291 Nach Comstocks Arbeiten ist die Geschwindigkeit der Sonne be- züglich der von ihm benutzten Sterne eine andere als bezüglich der helleren Sterne. Sie wird aber dieselbe, wenn man die Entfernung der schwachen Sterne um V» kleiner annimmt, als sie sich nach Kapteyns Berechnungsverfahren herausstellt. Nach ComstockS Unter­suchungen ergibt sich folgendes: Lichtgröße Ln IM Jahren gahl.�fermmg h« bewegen sich in Lichhahren Oer utßrnc htpfp Ctcntc nnr, ima 8,3 0.3 10,5 11,5 diese Sterne 3,45" 3,15' 2,99- 2,63' 35 43 46 20 Von uns 519 654 778 990 Wie man sieht, handelt es sich um schwächere Sterne, die man mit dem bloßen Auge garnicht mehr sieht. Auf letztere Weise kann man in unseren Breiten zur Not noch Sterne 6. Größe erkennen. Die Eigenbewegungen find ziemlich stark verschieden. Die Beträge weichen um etwa 50 Proz. von einander ab. Wenn die Sterne sich auch nur um wenige Sekunden in einem Jahrhundert bewegen (1 Bogensekunde ist ein Winkel, der den 1 296 OOOstel Teil des Kreis- umfanges einschließt), so muß man bedenken, daß die Entfernung der Sterne von uns eine riesenhafte ist. Das Licht legt in einer Sekunde eine Wegstrecke von 309 000 Kilometern zurück. Da nun ein Jahr 365. 24. 60. 60 31 536 OOOSekunden besitzt, legt das Licht in einem Jahre die Wegstrecke von 31 536 000. 300 000 9 460 800 000 000 Kilometer zurück, d. h. rund 9� Billionen Kilo­meter. Die Comstockschen Sterne 8,3. Größe sind also 4910 Billionen Kilometer, die 11,5. Größe sogar 9366 Billionen Kilometer von uns entfernt. Wenn in dieser Entfernung Körper in einem Jahrhundert 3,45 bezw. 2,63 Sekunden zurücklegen, so ergeben sich bei einer Aus- rechnung immerhin Wegstrecken von 82 083 Millionen Kilometer bezw. 119 361 Millionen Kilometer. In einer Sekunde bewegen sich also die Sterne der ersten Gruppe 26 Kilometer, die der letzten 37,8 Kilometer. Ein schwacher Stern von rund 10. Größe legt nach Comstock in einem Jahrhundert etwa 3 Bogensekunden am Himmel zurück. Eine Bergleichung der Bewegungen der Sterne in und außerhalb der Milchstraße   zeigte, daß erstere nur ungefähr halb so groß sind (2 Bogensekunden) wie dHse. Es folgt daraus, daß die schwachen Milchstraßensterne ungefähr doppelt so weit von uns entfernt sein müßten, wie die Sterne zu beiden Seiten der Milchstraße  . Dieser Schluß wird übrigens auch durch die spektroskopischen Ergebnisse gestützt. Die Untersuchungen über den Zielpunkt unserer Reise durch den Weltraum sind noch im Anfangsstadium; vor allen Dingen ist zu bemerken, daß bisher nur Sterne der uördlichen Himmelshälfte benutzt worden find, während die der südlichen Hemisphäre noch gar- nicht berücksichtigt wurden. Die Licksternwarte hat vor einigen Jahren eine Expedition nach Chile   geschickt, deren Aufgabe in der Beobachtung solcher Sterne k csteht L e. Kleines f euilleton» Theater. König l. Schauspielhaus. D i e Raben st einerin. Schauspiel in 4 Akten von Ernst von Wildenbruch  . Die Zeiten, da Wildenbruch   von den Parteigängern des aufstrebenden Naturalismus als der erfolgreiche Repräsentant eineS überlebten, künstlerische Ohnmacht und hurrapatriotische Tendenzen in sich vereinigenden Epigonentums mit Leidenschaft bekämpft wurde, sind längst vorüber. Es ist still geworden um ihn, sein Einfluß ge- brachen, aber auch jene neue Kunst, deren erste verheißungsvolle Triebe damals mit solcher Begeisterung begrüßt wurden, hat die damals geweckten Erwartungen nur zum geringsten Teile erfüllt. Ein langweiliges, farbloses, vom Geist der Zeit und jedem Geist verlassenes Mittelgut, mit dem