Wnterhaltungsblatt des Horwärts Nr. 69. Mittwoch, den 10. Zlpril. 1907 26] (Nachdruck verboten.) Im I�ampf für Rußlands freikeit. Beim Scheine der Lampe vollbrachten wir unser Werk. Hunderte von Flaschen lagen in Scherben da, und von den Wandbrettern strömte der Branntwein auf die Diele. Maxi- moff schaute sich um. Haben wir auch alle Flaschen zerschlagen? wenn auch noch ein paar da sind, die werden sie schon nicht so schnell finden". Ein furchtbarer Geruch füllte das Zimmer und betäubte uns fast. Wir löschten das Licht aus, schlössen die Tür und gingen durch den Korridor ins Wohnzimmer, wo der Der- käufer gebunden unter Bewachung von Andreeffs Bruder lag. Hundepackl" schrie er.Was habt Ihr getan?" Maximoff rief ihm zu:Halt Dein Maul I Du verstehst von der ganzen Sache nichts. Wir haben Dir vielleicht Dein Leben gerettet". Auf der Straße hörten wir schon von weitem betrunkene Stimmen und beschlossen, auf die Menge hier zu warten. In kleinen Trupps, johlend, schreiend, kamen sie an.Ah da sind auch ein paar, die sich umsonst einen Rausch antrinken wollen! Hurra, Brüder!" riefen uns einige zu. Maximoff sagte leise zu mir:Es ist vergeblich, jetzt auf sie einzureden". Wir warteten ab, bis die Menge die Tür eingerannt hatte. Wieder hörten wir, wie sie enttäuscht waren. Man vernahm hier und da den Vorschlag, den Verkäufer tüchtig zu verprügeln, aber er fand keinen Anklang. Es wiederholten sich die gräßlichsten Szenen. Wie Tiere wälzten die Menschen sich auf dem Boden und schlürften den Branntwein. Die Menge war auf mehrere Hunderte an- geschwollen. Wir wollen gehen", sagte Mari moff. Wir waren alle sehr traurig gestimmt, obwohl jeder von uns wußte, daß es bei einem Streik von Arbeitern, die nicht genügend organisiert sind, zu Exzessen und Ausschreitungen kommen mußte. Unverdrossen weiterarbeiten, das ist das einzige: es wird schon eine Zeit kommen, wo diese wilden Elemente verschwinden. Hallo! Kinder!" erklang eine starke Stimme,Brannt- wein bekommen wir nicht, in dem Depot können wir nichts ausrichten, da schießen die verfluchten Kerle auf uns. Gehen wir doch in die Bergstraße, wo die Freudenhäuser sindl Be- freien wir die armen Frauenzimmer!" Johlend, kreischend zog die Menge weiter: nur ein paar eifrige Trinker waren zurückgeblieben. Wir konnten nichts mehr ausrichten und gingen still nach Hause. Nur Maximoffs Freund folgte der Menge. In unserer Wohnung angekommen, erzählten wir Abra moff die Vorgänge und beschlossen, sofort einen Auftuf an die Arbeiter zu erlassen, in dem wir die fortgeschrittenen unter ihnen im Namen der Kameradschaftlichkeit eindringlich baten, die unruhigen Elemente von Ausschreitungen zurückzuhalten. Jeder Verstoß, jede Ausschreitung schade unserer großen Sache. In einem zweiten Aufruf wurden von neuem die Wirt- fchaftlichcn Forderungen der Arbeiter formuliert. Auch diese Nacht arbeiteten wir durch. Ganz früh am Morgen erschienen Marimoffs Kameraden und holten die Aufrufe zur Verteilung ab. Von ihnen erfuhren wir, daß die be- trunkene Menge viele von den Freudenhäusern vollkommen zerstört, Betten, Möbelstücke zum Fenster hinausgeschleudert, Sachen demoliert und den Mädchen erklärt hätte, sie seien nun frei. Erschöpft von der angestrengten Arbeit setzten wir uns eine Weile nieder. Schlafen konnten wir nicht. Plötzlich hörten wir ein Klopfen an der Tür; es war ein Kamerad, der kurz vorher die Aufrufe abgeholt hatte. Die Kosaken sind da", rief er.und eine Unmenge von Geheimpolizisten ist angekommen. Ihr müßt Euch ver stecken". Wir weckten die anderen, verließen die Wohnung, gingen durch Seitengassen und wurden von den Kameraden bei be- kannten Arbeitern untergebracht. Maximoff war zu den Av beitern gegangen, Andreeff war auch fort, bloß Abramoff und ich waren noch auf Drängen