Hauptstraße der Stadt, allerdings ohne das Zulaufen auf ein fürstliches Schloß hin; vielmehr führt sie sehr einfachbei einem Tore hinein, beim anderen Tore hinaus". Von ihr aus haben wir dann nach beiden Seiten annähernd symmetrische Hälften, doch fast immer mit einer uns schon aus Mannheim   bekannten Freiheit in der Anlage der Plätze. Praktisch gilt es nun, über die für frühere Zeiten und Kultur- bedürfnisse vielleicht sehr gut passenden Typen hinauszukommen. Tatsächlich ist dies wenigstens insofern geleistet worden, als unsere Architekten es an Plänen, zumal solchen für Stadterweiterungen und an Erläuterungen dazu nicht fehlen ließen. Camilla Sitte in Wien  , der wohl glänzendste Name aus der Schar der fortschritt- lichen Stadtbaukünstler, ist allerdings aus seinem irdischen Wirken abgerufen worden, als es ihm eben gelungen war, für seine erst nur isolierten Bestrebungen eine eigene Zeitschrift zu schaffen. Nun blüht sie unter dem NamenDer Sädtebau" bereits im dritten Jahrgange weiter und zeigt nicht am wenigsten, welche Fülle von Problemen sich einstellen, sobald dieses Gebiet einmal ernstlich erschlossen worden ist. Nicht zuletzt gilt es dabei die soziale Seite der Sache. Unser städtisches Wohnen und Wandeln muß hygienisch sein und muß auf die Verhältnisse von Gemeinschaft und Gesellschaft   Rücksicht nehmen. Nahe liegt die Meinung, die moderne demokratische Welt der- lange als solche gerade und breite und regelmäßig gekreuzte Straßen. Allmählich aber dämmert es auch in weiteren Kreisen, daß dies wenigstens nicht die vollständige Weisheit sein könne. Ja vielleicht zeigt es sich schließlich, daß die starre Einhaltung von Symmetrie oder symmetrieähnlichen Gebilden in einer Stadt zwar für den Prunk vornehmer Kreise, nicht aber für das Wohl des Volkes taugt. So tretenSymmetrie" undSittlichkeit" geradezu immer weiter auseinander. Natürlich brauchen wir deshalb keines- Wegs alles zu verbieten, was dieUnsymmetrie und Sittlichkeit" verletzen könnte. Allein was not tut, das ist: freie Bahn für den Ausdruck sozialer und ästhetischer Bedürfnisse in den Formen der den Städtebau gestaltenden Architektur. kleines f euületon* Wann wird es Frühling? Die freundliche Natur hat es so gefügt, daß zu derselben Zeit, in der der Winter im astronomischen Sinne beginnt, auch die Tage anfangen, länger zu werden. Wenn also die unfreundlichste, härteste Jahreszeit ihre Herrschaft antritt, ist dem Menschen der Trost gegeben, daß es in eigner sehr wichtigen Beziehung schon besser wird, so daß uns ohne weiteres beim Winter- beginn die Erwartung des Frühlings überkommt. Da darf der ungeduldige Mensch denn auch sofort fragen, wann wird es denn nun eigentlich Frühling? Nach rein astronomischer Begriffs- bestimmung beginnt er, das weiß freilich jeder, am 21. März. Aber mit dieser astronomischen Erklärung ist uns Menschen wenig gedient; wir nennen den Frühling nicht die Zeit, in der die Erde eine gewisse Stellung zur Sonne einnimmt, sondern diejenige, in der lauere Lüfte uns umgeben, in der die Blütenpracht uns er- freut. Und in der Tat ist dies nicht nur der naive Laienstandpunkt, andern auch die strenge Wissenschaft, die Meteorologie, macht ihn sich in gewisser Hinsicht zu eigen. Ein besonderer Zweig der Meteorologie ist die Phänologie, das heißt die Zusammenstellung der Erscheinungen des pflanzlichen und tierischen Lebens, die an eine bestimmte Jahreszeit gebunden sind, und deren Summe eben diese Jahreszeit bildet. Von ganz besonderer Wichtigkeit sind hierbei die Vorgänge im Pflanzenleben, und man hat nach viel- jähriger Beobachtung eine ganze Reihe von Pflanzen zusammen- gestellt, deren Aufblühen im Frühling