wicht an die schwere Arbeit, die der Betrieb eines Omnibus aufden gewöhnlichen Straßen beansprucht. Es sind kaum vier Jahrevergangen, seit der erste Motoromnibus dieser Art in England einenregelmäßigen Dienst aufnahm, und in den letzten beiden Jahrenhat sich die Zahl dieser Fahrzeuge in London bereits auf 800 gesteigert, die etwa 185 Millionen Fahrgäste befördern und 150 bisL00 Kilometer täglich oder 50 000 bis 05 000 Kilometer jährlich zu-rücklegen. Aeußerlich sehen diese Gefährte alle ziemlich gleich aus,aber in den Einzelheiten des Mechanismus und in der Bauart desUntergestells bestehen große Unterschiede, und vorläufig läßt sich dieZeit noch nicht absehen, in der eine einheitliche Konstruktion dafürvereinbart werden wird. Die starke Benutzung der Motoromnibusselkit den Vorteil gewährt, eine große Erfahrung innerhalb kurzerZeit zusammenzubringen, ist aber auch recht kostspielig gewesen. Dadiese Erfahrungen in England älter und daher reichlicher sind alsui andnren Ländern, ist das Urteil von Beaumont wichtig, wonachdoch noch sehr eingehende Versuche seitens der Ingenieure nötigsein werden, um den Motoromnibus zu einem wirklich scharfenKonkurrenten des gewöhnlichen Omnibus zu machen, namentlichauch durch Verminderung des Gewichtes und des Verbrauches anBrennstoff und der Abnutzung.—Technisches.D i e Eroberung der Luft. Die ersten wissenschaftlichenUntersuchungen des Flugproblems, wie sie von Gelehrten der Antike,einem Abares oder Archytas, unternommen wurden, führten nurzu gewagten Spekulationen, und erst der große Pfadfinder dermoderneu Wissenschaft, Leonardo da Vinci, der in der allumfassendenGröße seines Genies so viele Resultate der späteren Forschung inkühner Intuition vorausgenommen hat, stellte experimentelle Ver-suche an mit aus Papier gefertigten Luftschrauben und zeichnete invielen seiner Notizbücher komplizierte Flugmaschinen auf, durch dieer seinen phantastischen Traum zu verwirklichen gedachte. Doch sindpraktische Versuche, die Luft zu durchmessen, die von Erfolg gekröntwurden, erst viel später, unter der Regierung Ludwigs XIV., ge-macht worden. Ein französischer Seiltänzer namens Allacdkündigte damals an, daß er in Gegenwart des Königs von derTerrasse von St. Germain nach dem Wald von Vesinct fliegenwürde. Vorher hatte er bereits sich über kleine Strecken durch dieLuft geschwungen, aber bei diesem ehrgeizigen Versuch, vor demfranzösischen Hofe seine geheime Kunst zu zeigen, hatte er seineKräfte überschätzt; er stürzte sogleich auf die Terrasse nieder underlitt sehr schwere Verletzungen. Zwanzig Jahre nach dieser miß-lungcnen Probe Allards machte sich ein französischer Schlossernamens Besnier anheischig, die Luft zu durchsegeln. Er hatte sichein paar beweglicher Flügel konstruiert, die aus zwei hölzernenStäben bestanden, die sich an den Schultern drehen konnten und mitMusselinflügeln versehen waren. Die Stofflügel konnten ausein-andcrgefaltet und zusammengeklappt werden, so daß sie sich beimZurückdrehen der Holzstäbe öffneten und beim Herausdrehen zu-sammenfaltcten. Sie waren mit Füßen und Händen wechselseitigso verbunden, daß, wenn die rechte Hand den rechten Flügelherunterdrückte, das linke Bein den linken Flügel herabzog undumgekehrt, so daß auf diese Weise die gewöhnlichen Bewegungen desGehens nachgeahmt wurden. Besnier begann seine Versuche insehr bescheidener Form. Er stellte sich zunächst auf einen Stuhlund sprang von dem ab, um sich mit seiner Vorrichtung in der Luftzu erhalten. Als ihm dies geglückt war, stieg er auf einen Tisch,dann