Eigentlich könnten Sie mir auch einen Gefallen tun, und mir sagen, wozu solche Scheren gebraucht werden?" Der elegante Herr lachte laut auf, aber er schien auf diese Frage schon vor. bereitet zu sein, sie wenigstens erwartet zu haben. Kommen Sie", sagte er,damit wir in der Garderobe nicht in das große Gedränge geschoben werden; ich will eS Ihnen unten verraten, obwohl das eigentlich niein Geschäftsgeheimnis ist." In der Nähe des Ausganges zog er den biederen Alten in einen Torweg, neigte sich vertraulich zu ihm nieder und sagte ihm ins Ohr:Zur feinen Gaunereil" Noch ein herzliches Lachen, ein freundschaftlicher Händedruck--- fort war er. Der Jnstrumentenmacher war im ersten Augenblicke verdutzt, dann amüsierte er sich über den neuen Witz seines Spaßmachers und ging langsam dem Bahnhof Friedrichstraße zu. Unterwegs sann er noch darüber nach, ob es Scherz oder Ernst gewesen sein könnte. Sein Grübeln fand nur zu bald seinen Abschluß, denn wie er am Bahnhof die Zeit feststellen wollte, waren Uhr und Kette fort, dicht am Haken mit seinem eigenen Fabrikatelegant Abgeschnitten". Theater. Kammerspiele de? Deutschen Theaters:Agla» vatne und Selhfette", Trauerspiel in fünf Akten von Maurice Maeterlinck . Der Bersuch, dies Trauerspiel, eines der älteren Dramen Maeterlincks, auf der Bühne lebendig zu machen. mißlang. Die Grundstimmung, aus der das Werk geschaffen, ent- wickelt sich im szenischen Gefüge nicht zu einer gegliederten Mannig. faltigkeit, die reich genug wäre, um Sinn und Phantafie der Zu- schauer den langen Zeitraum eine« Theaterabends hindurch in un. gebrochenem Banne festzuhalten. Der Seelenzustand der Personen offenbart sich hüllenlos schon in den ersten Austritten und er. hält im Fortgang kaum irgend welche neue unerwartete Beleuchtung. Und die Handlung soweit von einer solchen überhaupt gesprochen werden kann der Opfertod SelhsetteS, schwächt den reinen Sin- druck, den die Darstellung der Gesinnungen erzeugte, eher ab, als daß fie ihn erhöhte. In die Intimität des Ganzen kommt dadurch etwas AeußerluheS, Theaterhanes hinein. Es fehlt der Tat nicht nur die psychologisch zwingende Mottvierung, der Anschein unentrinnbarer Notwendigkeit, sie wirst auch pathologisch. Die Zu« mutung, sie al» Symbol de« höchsten SeelenauffchwungS hingeben- der Gute zu bewundern, verletzt da» unbestochen« Gefühl. Dem Maeterlinckschen Bühnenstil entsprechend find die Personen auf einen einzigen Empfindungston gestimmt, abgetrennt von jeder Beziehung zu einer konkret bestimmten Außenwelt und den viel« fälttgen Trieben und Interessen, die fich in dem Kontatt mit einer solchen entfalten müssen. Auf das Verborgene, daS unberührt vom Lärm und Treiben des TageS im Grunde der Menschenseelen ruht. heftet sich so sein Blick; in schwebenden Visionen will er daran mahnen. Er dichtet Träume Träume einer unbesttmmten bangen SchicksalSfurcht und Träume der Sehnsucht. Die beiden Frauen. nach denen sich dies Drama nennt, sind Bilder einer Liebe, die fich von jedem Erdenreste eigensüchtigen Begehrens, jedem Herrscher- willen loszulösen strebt. Gestalten, die zeitlose Sehnsucht, nicht das Leben formte. In einem märchenhasten Schloß am Meere haben Meieander und die kleine Selysette glückliche Ehejahre verlebt. Doch jenen höchsten Einklang, den er einst, als Aglavaine ihm begegnete, empfunden, glaubt er in allem Glück nicht gefunden zu haben. Be- geistert rühmt er vor seiner Frau die Fremde. Ihr Besuch im Schlosse würde sein Herz verjüngen, ihn alles Gute, Sely- seitens eigenen Wert mit neuer Kraft empfinden lassen. Sie ahnt ihr Schicksal. daß fie ihn verlieren wird. fie sieht, wie der Gatte magisch angezogen von Aglavaines