neu zu nkvchcn vom Kleinsten bis zum Größten: die ganze Welt ist neu zu bauen. Tann wird ein Staunen sein über die Macht, die das echte Kunstwerk in einer solchen sachlichen Umgebung ausströmt. Jos. Aug.. Lux. Literarisches. Der Dichter und die Geisteskrankheiten. Alle Forschungsgebiete, für die das Verständnis der Menschcnnatur eine wesentliche Voraussetzung ist, müssen sich mit dem Gedanken ver- traut machen, daß es sich im Leben nicht einfach um den Gegen- satz geistig Kranker und geistig Gesunder handelt, sondern daß es zahllose Zwischenstufen gibt, und daß selbst beim anscheinend nor- malen Menschen z» gewissen Zeiten und unter bestimmten Um- ständen psychische Veränderungen auftreten, die nicht als normal bezeichnet werden können. Wenn der Literarhistoriker, Geschichts - forscher oder Jurist diese Erfahrungen berücksichtigen muß, so muß es andererseits auch durchaus begreiflich und gerechtfertigt er- scheinen, wenn der Dichter, insbesondere her Dramatiker, der doch »ns volle Menschenleben greift, um es künstlerisch zu verklären, die krankhaft veränderte Psyche in den Kreis seiner Betrachtung zieht. Die Geisteskrankheit auf der Bühne ist durchaus keine Errungen- schaft der Neuzeit. Schon Sophokles hat den rasenden Aias be- sungen, Shakespeare schuf einen Hamlet, einen Lear, eine Ophelia, lauter unzweifelhaft kranke Persönlichkeiten; auch Schillers Jung- frau von Orleans weist Symptome von Geisteskrankheit, Halluzi- Nationen und ekstatische Zustände auf. Man könnte ja meinen. daß der Irrsinn eigentlich kein dramatisches Interesse hat, da bei ihm jede Motivierung ausgeschlossen ist. Tatsächlich bringt auch der Dramatiker nicht von vornherein irrsinnige Personen auf die Bühne. Die Geisteskrankheit bricht gewöhnlich erst im Laufe der dramatischen Entwickelung aus und erscheint oft als Folge voraus- gegangener Ereignisse. Viel dankbarer ist die Tarstellung jener Grenzzuftände zwischen Gesundheit und Krankheit, die uns im wirklichen Leben am häufigsten begegnen. Solche problematische Naturen haben unker den modernen Dramatikern namentlich Ibsen gefesselt. Natürlich ist es keine leichte Aufgabe für den Dichter, derart krankhafte Persönlichkeiten richtig zu zeichnen. Es gehören dazu recht eingehende Kenntnisse auf dem Gebiete der Psychopatho- logie, über die auch der begabteste Dichter und feinste Beobachter nicht ohne weiteres verfügt. Es ist daher recht lehrreich, den Aus» sührungen des bekannten Psychiaters Professor Wehgandt in der Wochenschrift„Umschau"(Frankfurt a. M.) über die psycho- pathischen Persönlichkeiten der Dramen Ibsens zu folgen. Er hebt unter anderem hervor, daß die krankhasten Züge Dr. Ranks in „Nora " ein wemg verzeichnet seien. Auch sei es für den Sach- verständigen nicht recht klar, wie es dem an„Nückenmarkschwind» sucht" leidenden Dr. Rank gelingen könne, an siH selbst festzu» stellen, daß es mit ihm bald zu Ende sei; denn die berden wichtigsten diagnostischen Hülfsmittel, die Augenspiegeluntersuchung und die Prüfung der Rückenmarkslüssigkeit könnte er nicht an sich selbst vornehmen. Schließlich erscheint die Vererbungsfrage in einem schiefen Lichte. Rank soll erheblich belastet sein; aber die Rücken- marksschwindsucht auf Grund angeborener Ansteckung bricht nicht erst in dem Alter aus, in dem Dr. Rank steht, sondern schon in recht jungen Jahren. Dasselbe Problem spielt auch in den„Ge- spenstern" eine Rolle, und auch in diesem Falle ist es höchst un» wahrscheinlich, daß die ererbte Krankheit sich bei Oswald erst im Alter von LS oder 27 Jahren geltend machen sollte. Die leicht Ab- normen hat Ibsen viel treffender gezeichnet, z. B. die zahlreichen pshchopathischen Persönlichkeiten der„Wildente", die„Hedda Gabler ", diese hysterische Kanaille, wie Wehgandt sagt, und andere mehr. Wehgandt ist nun der Meinung, daß eine nicht allzu krasse Verzeichnung in der Schilderung krankhaften Seelenlebens nicht