fein und hübsch und sauber ist sie-- das muß man ihrlassen.-- Aber sie hat auch was anderes nötig als einenSchneider, der noch nicht gewandert hat, dem noch manchesJahr dahinläuft, bevor er Meister wird, wenn er es über-Haupt wird. Tu siehst, ich sage, wie meine Meinung ist, ichrede Leuten nicht nach dem Bart. Das macht, ich meine esgut mit Dir, Reimer."Nun fing auch Reimer, der bisher platt gesprochen,plötzlich an, hochdeutsch zu reden. Er kaute die Worte wieGummi, aber es ging ganz gut.„Ich will annehmen, Jochen, daß Du's gut meinst. Aberes ist nun mal so: Tine und ich gehören zusammen."„Tine und ich gehören zusammen," machte Jochen nach.,, Papperlapapp I Du kennst mich, Reimer," fuhr er fort,„ich heiße Jochen Riese. Und wenn Jochen Riese sagt: Esist so, dann ist es auch so. Und ich sage: Such Dir eineandere Braut, die etwas mitbringt I Ich denke mir ungefährso, wie bei Meister Eggert, aber bei einem, der„reinesFolium hat". Es ist eine gutgehende Werkstatt, meinetwegenvier, sechs, acht Gesellen. Und der Meister möchte sich zurRuhe setzen und hat eine Tochter.-- Und die Tochter isthübsch und nett-- ich sehe gar nicht ein, warum sie nichthübsch und nett sein sollte.-- Na— und das andere machtsich dann von selbst."„Jochen," sagte Reimer,„Du machst Spaß!" Sein Ge-sicht war finster.„Tat kanns ni in Eernst meen," fügte erWütend hinzu.Jochen Riefe sah ihn verwundert an. So hatte er ihnnoch nicht gesehen, das Reimerchen sah ja beinahe gefährlichaus. Der Junge hatte sich entwickelt, oder Tine Rickers saßihm tiefer, als er gedacht hatte. Das sprühte ja ordentlichaus den braunen Augen.Jochen wurde just nicht verlegen, aber er besann sichdoch und ging behutsam vor.„Das war natürlich nur Spaß," erwiderte er und fingwieder an zu knipsen.„So darfst Du es selbstverständlichnicht machen. Ich meine nur so, ob Ihr es auch ordentlichüberlegt Hab. Laßt ein Jahr oder zwei ins Land gehen undseht, wie Ihr die Sache auffaßt. Oder laßt es, wie es ist.Ich denke ja nur an Dein Bestes."Der Wagen kam in langsame Bewegung. Jochen reichteseinem Schulkameraden die Rechte.„Leb also wohl, Reimer! Nichts für ungut. Viel Glück«auf die Wanderschaft! Du wirst viel erleben, halt Deinehlten Freunde in gutem Andenken und komm gesund zurück."Die Tine hat ihn begleitet, dachte Jochen. Ich will sieeinholen und auf den Wagen nehmen. Er lockerte die Zügelund ließ den Rattenschwanz über den Köpfen seiner Rossepfeifen.Tine war wirklich noch in dem Dorf, wo sie mit Reimereingekehrt war, als Jochens Wagen über die holperige Straßedaherstieß und knatterte. Sie erkannte ihn von weitem. Einfeiner Instinkt veranlaßte sie, ihm aus dem Weg zu gehen.Sie trat bei dem Höker Sievers in den Laden und stand nochvor der Tonbank, und Sievers wog noch immer das PfundPflaumen ab, als Jochen breit und behäbig vorüberrasselte.lFortsetzung folgt.)k)enry fielämg.