Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 76.
裝
Freitag, den 19. April.
" Der Einzige und feine Liebe.
Von Timm Kröger,
1.
1907
( Nachdrud verboten.) waren ohnmächtige Neider seines Glücks. Die tapfere Schneiderschere, die den dicksten Stoff mit ihrer Stahlschwere spielend überwand, bedeutete die über den Frieden I feiner Liebe wachende Bulldogge. Wenn er den glühenden Bolzen ins Bügeleisen tat und die glatte Stahlfläche auf der Türschwelle abstrich, dann hörte ers deutlich heraus:" Dir flammt ein Herz im Brustkorb. Aber auch ich habe ein rotes, ein heißes Herz."
Wenn man verliebt ist eine Mondschein fonate.
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Wenn man verliebt ist. Reimer Stieper war es und war als Schneidergesell kaum vier Wochen bei Meister Eggert in Arbeit, und acht Tage schon war er verlobt.
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Sie war des Kätners Harder Rickers Tochter und hieß Katrien oder Tine und wohnte gleich an Meister Eggerts Garten unter einem niedrigen Dach, die Tür hinter stark verholzten Johannisbeerbüschen. Als dreizehnjähriger Junge hatte er sie gesehen( sie war damals ein sehr kleines und sehr lustiges Mädchen gewesen), als eben freigesprochener junger Gefelle hatte er sie wiedergetroffen und die Bekanntschaft erneuert. Frau Meister hatte einen Topf mit Honig zu Harders hinüberschicken wollen, und er hatte den Topf hinübergetragen. Den Topf und sein Herz hatte er in der Rauchkate zurückgelassen, aber Lines Liebe hatte er mit genommen. Vor dem altsächsischen Schwibbogenherd und vor der dampfenden Waschbütte( Tine war gerade beim Telleraufwaschen gewesen) war es zur Aussprache und dazu, was dann zu folgen pflegt, gekommen, und Harder hatte gern eingewilligt. Als verlobter Bräutigam war Reimer an ihrer Seite durch die Johannisbeerbüsche nach seines Meisters Hause zurückgekehrt, seine Braut vorzustellen.
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Hest ver Morn of all n Brüdigam sehn?" hatte er feinen Mitgesellen gefragt.
Er hatte auf ein verwundertes Gesicht und auf ein rundes Nein gehofft, und dann hatte er sich aufrichten und auf die lachende Eine zeigen und sagen wollen:
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Denn fühst nu en, un en Brud dorto!" Aber da hatte er nicht mit der mürrischen Schweigsamfeit seines Schneider- und Stubenkollegen gerechnet. Dieser, -Ernst war ja wahl sein Name- gehörte zu den Unglück lichen, die ohne Humor in der Welt herumgnucksen". Er war geboren worden zu einer Stunde, wo die gute Frau, die doch jeden, wen sie nur gewahr wird, in ihren Losbeutel greifen läßt, aus dem der eine mehr, der andere weniger, aber alle etwas erhalten, wo also die den Humor im Sad habende Fee schlief Ernst war ganz leer ausgegangen. Er hatte, als Reimer mit Katrien Riders ankam( beide strahlend wie junger Tag), als Reimer so wunderlich fragte, gar nichts gemerkt. Es ist nicht einmal sicher, ob er Katrien überhaupt gesehen hat. Er hatte auch keine Zeit, Rätsel zu lösen. Er framte in feiner Lade und blieb dabei und knurrte:„ Hew keen Brüdigam sehn, un is mi ok all ganz endohnt." Reimer Stieper lachte, und Katrien lachte mit. Sie ließen den Misanthropen framen, Reimer Stieper war glücklich. Was schierte ihn die Welt?
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Alles deutete sich ihm als Bestätigung seiner Liebe, und besonders geschah das bei den Dingen, die zu der blonden Kätnerstochter Tine Rickers in Beziehung standen.
Auf dem Apfelgarten nach Harder Rickers hin, namentlich aber auf der großen Johannisbeerhede, lag je und je ein merkwürdiger Glanz. Dem Schneider ging es mit diesen Dingen, wie den Leuten mit Reimer Stieper. Bisher hatte er sie für gewöhnliche Büsche gehalten, nun aber sah er, daß es ganz außergewöhnliche waren. Stand nun gar der Vollmond am Himmel, und saß Reimer Stieper tabakrauchend ( der Tabakverbrauch steigert sich bekanntlich mit der Liebe), saß er dann auf der Gartenbank an des Meisters Hauswand, dann war er ein Märchenprinz und hielt Wechselreden mit dem Mond, mit dem schwarzen Strohdach von Harder, mit dem Luftzug, der ganz sachte von Nachbar Thöm her über die Blanke kam, dann sprach er auch mit der Johannisbeerhecke, die sein Liebstes und das Tor, das zu seinem Schatz führte, bewachte.