erfolgt, dergestalt, daß die Wissenschaft sagt, wenn diese Pflanzen erblühen, dann tritt im meteorologischen Sinne der Frühling ein. Die wichtigsten dieser Pflanzen sind Johannisbeere, Süß-, Sauer- und Traubenkirsche, Schlehe, Birne, Apfel, Roßkastanie, Weißdorn, Goldregen, Eber- esche und Quitte wie man sieht, wesentlich dieselben Pflanzen, deren Aufblühen auch in Laienkreisen, vom rein menschlichen Empfindungsstandpunkt aus, als Frühlingsbeginn aufgefaßt wird. Stellt man die Frage so. dann lautet die Antwort: Der Frühling vollzieht seinen Einzug in Mitteleuropa   in ungefähr fünf Wochen; er kommt früher in den Süden und Westen, als in den Norden und Osten, und früher in die Ebene als ins Gebirge. Natürlich hängt das Erscheinen des Frühlings vornehmlich ab von der Natur der in einer Gegend herrschenden Winde; wo gegen Süden ein hohes Gebirge vorgelagert ist, das die warmen Südwinde aufhält, während dem rauhen Nordwind der Eintritt freisteht, wird es später Frühling, als dort, wo eine günstigere Erdformation warme Winde zuläßt. Am günstigsten ist hiernach gestellt der Südabhang der Alpen  : In Bozen   beginnt der Frühling am 11. April, in Arco  am 13.. in Riva   am 14. April, daran schließt sich die oberrheinische Tiefebene, wo sich der Frühlingseinzug zwischen dem 22. und und 28. April vollzieht. Im übrigen Mitteleuropa   erfolgt er zwischen dem 6. und 12. Mai. Hierher gehört vornehmlich Nord- deutschland bis zu einer nördlichen Linie, die sich von der Weser- mündung gegen Kiel   und von da über Stettin   und Thorn nach Ruß- land geht, ferner Schlesien   und das bayerische und schwäbische Alpenvorland. Nur die Gebirge ragen in Süd- und Mitteldeutsch- land heraus, namentlich die Eifel  , der Westerwald  , Taunus  , Rhön  , Harz  , Thüringer Wald  , Vogesen  , Schwarzwald   und Jura, wo das Frühlingsdatum erst nach dem 20. Mai fällt. Zwischen dem 13. und 19. Mai erscheint der Frühling im nördlichen Teil Deutsch  « lands, in Schleswig  , dem nördlichen Mecklenburg   und Vorpommern. in ganz Hinterpommern und Preußen bis zum Samland  . Am Kurischen Haff, in Schonen, Seeland und Jütland   hält der Früh- ling erst nach dem 20. Mai seinen Einzug, in Südschweden gar erst am 29. Mai, ebenso wie auch an einzelnen Stellen des Erz- Sebirges. Diese auf ganz genauen Zusammenstellungen begründete Übersicht zeigt, daß der Beginn des Frühlings an den verschiedenen Stellen Mitteleuropas   um nicht weniger als sieben Wochen differiert, also genau so lange, wie zwischen Ostern und Pfingsten liegt; aber selbst die am ungünstigsten stehenden Orte haben immerhin einen Trost: Wenn auch spat, einmal muß es auch bei ihnen Frühling werden. Literarisches. m. Joseph Ruederer über München  . Ruederer, der Dichter der Fahnenweihe der Morgenröte, der Münchener   Satiren, hielt in München   vor einem Publikum, das aus allen Kunstcliquen. Sippen und Protektionsvereinen die würdigsten und lcbtüchtigsten Vertreter aufwies, einen Vortrag über München  , der in der Haupt- fache einige interessante Kostproben aus seinem demnächst bei Georg Müller erscheinenden BucheMünchen  "(im Zusammenhange mit einer Serie:Europäische Städtebilder", die Berlin  , München  , Paris  , London  . Wien   umfassen soll) bot. Mit einem Ausflug ins Gebiet der landschaftlichen Utopie feine Sintflut in Bayern  , hervor- gerufen durch ein in der Tiefe des Walchensees schlummerndes, fabelhaftes Untier) und einem paläontologischen Scherz be- gann Ruederer. Er träumt ein dereinst aus den Schutt- feldern des Bayerischen Pompeji ausgegrabenesMuseum für bayerische Volkskunde". Darin werden künftige Forscher finden z. B.: den bayerischen Landtag(bekanntlich eineVersammlung