und die Lüsternheit der reichen Damen und Herren zn züchtigen. Er Hatzte den niederen Adel(die Junker) und die Grotzbourgeoifie aus tiefstem Herzen. Der Roman, der mit vielem Humor und hier und da mit aus- gelassener Satire geschrieben ist, erzielte in gebildeten Kreisen einen grotzen Erfolg, der Fielding ermutigte, fich als Schriftsteller der Romandichtung zu widmen. Er wirkte gleichzeitig als Rechtsanwalt, dann als Polizeirichter, und veröffentlichte im Jahre 174S seinen .Tom Jones", der auch als Komposition mustergültig ist. Hier haben wir wieder den Gegensatz zwischen Buchstabenglauben und tätiger Menschenliebe, zwiichen Scheinheiligkeit und Geistesadel. Tom, der Held des Romans, ist beileibe kein Tugendheld im ge- wohnlichen Sinne. Er ist ein Findelkind und wächst zu einem leidenschaftlichen, aber ruhigen, edelherzigen jungen Mann herau Sein Halbbruder, der von legitimer Geburt ist, stellt den heuch- lerischen, tückischen Gentleman dar. Beide leben im Hause eines menschenfreundlichen Edelmannes, der für sie zwei geistliche Lehrer bestellt. Auch die beiden Lehrer bilden einen Gegensatz: einer ist buchstabengläubisch, rauh und hartherzig und glaubt an den Prügel« stock; der andere ist Delst, der an die ewige Gerechtigkeit und an die Zweckmäßigkeit der Welt appelliert. Tom liebt Sophie, die einzige Tochter des Junkers Western, der aber statt des illegitimen Sprößlings lieber den legitimen Halbbruder Toms zum Schwieger- söhn haben möchte. Junker Western ist der Typus des damaligen Junkertums: unwissend, trotz seines Universitätsbesuches; sein Englisch ist ungrammatikalisch; seine Unterhaltung oft zotenhaft. Seine Tochter, die mit allen Tugenden eines adligen Mädchens ausgestattet ist, gehorcht ihrem Vater in allem, was zu Kindespflichten gehört, aber was ihre eigene Person betrifft, macht sie ihre Rechte geltend. Sie zieht Tom vor, trotz alles Polterns ihres junkerlichen Vaters. Nach vielen spannenden Abenteuern, in denen das Leben des Landes und Londons   geschildert wird, führt Tom seine Sophie heim. Der Roman.Tom Jones' wurde in fast alle europäischen   Sprachen übersetzt. Er ist sehr weitläufig und enthält viele Reflexionen über Kunst und Leben, wie man sie später auch in GoethesWilhelm Meister  " findet. Fielding bildete fich an den größten Humoristen der Welt- literatur: Aristophancs, Lucian  . Cervantes  , Moliöre, Shakespeare  und Swift, besonders aber an C e r v a n t e s, der auf die englische  Literatur einen grotzen Einfluß ausgeübt hat. Sein letzter Roman, Amelia" ist eine Idealisierung seiner nach wenigen Ehe jähren verstorbenen Frau, die von ihm, wie er sich vorwarf, nicht gut genug behandelt worden war. Dieser Roman ist mit tieferem Ernst geschrieben, das Londoner   Leben ist in graueren Farben gemalt, und an manchen Stellen bricht auch eine soziale Kritik hervor gegen die Monopolisten und gegen die Richter, die das Elend der Armen verschärfen. Jedoch endigt auch dieser Roman, wie alle Romane Fieldings, mit einem glücklichen Abschluß. Denn das 18. Jahrhundert war optimistisch. Nur zwei geniale Schrift- steller jener Zeit bilden scheinbar eine Ausnahme von dieser Regel: Swift inGullivers Reisen" und Voltaire   inCandide  ". Das letzte Buch vonGullivers Reisen" ist eine unbarmherzige Satire auf die Zivilisation, und VoltairesCandide  " ist von Anfang bis zu Ende gegen den Optimismus gerichtet. Aber bei näherem Zusehen gilt dieser Pessimismus doch der christlichen Zivilisation, aber nicht dem allgen- einen Schicksale der Menschheit. Und Fielding war so durch und durch optimistisch, daß er das Laster als das Zufällige, die Tugend aber als das Wesen deS Volkscharakters betrachtete. Kleines f euilleton» Theater. Schiller-Theater N.(Ensemble-Gastspiel des Lust­spielhauses.)A m grünen Weg", ein Stück heiteres Berlin   in. 4 Akten von Heinrich Lee. Dasheitere Berlin  ", das der Theaterzettel ansagte, entpuppte fich leider als ein ziemlich langweiliges. Die Art der alten Berliner   Possen, die. wie ver- schiedene AusgrabungSversuche vor einigen Jahren zeigten, doch schon einen überraschend verstaubten Eindruck machen, wird hier getreulich, nur mit noch größerer Sparsamkeit an geistigem Auf- wand, nachgeahmt. Die Komödianten-Eitelkeiten und Abenteuer eines brüchig gewordenen Heldentenors, der seinen Größenwahn und seine gravitätischen Allüren noch im Tingeltangel dritten Ranges unerschütterlich bewahrt, könnten gewiß den Stoff zu einem lustigen Schwank von typisch