verglichen Wildenbruchs starker aufs Theatralische gerichteter Instinkt bei aller sonitigen Skrupel- losigkeit fast noch als Kraft erscheint, füllt heute oie Premieren. Spuren dieses spezifischen Theatersinns zeigt auch Wildenbruchs neuestes Raubritter-Stück, das freilich in der Naivität der Psycho- logie und Motivierung noch alle seine früheren Dramen bei weitem übertrifft. Wenn man das Ganze sich vom Schluß her noch einmal vergegenwärtigt, nimmt sich die Geschichte wie eine jener sattsam bekannten, mit möglichst krassen Abenteuern und Edelmut bis oben vollgespicktenErzählungen für die reifere Jugend- aus. Bartolome, ein Jüngling aus dem reichen Kaufmannsgeschlecht der Augsburger Welser, der in musterhaft hochherziger Kolonial» begeisterung keinen sehnlicheren Wunsch hegt, als in die von seinem Pater erworbenen Venezuela  -Gebiete zu reisen und die wider- spänstigen Eingeborenen niederzuwerfen, wird von dem kühnen Rabensteiner Schnapphahn überfallen und ausgeraubt. Der Strauchritter büßt dabei selbst das Leben ein; und seine Tochte, hochsinnig wie der Jüngling, läßt den Verwundeten von ihren Knechten in die väterliche Burg tragen. Er schlägt die Augen für wenige Minuten auf und das genügt den jungen Leuten, sich wechselweise gewaltig zu verlieben. Jedoch das Glück ist kurz, denn alsobald erscheint ein schnödes Kaufmannsfräulein mit Gefolge. Barwlomes Verlobte, und läßt den Ohnmachtigen auS der ver- däcbtigen Umgebung fortbringen. Im zweiten Mt, der bei den Welsern spielt und in der Gegenüberstellung von Vater und Sohn einige wohlgelungene Szenen bringt, verspricht der junge Mann, das Raubnest zu erobern. Die Rabensteinerin bringt in eigener Person den beim Ucberfall geraubten Schmuck dem Eigentümer zurück, wird von dem schnöden Kaufmannsfräulein schnöd beleidigt und von Bartolome ritterlichst geschützt. Sie kehrt in ihre Burg zurück, um an der Spitze ihrer treuen Mannen der Belagerung Trotz zu bieten. Die Söldner dringen ein; doch ehe das Burg- ftäulein gefangen wird, schießt sie mit ihres Vaters Armbrust die verhaßte Feindin nieder. Ihr Haupt ist dem Beil verfallen. In festlichem Gepränge harrt das Volk der Exekution; mit ver- bundenen Augen nimmt das Mädchen auf dem Stuhle Platz, die Frage wird an die Bürgerschaft gerichtet, ob jemand für sie ein- zutreten willens sei. Bartolome zeugt für sie und rettet ihr Leben, indem er vor-der staunenden Menge erklärt, die vom Gericht Verurteilte zum Weibe zu nehmen. So gestattet es bei Wilden- bruch das Swgsburger Recht! Die treue Liebe triumphiert, und auch der Vater gibt am Ende seinen Segen. Daß das Stück die momentane Bühnenwirkung, auf die eS ausgeht, beim Publikum zum Teil erreichte, hatte der Autor vor allem den Schauspielern zu danken. Das Liebespaar wurde von Staegemann und Frau Willig jugendlich temperamentvoll» das Elternpaar von Kraußneck und Nuscha Butze   mit feiner Nüancierung dargestellt. Matkowskys hünenhafter Raben- steiner entsprach den hochgespanntesten Raubritter-Jdealen. dt. KrollscheS Theater: Gastspiel der Beerbohm Treeschen Truppe.