strahlender Schönheit ihr entgleitet. Unendlich leidet fie und duldet dennoch keine Regung dumpfen Grolls. Aglavaine durchschaut den Schmerz der Armen. So fest sie sich im Innersten an Meleander gebunden fühlt, fie will ihr Glück nicht mit dem Elend eines andere» Wesens erkaufen. Ihr Wahrheitssiiin zerreißt die trügerischen Illusionen MeleanderS, der wähnt, sie lieben und zngleich auch Selysette im Herzen Treue halten zu können. Ein Wettstreit des Edelmuts hebt an: Aglavaine will, um Selysette von ihrem Gram zu heilen, das Schloß verlassen. Selysette aber dünkt e» Frevel, wenn sie, der nur ein Zufall das Vorrecht gab, dem Bunde, in dem fich MeleanderS und Aglavaines Wesen erst zu höchster Harmonie entfalten würde, hemmend im Wege stünde. Sie könnte von dem Manne scheiden, aber dieser, der nächste und natürlichste Gedanke, taucht in ihrem Köpfchen gar nicht auf. Sie möchte sterben sterben, nur damit für jene die Bahn zum Glücke frei sei, und niemals sollen sie er- fahren, daß ihr Tod ein Opfer war. Sie heißt ihr Schwesterchen mit ihr den hohen Turm am Meere zu ersteigen, beugt fich unter dem Vorwande, für die Kleine einen bunten Vogel zu erhaschen, über die Brüstung und stürzt sich in die Tiefe. Weinend beschtvörcn die Liebenden fie auf dem Totenbett, die Wahrheit zu sagen, aber standhast verbirgt fie ihr Geheimnis. Die Jnszemerung hatte sich der Eigenart des Werkes sehr glück- stch angepaßt. Gertrud Eysoldt in der Figur der kleinen Selysette wie Else Heim« als Aglavaine hatten, so wenig sie restlos in die Maeterlinckschen Gestalten aufgingen, in ihrem Spiel doch außerordentlich eindrucksvolle Momente. Diskret gab K a y ß l e r die schwierige Rolle des Mannes, vortrefflich Hedwig Mangel die der Großmutter, die ihr altes Herz an SelysetteS Liebe wärmt. Musik. »Das kaiserliche Volks! iederbuch." G. Göhler bespricht das auf Anregung des Kaisers herausgegebene Volks- liederbuch, über das hier in Nr. 74 von einem Fachmanne referiert wurde, im zweiten Aprilhefte des Kunstwarts. Einige Stellen daraus mögen zur Ergänzung unseres Artikels wiedergegeben werden. Als vor einigen Jahren der deutsche Kaiser in Frankfurt diö Rede über den Männergesang gehalten hatte schreibt Göhler war es notwendig, auf die verschiedenen grundsätzlichen Irrtümer in dieser Rede und auf die mit vielem Gepränge inszenierten Weste singen mit einigen deutlichen Worten einzugehen. Im Prinzip waren sich wohl alle Musiker, soweit sie sich nicht zum bestellten Apparat gehörig und darum gebunden im Urteilen fühlten, darüber einig, daß der Kaiser als auf diesem Gebiete nicht genügend unter» richteter Dilettant durch die kategorischen Urteile seiner Rede hier ziemlichen Schaden stiften könnte, wenn nicht durch die sachliche Be- Handlung der Frage von feiten maßgebender Fachleute vorgebeugt würde. ES ist zum Glück auch bei dieser Rede gegangen, wie bei so und so vielen anderen. Zunächst gabs den üblichen Widerhall und dann ging die Welt ihren Lauf weiter, wie fies auch ohne Reden und Ansprachen getan hätte. Nur ein Satz hatte eine positive Folge, wenn auch eine andere als zu erwarten war. Der Kaiser wünschte statt der komplizierten Kunstgesänge Pflege des Volksliedes. Es mußte ihm darauf entgegnet werden, daß di- deutschen Männerchöre bereits ohne seine Anregung das Volkslied sehr pflegten, daß er aber Volkslieder nicht bei einem Preissingen zu hören bekommen könne. wieS auf seine Anregung hin inszeniert wurde. Trotzdem: der Kaiser wollte eine Volksliedersammlung für Männerchöre veranstalten laffe«, um dem Bedürfnis ab- zuhelfen, da» er vorhanden glaubte. Auch darauf mußte negativ geantwortet werden, denn Bolksliederfammlungen habe« die