schwer ins Gewicht fällt, da nur ein sehr geringer Teil des Publi» kums imstande ist, derartige Fehler zu bemerken. Das Publikum läßt sich ia auch die Turmuhr im„Julius Cäsar " gefallen, aller» dings pflegt man zu lächeln, wenn im„Wintermärchen" von der Küste Böhmens die Rede ist. Derbe Verschen in der Psychopatho- logie müssen allerdings ebenso wie derbe Anachronismen unbedingt vermieden werden. AuS der Pflanzenwelt. — Proletarier unter den Zimmerpflanzen. Zu den anspruchslosesten und dennoch dankbaren Zimmerpstanzen zählen die Kakteen und Sukkulenten, zwei Pflanzengruppen, die sich mit Recht großer Beliebtheit bei manchen Pflanzenliebhabern er- freuen, von vielen aber auch fast unbeachtet bleiben. Der meist äußerst originelle Bau dieser Pflanzen muß ein stets wachsendes Interesse hervorrufen. Da auf kleinem Raum recht viele Exemplare dieser Sonderlinge untergebracht werden können und auch nur wenig Pflege erforderlich ist, sollte man sich in jenen Kreisen, wo wenig Raum und Zeit für die Pflanzenliebhaberei übrig bleibt, fich gerade recht viel mit Kakteen und Sukkulenten beschästigen. Wenn diese Pflanzen auch nur wenig Pflege beanspruchen, so darf dabei nicht übersehen werden, daß diese Pflege eine zweckmäßige sein muß, will man an seinen Lieblingen rechte Freude erleben. Solche zweckmäßige Pflege zu fördern, soll Aufgabe dieser Zeilen sein. Hauptbedingung für ein erfreuliches Resultat bei der Pflege dieser Pflanzen ist ein sonniges Fenster. Kann man im Winter für seine Pfleglinge nicht in einem Zimmer die Temperatur dauernd auf etwa 6 bis 8 Grad Wärme halten, so ist der Platz vor dem Küchen- fenster der beste Standort. Wie viele andere Pflanzen, so bedürfen auch die Kakteen im Winter der Ruhe. Sie werden jetzt etwa alle zwei Wochen mit abgestandenem, lauwarmem Wasser gegossen und mittels einer feinen Spritze überbraust. Die Erde muß m wenigen Tagen wieder trocken sein. Ein Umsetzen der Pflanzen ist bei kleineren alle zwei, bei größeren alle drei oder vier Jahre notwendig. Die Töpfe sollen nie größer sein, als daß die Wurzeln bequem hineinpassen. Die nötige Erde besorgt man sich am besten beim Gärtner. Etwa« Kalkschutt, Holzkohle und kleine Ziegelstückchcn sollen stets unter die Erde gemischt sein. Beim Umsetzen, welches man ,m April vor- nimmt, ist darauf zu achten, daß das Wasserabzugsloch des Topfes nicht verstopft wird und daß die Pflanze nur mit den Wurzeln in die Erde kommt. Stehen die Pflanzen nicht fest, so ist mittels kleiner Stäbchen die erforderliche Stütze zu geben. Für den Sommer richtet man ein Plätzchen außerhalb des Fensters durch ein paar Brettftücke her. oder man wählt ein Fenster. welches man weit offen halten kann, denn die Kakteen verlangen im Sommer viel Licht und Luft zu gedeihlicher Entwicklung. Die Pflanzen müssen jetzt so aufgestellt werden, daß fie unberührt stehen bleiben können. Wiederholtes Umstellen würde dem Wachstum hinderlich sein. Liegt das Fenster, in welchem die Kakteen stehen, genau nach Süden, so iverden die Töpfe mit Moos abgedeckt, damit die Sonnenstrahlen nicht gar so arg auf die Töpfe brennen. Im Mai und Juni wird es sich empfehlen, die brennenden Strahlen der Mittagssonne durch Herablassen der Vorhänge oder durch Ueberlegen von Papier von den Pflanzen abzu- halten. Doch mutz man die Pflanzen nach und nach auch an das volle Sonnenlicht gewöhnen. Jeden Abend werden die trockenen Töpfe mit abgestandenem Wasser gegossen und die Pflanzen mit der feinen Spritze leicht überbraust. Wird gegen Herbst die Witte- rung kühl, so müssen die Pflanzen von dem offenen Fenster fort- kommen, sie dürfen dann der Außenlust nicht mehr ausgesetzt sein. Wer dieser Art seine Katteen und Sukkulenten behandelt, wird sicher Freude an ihnen haben. Das Wachstum ist zwar bei den
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24 (22.3.1907) 58
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