<WaS Ihr wollt  -, Lustspiel vo> Shakefpeare.) Wochenlang vor diesem Gastspiel begann schoi der Reklameapparat mit Hochdruck zu spielen. Daß indesse, der laut voraus getrommelte ZeitungSruhm durch die Auf führungen einen Zuwachs erhalten werde, erscheint nach de» bisherigen Proben mehr als zweifelhaft. WaS ein Ter der Presse von der Eröffnungsvorstellung Shakesveares Richard II berichtete, daß dieselbe wefentlich nur als charakteristische Jllustratio» englischen Darstellungsstils ein Interesse geboten, aber dem tiefere» Gehalt des Shakefpearschen Dramas in keiner Weise gerecht ge» recht geworden sei, den gleichen Eindruck mangelnder Ver- innerlichung einer auf billige Theatereffekte ausgehenden Zu» stutzung hinterließ auch die Aufführung von.Was Ihr wollt-. Ueberreichlich war für Mufik gesorgt, sie füllte die Pausen, begleitete vielfach die Szenen und wirkte doch nur als ein fremder Zierrat, da die innere Musik des Stückes, die zarte seelenvolle Melodie der Stimmungen fast völliy stumm blieb. Der junge Herzog wurde als leidenschaftlicher Herr mit dramatischen Gesten agiert; eS fehlte völlig das Element der weich zerflossenen schwülen Sehnsucht, für die der Liebesschmerz noch eme Quelle des Genusses wird eben das, was ihm die individuelle Farbe und dem finnvoll ver» worrenen Liebesspiele der Komödie den StimmungSaustakt gibt. Auch Viola, die still bescheidene, treu und neidlos in verschwiegener Liebe AuS» harrende, verlor in der Verkörperung durch daS hochgewachfeneFrl.Tree den Duft deS Dichterischen. Miß Tree war eine etwas gedankenlos dreinschauende, zuweilen schelmisch lächelnde Viola mit einem Stich ins Drollig-Ungeschickte. Ueberhaupt schien die Regie Viola als Zugabe zu den Possenszenen anzusehen und hatte in diesem Sinne Verbesserungen angebracht: So ahmi die Dame soubrettenhaft die schlenkrigen Bewegungen MalvolioS nach, läuft bei dem Duell seiner Borzüglichkeit halber wird der Effekt sogar zweimal hintereinander auf der Bühne wiederholt in ge« gestrecktem Karriere davon, und was dergleichen Scherze mehr sind. Alles war vergröbert und verflacht. Freilich gehört die Rolle, wenn ihr Gehalt auch nur annähernd erschöpft werden soll, zu den schwie- rigsten, und vor der völligen Phyfiognomielosigkeit, mit der sie oft bei uns gespielt wird, mag die gefälschte Physiognomie, die Fräulein Tree ihr gab. immerhin den Vorzug größerer Kurzweil besitzen. DaS Spiel entwickelte auch in der Darstellung des Burlesken keine besondere Kraft. Die grellen Farben, das Behagen, mit dem die Späße doppelt unterstrichen und breitgetreten wurden, erinnerte in einzelnen Partien an Variötö- und Londoner  Musichall-Geschmack. Bon dem Narren, der in dem Stück so viel Gescheidtes plaudert, blieb nur ein tänzelnder, schellen- klingender, korpnlent-banaler Lustigmacher übrig, vessen Leistungen sich m dem hübschen Vortrag der eingestreuten Lieder erschöpften. Für die Art, wie dieselben lanciert und vom Publikum gleich GesangSeinlagen einer beliebigen Abendunterhaltung aufge- noitimen wurden, war der Applaus bei offener Bühne und die Unterbrechung des Spiels durch ein Dacapo in der Trinkszcne des zweiten Aktes charakteristisch. Die Junker Tobias und von Bleichen- wang mußten hier zur Erhöhung des Vergnügens alle mög» lichen Paradestücke sinnloser Betrunkenheit zum besten geben. Zum Abschluß dieses Auftrittes läßt die Regie. da Shakespeare   offenbar der Nachhülfe bedarf, dann noch den Narren als Gespenst mit weißem Laken, und als allerletzten Trumpf den hageren Malvolio im wallenden Nachthemd, den blanken Degen in der Faust, erscheinen. Beerbohm Tree in der Gestalt des pedantischen, hoffnungslos in sich verliebten Hofmeisterlaffen brillierte mit einer Fülle sorgiamst ausgefeilter Pointen, deren Komik aber durch die allzu deutlich hindurchscheinende Berechnung entschieden starke Einbuße erlitt. ES war ein witziger Einfall, daß bei seinem Verschwinden von der Bühne das Orchester wiederholentlich ein« heroisch gravitätische Musik zu intonieren hatte, die den wippenden