deutschen Männeraesangvereine in Menge. Räch dem ganzen Zu, sammenhange. in dem die kaiserliche Ankündigung erfolgte, mußte man annehmen, daß eine neue, bedeutende Leistung nicht zu er» warten wäre. Nun geschah aber daS beioffiziellen Bemühungen" um die Kunst leider Seltene und Ueberraschende. daß zur Ver« wirklichung des Gedankens die fähigsten Köpfe gefunden wurden« und daß die intensive Arbeit dieser Köpfe tatsächlich etwas schuf« über da» man im ernsthaftesten Tone reden kann und muß." Ueber die Tantiemensucht der zur Genossenschaft deutscher Tonsetzer gehörigen Komponisten, die auch diesesGeschenk" an das deutsche Volk benutzen, um für jede Aufführung ihrer Be, arbeitungen Tantiemen zu beanspruchen, urteilt Göhler zutreffend� Daß die deutschen Tonsetzer nicht» darin finden, ihren Geschäft», finn auch bei diesemGeschenk an daS deutsche Volk" skrupellos zu betätigen und sich für ihre Bearbeitungen nationalen Gemein» gute» Steuergroschen bezahlen zu lassen, hätte ich nicht für möglich gehalten. Jetzt verdient Herr Professor Wolfrum Tantiemen, weil erEin feste Burg " für Männerchöre gesetzt hat, und Herr Pro, fessor Berger, weil er dem alten KommcrsliedBekränzt mit Laub" drei neue Unterstimmen angezogen hat. Ich möchte wissen, was unsere alten Herren Beethoven , Schubert, Mozart , Liszt in ihrem Himmel sagen, wenn sie diese neue Form deutschen Idealismus blühen sehen. Aber in den Himmel hinauf wächst der Idealismus ja nicht, und so find wenigsten» fie sicher vor ihm!" Archäologisches. Eine babylonische Bibliothek. Die archäologische Expedition, die von der Universität von Pennshlvanien zur Ent- deckung von Keilinschriften auSgesandt worden war, hat au» dem Staub der Jahrhunderte eine« der interessantesten alten Archive gerettet, die wohl je den Trümmern einer alten Stadt entrissen worden find. Es ist das eineBibliothek", die auf der Stätte desl alten Nippur aufgefunden wurde. Nippur war etwa 14 Jahr- hunderte v. Chr. diejenige Stadt de» babylonischen Königreiches, die die höchste Zivilisation und den größten Unternehmungsgeist zeigte. Während dieser Periode ihrer Blütezeit ist Nippur der Ort des Altertums gewesen, in dem sich das reichste geschäftliche Leben entfaltete. Unter den prächtigen Gebäuden, die die Stadl zierten, befand sich ein weitberühmter- Tempel und eine Tempel- schule, in deren Archiven Dokumente aller Art aufbewahrt wurden. Tiefe Bebliothek des Tempels ist nun von den amerikanischen Ge- lehrten wiederentdeckt worden und in etwa 25 000 Tontäfelche, ans Licht gebracht. Die Tontäfelchen wurden in vorzüglich er- haltenem Zustande, eine gegen die andere gelegt, aufgefunden und sind nun zum Teil von dem vorzüglichen Kenner der babylonischen Keilschriften Clay entziffert worden. Gcschäftsschlaue Araber, die in den Ruinenstätten von Nippur wertvolle Altertümer witterten und die Arbeiten der Expeditton mit Aufmerksamkeit verfolgt hatten, haben zwar eine Anzahl von Täfelchen bei Seite geschafft und nach New Uork verkauft, aber Clay hat auch diese zur Einsicht erhalten und so ein ziemlich lückenloses Bild au» dem Inhalt dieser schwer zu lesenden Keilinschriften gewonnen. Die meisten von ihnen enthalten geschäftliche Mitteilungen, Rechnungen und Aufstellungen aller Art, wie sie von den Priestern des Tempels bei der Erledigung ihrer mannigfaltigen Geschäfte aufgeschrieben wurden. Der Tempel war nämlich nicht nur der religiöse, sondern auch der soziale Mittelpunkt dieser alten Stadt, zugleich Gericht und Marktplatz. Zur Entscheidung von Streitigkctten wurde der Gott angerufen und aller Austausch von Waren, aller Verkehr ging durch die Hände der Priester. Da» reiche Gut de» Gottes