(Geb. 22. April 1707; gest. 1754.)VonM. Beer- London.Der englische Romandichter und Dramatiker Henry Fielding,dessen 200. Geburtstag den Anlaß zu diesen Zeilen gibt, hat bei denbesten seiner Zeitgenossen und Nachfolgern ein Maß von Begeisterungerweckt, das man heute nur mit Mühe erklären kamt. Seine Dramensind schon längst der Vergessenheit anheimgefallen und seine Romane„Joseph Andrews",„Tom Jones" und„Amelia" werden nur nochaus literarischem Interesse gelesen. Byron nannte Fielding den„prosaschreibenden Homer der menschlichen Natur"; Scott verehrte ihnals den Vater des englischen Romans, und Gibbon, der Historikerdes römischen Reiches, brach in eine Lobesbymne aus, dieaar nicht übertroffeu werden kann,„linser unsterblicher Fielding",sagt Gibbon,„gehörte der jüngeren Linie der Grafen von Denbighan, die dem Hause Habsburg entstammen. Die Schicksale des eng-lischen und deutschen Zweiges der Familie Habsburg lvarcn sehrverschieden... Dem deutschen Zloeige entsprossen Kaiser vonDeutschland und Könige von Spanien.... Die NachfolgerKarls des Fünften mögen auf ihre englischen Neffen mirVerachtung blicken, aber der Roman von„Tom Jones", diesestreffliche Gemälde von Charakteren und Sitten, wird nochleben, weim das Escorial und die österreichischen Adler verschwundensein werden." Aus diesen stolzen Worten spricht der Geistdes achtzehnten Jahrhunderts, der gesunde, optimisttsche Geistdes revolutionären Bürgertums mit seiner Achtung vor tüchtigerArbeit, seiner humanitären Moral, seinem Streben nach Freiheit undseinem Glauben an die menschliche Natur.Und in diesem Geiste findet sich auch die Lösung der Fielding-Begeisterung. Die Romane Fieldings haben nicht wegen ihrerSchilderung von Charakteren und Sitten, nicht wegen ihrer Ge-mälde der nienschlichen Natur, sondern wegen ihres stolzen,humanitären Geistes, wegen ihrer Erfassung der Grundgedanken des18. Jahrhunderts Begeisterung erweckt. R i ch a r d s o n, der un-mittelbare literarische Vorgänger und Zeitgenoffe Fieldings, warkleinbürgerlich sentimental und von engherziger, berechnender Moral,die die großen Leidenschaften einer aufsteigenden Klasse nicht kannte.Smollet, der unmittelbare Nachfolger Fieldings, war grobkörnigund epigonenhaft. Fielding allein hat zu jener Zeit die freie,menschliche Moral des 18. Jahrhunderts, das beste der Auf-kläningszeit ersaßt und in einfacher, Iräfttger Sprache, mit weit«männischem Humor und mit vielem Wissen und Können in seinenRomanen dargestellt.Henry Fieldings Vater war General, der seinem Sohne einestandesgemäße Erziehung in Eton und Lehden gab. aber ihm sonstmit Geld nicht beistehen konnte. Und Henry war lebenslustig, kern«gesund, witzig und neigte zum Bohsmien. In Geldnöten war ersein ganzes Leben hindurch, mochten ihm seine Arbeiten und späterfem Richteramt noch so große Einnahmen bringen. In Frankreichgeboren, wäre er zum Enzyklopädisten geworden. Mit 22 Jahrenbegann er für die Bühne zu schreiben, bis ihm Rcgierungs«maßnahmen das Dramatifieren verleideten. In einigen seinerSchauspiele:„Don Quichotte",„Posquin" und„HistorialRegister' geißelte er die politische Korruption der Re-gierung, den öffentlichen Stimmenkauf bei Parlainentswahlenden heuchlerischen, knechtischen Sinn der Geistlichkeit und der Un-wissenheit und der Bestechlichkeit der Richter. Seine Dramen habenviel dazu beigettagen, daß Sir Robert Walpole, der korrumpierendeSchatzkanzler Englands, im Jahre 1737 ein Gesetz annehmen ließ,wonach die Zahl der Schauspielhäuser beschränkt und die Theaterzensur verschärft