Heute abend zumal war alles ganz närrisch vor Liebe und Glück. Der Mond kam schräg über Harder Nickers Katenfirst. Hans sah wohl das Storchnest, worin die Storchenmutter so füß schlief, aber er bekümmerte sich nicht darum. Er bekümmerte sich auch nicht um den Storchenvater, der nicht im Nest war, sondern in Gedanken verloren daneben stand. Der Storch war nämlich ein Philosoph und nebenbei etwas mondsüchtig.
Der Mond sah auf die Johannisbeeren nieder, ließ sie aber, nur die Spigen beleuchtend, im Schatten. - Er sagte wenig, aber die alten Büsche waren redselig. Von ihrem Unwert als Gartenbüsche überzeugt und doch stolz wie Lakaien. Als die Augen des glücklichen Schneiders über sie hingingen, fingen sie an:
Wir sind zwar ganz gewöhnliche Sträucher", sagten sie, and tragen tun wir auch nicht mehr, und wenn der Wind vom Nachbar kommt, machen wir surr! furr! aber was uns zu idealen Büschen macht, das ist.... Nun, Reimer, du weißt es, dich gehts an."... Sie wiegten vielsagend ihre Köpfe.
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So eine Ruhmrederei konnte denn die alte Rate nicht bertragen. Sie war bejahrt, aber erfahren, und ihr Dachstuhl war leer, der Widerklang darum hohl und dumpf und ihr Baß tief, als sie einfiel:
,, Reden wie Feenwächter und steht bloß vor ihrer Tür. Aber ich.... ich hab sie selbst... sie, die Dein Herz erfüllt. Ich hege und habe sie in meinem Schoß, in weichen, warmen Kissen. Der schöne Kopf mit dem gelben Haar ruht in Im Dorf war man wohl gewohnt, daß„ Bräutigame" runder Armbeugung der Rechten. Und die Linke eine Oktave höher sprechen und singen als vor ihrer Ver- die ruht auch irgendwo, wo es warm und weich ist." lobung. Aber daß jemand nur, weil ein Mädchen mit gelben Reimer flopfte seine Pfeife aus und lachte und seufzte. Haaren, blauem Drillichspenzer und weiter Latschürze ge- Er seufzte vor Sehnsucht und lachte wieder. Worüber lachte gesagt hat, seine Frau zu werden, plötzlich ein ganz anderer er denn? wird, das kannte man nicht.
Aber es war so. Bis dahin ein schüchterner, stiller, Junge mit dunklem Kraushaar und braunen, fragenden Augen, einer, der gar keine Idee hatte, was alles die gute Fee, von der ich sprach, ihm beschert, war er jetzt Herr seiner selbst geworden, war ein reicher und beredter Pharao, der fieben und abermals sieben Jahre lang alles, was an ihm borübergegangen war, in die Vorratskammern seines Gedächtnisses eingescheuert hatte, nun aber nicht wußte, wo er mit all seinem Reichtum bleiben sollte, und darum allen, die durch die Wüste zu ihm famen, den Sack füllte.
Reimer Stieper war glücklich.
Es kam ihm so komisch vor, was die sich zurecht redeten. Nicht, daß sie redeten und was sie redeten, es war lauter Wahrheit.... Nein, darüber mußte er lachen, daß er so ein Märchenprinz war. Ein Einsamer war er gewesen, den niemand verstanden, ein Wunderlicher, den keiner für voll genommen, ein Ritter von der Nadel, ein Verspotteter und Berachteter, der bei sich selbst in zweifelhaftem Ansehen stand. Und nun diese Wandlung! Hinter den Büschen, unter dem schwarzen Dach schlief ein Dirnchen im Bett, und das, es war zu komisch, es war wirklich zum Lachen, wollte ihm angehören, ihm für immer zugehören.
Wie sie wohl darauf gekommen war? Das war's, was er sich nicht zu deuten wußte.
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Alles, was ihn umgab, gewann Leben. Die stille Schneiderstube war ihm Vorhof zur Seligkeit. In den Es fiel ihm ein, danach hatte er nie gefragt. Wie scharfen Mundwinkeln seines alternden Meisters sah er für lustig müßte es sein, es aus ihrem Munde zu hören! Wenn und für das Lächeln eines gütigen Gönners. Die spigen, er gleich hinginge. Es war allerdings spät, sie würde böse eckigen Ellenbogen des hoffnungslos schweigsamen Gesellen sein, daß er sie wecke, aber er wollte es doch tun. Sie schlief