ganz moderner Menschen"), freilich in ganz versteinertem Zustande. ganz verschlammt ist namentlich der großmäulige bayerische  Liberalismus, am besten noch erhalten derungekrönte König von Bayern", Vollmar I. Und sie finden weiter das berühmte.Münchener Herz", halb Bier, halb Gold; lümmelhafte Amtsverfügungen; rätsel- haste Scherben vom Salvatorberg; ganz verschimmelte Originale jener Münchener   Kleinbürger, die einst Pocci und Spitzweg   malten; das.Münchener Kindl" in semen verschiedenen Lebensphasen, als dralles Bambino mit Rehaugen, als süßes Münchener Madl, dases schon um einen warmen Kalbsbraten tut", als verheiratete Frau, die sich auf den Redouten von lüsternen Galans mit Sekt und Brillanten bombardieren läßt. Sehr wichtig und geistvoll war auch das Kapitel: Die Gesellschaft. Den an- wesenden Stützen der Gesellschaft wurde darin recht kräftig Haber« feld getrieben. Die Vorliebe für Tänzerinnen von Lola Montez  bis Madeleine und Rita Sacchetto   wurde aus den Tiefen der Seele der seidenen Plebs untersucht und der treffende Schluß gezogen, daß die gute Gesellschaft von München   zu allen Zeiten zur Aufstachelung ihrer Sinne Tänzeriuneu gebraucht hat. Hand in Hand stehen Terpsichore, Frau Musika   und Venus vulgivaga im Wappen dieser in Blumenbooten durchs sinnliche Daiein gaukelnden Gefellschast. Mit fast nationalem Pathos ging Ruederer für Lenbach inS Zeug, in dem er den Typus des bayerischen   Herren- menschen, den kraftvollen Usurpator des Geschmackes, den wahren Renaissancemenschen sieht. Wer soll nach dem ehemaligen Schraden  - hauseuer Maurergesellen die geistige Führerschaft Münchens   über- nehmen? Etwa Kaulbach, der Salonmaler, oder Franz Stuck  , der schwerbewegliche Niederbayer? Dann noch eine nur halb ent'chiedene Frontwendung gegen die verderblichen, weil alle draußenstehenden jungen Talente kräftig unterdrückenden Cliquen in Münchens Lehr-, Kunst-, Gemeindehäusern und Salons, dieObergockel", d,e Ruederer alle auf einer Schaufel zusammengekehrt sehen möchte. Die be» troffene Gemeinde klatsche, dem eingewurzelten Moralgesetz der konventionellen Lüge folgend, ihrem Spötter donnernd Beifall. Mufik. Ein illustriertes Oratorium. Fortwährend ergeben die Ver- suche, bedeutende dramatisch? Dichtungen zu Opern umzugestalten, halbe Erfolge. Anscheinend wird der Erfolg um so geringer, je bedeutender bereits die poetische Leistung war. GoethesFaust" drängt ganz besonders zur Musik und scheint sich doch gar nicht zu einer Oper zu eignen. Die gleichnamige Oper des französi- schen Komponisten Gounod   mag als Oper gut. sein, nicht aber als Uebcrsetzung desFaust" in Musik. Ziemlich einfach liegt die Sache, wenn man lediglich zur Schauspielaufführung Musik- bcgleitung braucht; darin haben sich die Kompositionen von Lind- paintner, von Lassen und von anderen gar nicht übel bewährt. Für Theatcrzwecke wird anscheinend nicht gerne die Musik von Robert Schumann   verwendet, die er unter dem Titel«Szenen aus Faust" geschrieben hat. Für Orchester und Männerchor hat F. v. Liszt  Eine Faust-Sinfonie  " geschrieben, in drei nach den Hauptpersonen benanntenCharakterbildern", jedenfalls gutcharakteristisch". Mit Liszt ist namentlich durch den Gegensatz dieser letzteren Eigen. schaft gegen die mehr formalistischen Schönheiten geistesverwandt Hektar Berlioz  (18031809). Sein Werk von 1845F a u st's Verdammung" ist eineDramatische Legende in vier Teilen". kurz das, was wir einweltliches Oratorium" nennen. Der Text setzt sich aus Stückeir des GoetheschenFaust", ferner aus Dich- tungen irgend eines Franzosen und endlich aus dichterischen Bei» trägen von Berlioz   selbst zusammen. Die Hauptabweichung von der