wählte er zum Ausgangspunkt seiner Flugversuche eineFensterbank im ersten Stock. Endlich wagte er sogar sich von einerDachstube in die Luft zu erheben und segelte glücklich über dasDach eines in der Nähe gelegenen Hauses. Der Ruf seiner merk-würdigen Flügel verbreilete sich in der Umgegend; ein fahrenderMarktschreier und Zauberkünstler kaufte sie ihm ab und produziertesich damit auf den Jahrmärkten. Der stille und bescheidene Schlosserverfertigte sich ein paar neue und setzte scineVersuchefort. Es soll ihmsogar gelungen sein, von einem erhöhten Punkte auffliegend über einenziemlich breiten Fluß hinwegzukommen; aber leider sind die späterenSchicksale und Experimente dieses ersten konsequenten Ergründersdes Flugproblcms, der sich den Vogelflug zum Borbild nahm, inliefes Dunkel gehüllt. Sein erfolgreichster Nachfolger war derMarquis de Beequeville, der nach langjähriger Beschäftigung mitdem Flugproblem im Jahre 1742 ankündigte, er würde an einembestimmten Tage von seiner Pariser Wohnung aus über die Seinefliegen und sich in den Tuilerien niederlassen, also eine Entfernungvon 500 bis 000 Fuß durchmessen. Eine neugierige Menge hattesich versammelt, und der Marquis erhob sich auch wirklich mit großenFlügeln an Händen und Füßen vom Dache seines Hauses aus inden loeiten Raum. Eine kurze Strecke hindurch schien alles gut zugehen, aber bald wurden seine Bewegungen unsicher, er schwankteund taumelte hin und her und fiel dann herab, wobei er auf dasDeck einer Barke, nicht weit vom Ufer entfernt, herabkam. Erbrach bei diesem Falle ein Bein und versuchte nicht mehr, sich demUngewissen Element der Luft anzuvertrauen. Einige Jahre spätererfand der berühmte Luftschiffer Blanchard eine Flugmaschine, diemit vier großen Flügeln ausgerüstet war. Aber Blanchard übergabdieses Modell niemals der Oeffentlichkeit, da es ihm nicht gelang, dieFlügel in so rasche Bewegung zu bringen, daß sie den Wagen fort-treiben konnten. Zahlreiche Versuche mit Vorrichtungen, die sichan die Flugart der Vögel anschlössen, sind dann von 1750 bis 1350unternommen worden. Mehr durch ihren tragischen Tod, als durchibre Leistungen erregten Letur und de Groof Aufsehen. Im Jahre1803 konstruierte Charles Spencer einen Flugapparat, mit dem esihm gelang, eine kurze Strecke von 120 bis 130 Fuß in der Luft zudurchmessen. Doch die eigentliche moderne Bewegung der Flug-versuche, die jetzt so große Erfolge schon zu verzeichnen hat, beginnterst mit dem Deutschen Otto Lilienthal, der zwar bei seinen kühnenExperimenten im Jahre 1890 den Tod fand, dessen Erfahrungenaber dann von anderen ausgenutzt wurden.—Humoristisches.— Die U n t c r f u ch u n g s k o m m i s s i o n. Staatsrat Es-krokiewitsch: Ich eröffne die Sitzung. Durch den Willen Sr. Majestätsind wir zusammenbcrufen worden, um die Ursachen deS Decken-einstnrzes im Dumapalais zu ermitteln und die Schuldigen fest-zustellen.Staatsrat Ganeloieff: Wir werden untersuchen. Lassen wiraber dabei den wesentlichen Gesichtspunkt nicht außer Betracht. DieHauptsache bleibt: was werden wir liquidieren.Regierungsbaunieister Mopsenski: Das wird sich bald heraus-stellen. Vor allen Dingen müssen wir uns solid gebaute Säle an»sehen, um danach den Unterschied mit dem schlecht gebauten Duma-saal beurteilen zu können. Nehmen wir also den Adelssaal vonMoskau in Augenschein. Ein Billett nach Moskau kostet— für uns— 2000 Rubel: und da wir sechs Mitglieder sind...Staatsingenieur Kleptomanefi: Sechsmal zweitausend macht40 000, eine Null daran macht 400 000 Rubel, die werden