von Maximoff zurück- geblieben. Wir hatten das Versprechen erhalten, daß wir im Notfalle geholt würden. Alle Augenblicke kamen Ab- gesandte von Maximoff oder den anderen Führern und meldeten uns, was vorging. Ich hielt es nicht länger aus, hier im ruhigen Versteck zu sitzen, während sich meine Kameraden auf dem Mftrktplatze versammelten. Ich bat Anna Michailowna, sich zu schonen und auf mich zu warten. Die Straßen waren leer. Das Erscheinen der Kosaken hatte den Bewohnern Schrecken eingejagt; niemand traute sich aus dem Hause, nur ab und zu traf ich ein paar Arbeiter, die irgendwohin eilten. Ich ging an der Fabrik vorbei. Vor den Toren und hinten im Hofe standen die Kosaken, die Pferde waren an den Zäunen angebunden. Auf dem Marktplatz hatte sich eine große Menge angesammelt. Hier und da vernahm man be- trunkene Stimmen, sonst aber war es ziemlich ruhig. Die Arbeiter standen in Gruppen und sprachen miteinander. In einer der Gruppen bemerkte ich Maximoff und trat an ihn heran. Das Komitee will einige Deputierte zu dem Direktor schicken," sagte er. Wozu noch einmal in Verhandlungen mit dem Direktor treten?" erwiderte ich.Er hat doch gestern klar und deutlich gesagt, daß er mit Aufrührern nichts zu tun haben will. Wartet doch ruhig ab, bis er zu Euch kommt". Das habe ich auch vorgeschlagen", sagte Maximoff, aber viele wollen es nicht". .Das Komitee besteht aus gewählten Männern", er­widerte ich,und die Arbeiter müssen einsehen, daß diese ihre Interessen am besten vertreten werden". Da kamn zwei kleine Trupps Kosaken herangeritten und durchkreuzten den Marktplatz. Die Menge zerstob nach allen Seiten, und die Kosaken bogen in eine Seitenstraße ein. Wir wollen abwarten, was die Direktion beschließt", sagte Marimoff zu seinen Kameraden.Und vor allem laßt uns auseinandergehen, das ist das beste..Geht nach Hause, Kinder." Auf Umwegen kehrte ich allein zu Abramoff zurück, Gegen Abend erschien Maximoff und bat uns abzureisen. Der Streik geht seinen Gang. In dieser Nacht werden wahrscheinlich viele Verhaftungen vorgenommen werden. Wozu unnütze Opfer? Ich bleibe hier und werde versuchen, bis zum Ende auszuharren, Sie sollen aber fort! Meine Vertrauten haben gemeldet, daß Ihre frühere Wohnung streng bewacht wird, man ist Ihnen auf der Spur". Wir sahen selbst ein, daß es nutzlos sei, länger zu bleiben, und beschlossen abzureisen. Wo ist Andreeff?" fragten wir Marimoff. Das weiß ich nicht. Ich dachte, er sei hier, aber auf ihn könnt Ihr nicht warten, Ihr müßt fort! Er wird sich schon selbst zu helfen wissen. Sein Bruder ist ja auch nicht da. Wenn ich die beiden treffe, werde ich sie auch forffchicken". Wir gaben Maximoff eine Adresse, unter der er uns schreiben sollte. Ein Arbeiter führte uns zur Eisenbahn und brachte uns unweit der Station bei einem Verwandten unter. Nach einer Weile kehrte er zurück und sagte: Kommt! Alles ist fertig. Ich habe einen guten Freund, der als Schaffner dient; er wird Euch mit einem Güterzug zu einem Knotenpunkt bringen, und wie Ihr von dort weiter kommt, wißt Ihr ja selbst". Der Güterzug stand auf einem Nebengeleise. Der Schaffner sperrte uns in einen leeren Wagen ein. ES dauerte noch lange Zeit. Ter Zug wurde rangiert. Wir saßen im Dunkel. Endlich pfiff die Lokomotive, und der Zug septe sich in Bewegung. Auf einer der Zwischenstationen wurde die Tür unseres Wagens von der anderen Seite geöffnet, und bei der Btend- laterne, die der Schaffner an der Brust trug, sahen wir, wie er uns ein großes Stück Brot und einen Krug Milch hineinschob.' Ihr habt wahrscheinlich nichts gegessen. Teilt es chnst- lich. Bald sind wir da". Die Tür wurde zugemacht, und während der Fahrt zündeten wir abwechselnd Streichhölzer an und aßen. Unsere Stimmung war nicht gerade gedrückt. Abramoff machte