wurde. Dieses Gesetz machte der dramatischenLaufbahn Fieldings ein Ende. Vom Jahre 1737 bis 1740 setzte erseine Rechtsstudien fort, die er in Lehden begonnen hatte, und warauch journalistisch tättg. Aber im Jahre 1740 wurde er durch einmerkwürdiges Ereignis auf die Bahn des Romandichters geworfen.In jenen, Jahre erschien nämlich Richardsons„Pamela", einsentimentaler Roman in Briefform, der einen ungeheueren Erfolgerzielte. Richardson war ein schwächlicher, nervöser Buchdrucker, deroft für Dienstmädchen Liebesbriefe schrieb. Auf diese Weise hatteer große Erfahrungen im Liebesbriefschrciben und über das Seelen-leben anner Mädchen gesammelt. Ein Verleger, der die Nützlichkeiteines Briefstellers für das gemeine Volk erkannte, forderte Richardsonauf, einen solchen Brieffteller zu verfassen. Daraus entstand derRoman„Pamela". Dann folgten die Romane„Clarissa Harlowe"und„Sir Charles Grandison", die zu jener Zeit einen europäischenRuf genossen.— Pamela Andrews ist ein Dienstmädchen von großerSchönheit und Tugend, dem der junge Herr B., bei dessen Mutterfie dient, mit' unsittlichen Anträgen nachstellt. Pamela bleibt stand-hast, und nach vielen Lockungen und Verfolgungen siegt sieüber ihren Nachsteller, der fie, die einfache Dienerin, zur recht-mäßigen Gatttn macht, um dann von ihr zu einem ehrenloertenBürger reformiert zu werden. So wurde Pamelas Tugend belohnt.Fielding, der die Welt gut kannte, brach in ein Hohnlachen überRichardson aus. Ihm war die Tugend Pamelas eine kluge Speku-lation auf einen wohlhabenden Mann. Dann war ihm Herr B.ein Booby: ein reicher Gimpel. Fielding sah oft das Laster aufdem Throne und die Tugend in bitterer Armut. Ihm war dieTugend an sich erstrebenswert und bedurfte keines äußerlichenLohnes. Als Antwort auf„Pamela" schrieb er seinen„J o s e p h A n d r e w s". Joseph, scheinbar ein Bruder Pamelas,ist Diener in einem herrschaftlichen Hause, wo ihm dieDame, nach dem Tode ihres ManneS, nachstellt und ihm ihrekörperlichen Reize anbietet. Diese Szene ist mit einem Raturalismusgeschildert, den heute kein englischer Schrifsteller wagen würde.Joseph widersteht den Lockungen, da er von einer wirklichen Leiden-schafl für ein armes Dienstmädchen ergriffen ist, und will von derDame nichts wissen. Er wird Knall und Fall entlassen und mußauf die Wanderschaft, wo er mit Pastor AdamS zusammentrifft.Beide machen eine ganze Reihe wunderlicher Abenteuer durch, bisendlich Joseph fem Dienstmädchen heiratet. Der Hauptheld desRomans sollte Joseph sein, aber je mehr Fieldingin seiner Erzählung fortschreitet, desto mehr geht ervon der burlesken Travestie auf Richardson ab, undwird von der Nebengestatt des Pastors Adams hingerissen. InAdams verkörpert sich die Jugend, wie sie Fielding verstand. Adamsist eine der edelsten Gestalten der Ausklärungszeit— eine Gestalt,Ivie sie nur noch Lessiug hätte zeichnen können. Seine Brüder inChristo verpönen ihn. da er einen nienschenliebenden Mohammedanereinem glaubensfesten, aber tatenarnien Christen vorzieht. DerRoman atmet den Geist der Demokratie. Fielding verfehlt nie dencheinbar sündhaften, aber in Wirklichkeit grundguten Charakter desgemeinen Volkes zu zeigen und die Prüderie, die Scheinheiligkeit