liquidiert.Staatsrat Eskrokiewitsch: Ich bitte, in die Materie einzutreten.Der Umbau des Taurischen Palais hat 1800 000 Rubel gekostet.Diese Summe verteilt sich fotgendermaßen: Für den Vau veraus-gabt 5000 Rubel, in die Tasche des damaligen Architekten geflossen000 000 Rubel— wo ist das Uebrige geblieben?Regierungsbaumeister Mopsenski: Das klebrige ist bereits füruns selbst hypothekarisch sichergestellt worden, damit nichts Ve-lastendes ermittelt wird.Staatsrat Brigantieff: Viel zu wenig! Wenn dabei nicht mehrherausschaut, ermittele ich doch etwas I Und dann kann es den ver-brecherischen Bauleitern übel ergehen IStaatsrat Ganewieff: Das will ich meinen; die werden wo-möglich noch zur Zwangsarbeit nach Monte Carlo deportiert werden!(„Lustige Blätter.-)Notizen.— Gorkis„Nachtasyl- lvird am nächsten Sonntag vonder Truppe des Kleinen Theaters im Lessing-Theater auf-geführt.— Pepi Glöckner in Berlin. Eine Wiener Truppe imtPepi Glöckner als Soubrette wird im Juni und Juli mit Possenund Schwänken im L u st s p i e l h a u s gastieren.— Das Charlottenburger Schiller-Theater be-reitet für die kommende Woche Hebbels„Moloch- vor.Dieses gewaltige Fragment wird damit zum erstenmal zur Auf»führung gelangen. Den Beschluß des Abends bildet Heinrichv. K l e i st s Lustspiel:„Der zerbrochene Krug".— Die HI- deutsche Kunstgewerbeausstellung inDresden hat trotz regen Besuches keinen Ueberschuß zu erzrelenvermocht. Obgleich die Ausstellung über 1'/z Millionen Besucher inihren Räumen sah, sind noch 80 000 M. Kosten zu decken, die ausden regelrechten Einnahmen von 755 000 M. nicht zu bestreitenwaren. Staat und Stadt werden das Defizit aufbringen.— Neues deutsch-französisches Literatur»abkommen. An Stelle der am 19. April 1883 zwischen Deutsch-land und Frankreich abgeschlossenen Ucbereinkunft zum Schutze anWerken der Literatur und Kunst ist ein neues deutsch- französischesLiteraturabkommen durch den deutschen Botschafter und denfranzösischen Bevollmächtigten in Paris unterzeichnet worden.— Verdünnter Byzantinismus. Ein Berliner Theaterversendet folgende Notiz: Die gestrige Vorstellung beehrten die Söhnedes Fürsten Wilhelm von Hohenzollcrn, die Prinzen Friedrich Viktorund Franz Josef, mit ihrem Besuche.War nicht der Kammerdiener auch dabei und hat er nicht den:Direktor die prinzliche Zufriedenheit mit dem in der Pause gewunkenenBier ausgedrückt? U. A. w. g.— Der vernagelteRegierungsrat. In den„Münch.N. 91." erzählt jemand eine nette Anekdote vom hl. BureaukrattuS.Im Dezember des Jahres 189. mußte der Lorstand eines Amts-gerichtes wie alljährlich ein Inventarverzeichnis einsenden. Zu-fällig ergab es sich, daß ein Paket Nägel, das im Laufedes Jahres seiner Bestimmung gemäß verwendet wordenwar, selbstverständlich in diesem Verzeichnis weggelassen wurde.Ebenso selbstverständlich kam nach Ablauf der üblichen nicht allzuknappen Frist das schneidige Momtum:„Betreff: Inventar. Es istumgehend anher zu berichten, wodieNägelsind. königl.Regierungsrat." Der biedere Oberamtsrichter, der kein Freund vielerWorte lvar, schickte die Entschließung gegen seine Gewohnheit mitder nächsten Post zurück und begab sich befriedigt an seinen Stamm»tisch im Kasino. Sein Bericht lautete:.Kurzer Hand zurück.S i e s i n d v e r n a g e l t. A., k. OberamtSrichter." Welches Gesichtder Herr Regierungsrat machte, als er diese lakonische Antwort las,darüber findet sich in den Akten kein Vermerk.Verantwortl. Redakteur: Hans Weber, Berlin,— Druck u. Verlag:Vorwärts Buchdruckerei u.VcrlagZanstalt Paul Singer LrCo., Berlin LW,