lokaler Färbung geben. Tolle Ueber- treibungen hätte man sich gern gefallen lassen. Nicht, daß der Autor karikiert, daß sich die Komik des Stoffes wie der Karikatur bei ihm in einigen wenigen Wendungen erschöpft, der Mangel an lebendig poffenmätziger Erfindungskraft, der durch banale, abgc- griffene Tricks verdeckt werden soll, ist das Verdrießliche. Auch der dritte Akt, der Clou des Stückes, wo der stolze, von einer liebenden Bäckerswitwe standesamtlich eingefangene Liedersänger, die unwürdigen Fesseln der Ehe durchbrechend, zum Schauplatz seiner Triumphe, zurBierglocke", zurückkehrt, um dasVolk" durch seine Kunst zu faszinieren war in der Darstellung des Varitcs und Publikums recht arm an Einfällen, die nächsten, billigsten Effekte mußten herhalten. Am übelsten stand es um die Erfindung im Schlußakt, bei der Wiedereroberung des Aus- reißers durch die energische Gemahlin. Herr Marx war, soweit der Text eS zuließ, sehr possierlich als großer Mann; mit guten» Humor unterstützten ihn in Nebenrollen die Damen Mendt und Kuhn, Herr Beckmann und A st a H i l l e r als Budikerehe» paar, vor allem Impekoven  , der einen Stadtreisenden in Butte« und Eier, ein Muster der Beredsamkeit und Eleganz, zu repräsen, tieren hatte. Die flotte Aufführung verhalf dem Stück bei allen seiner Dürftigkeit zu einem lauten Lacherfolg. dt. Freie Volksbühne" im Neuen Schauspiel» haus. Die Vorstellung am letzten Sonntag hatte einen lite» rarischen Charakter. Es wurden drei Einakterdramen zur Auf, führung gebracht, in denen die Note der Wiener   Dichtergruppe er» klingt. Die realistische Erfassung des Lebens mit seinen gcheimnis- vollen Hintergründen und letzten Fragen bildet hier das eigentliche Symbolische. Eine vollkommene Lösung des Rätselhaften ist, weil sie sich, wie dieses, in Widersprüche verlieren würde, vermieden- Natur läßt sich des Schleiers nicht berauben. Es wird eine Melodie angeschlagen, die ohne völlige Befriedigung zu gewähren» vorzeitig abbricht. Ein tiefer Sinn liegt in dem bald heiteren, bald tragierenden Spiel mit immateriellen, geistigen wie seelischen Dingen und Zuständen. Der Dichter stellt sie zur Diskussion. Wie wir sie uns auszudenken versuchen, ist nicht seine Sache. Von Arthur Schnitzler  , dem unbestrittenen Führer des lite» rarischen Jung-Wien  , gelangte das nekromantische VersspielP a» racelsus" und das einaktige SchauspielDie letzten Masken" zur Aufführung. Das erstere hat historische Reminis» zenzen und mittelalterliches Kolorit; das zweite führt uns in die Gegenwart hinein. Ein modernkünstlerischer Novellenstoff tritt hier in dramatischer Motivbchandlung auf. Der an sonderbaren Schicksalsverkettungen zugrunde gehende Journalist Rademacher ist eine tragische Figur für sich. Sein Weg führte nicht aufwärts. damit seine dichterische Durchschnittsbegabung sich entfalte und Früchte zur Reife bringe, sondern in die jegliche Schöpferkraft erstickende Tiefe. Er, der vielleicht zu schönen Leistungen gelangt wäre, mutzte sich zum geistigen Lohnsklaven erniedrigen, während sein ehemaliger Jugendfreund Weihgast es zu Ansehen und Be- rühmtheit gebracht hat, weil ihm das Glück hold gewesen. Als Feinde sind sie einander entfremdet. Nun, da Rademacher sein Lebensende herannahen fühlt, will er dem gehaßten Rivalen noch einmal sagen, wer und was für ein lächerlicher Fant der gewesen. Aber als Weihgast ihm gegenübersitzt, als er aus seinem Munde vernimmt, daß auch der seine Kämpfe und Sorgen hatte bis zu dieser Stunde, da schweigt er und stirbt. InParacelsus" wur- den die Hauptrollen durch Anton Zimmerer(Cyprian  ), H u» bert Dietsch(Paracelsus  ) und Toni von Seiffertitz (Justine) ansprechend vertreten. Als Doktor Copus bot Fritz K l e i n k e eine gute Charaktercharge. InDie letzten Masken" gaben Albert Boree  (Schauspieler Jackwerth) und Hans Siebert(Rademacher) die besten Leistungen. Ernst Welischs KomödieDas Fest des Sankt Matern" offenbart schöne dichterische Qualitäten. Das Stück ist mit sicherem dramatischen Geschick aufgebaut und in einer ebenmäßigen, wohlklingenden Verssprache geschrieben. Es fand starken Beifall. Die Darstellung der Dichter führte persönlich die Regie war hinsichtlich des flotten Ensemblespiels vortrefflich. Anton Zimmerer verkörperte den Claus Ciriax wirkungsvoll. Unter den Vertretern der zahlreichen Nebenrollen sind Franz Höb- l i n g(Caspar Frank) und Gertrud Arnold  (Tormarie) an erster Stelle zu nennen. Fritz Kleinke(Pfarrer), A l b e r» Boree(Arzt) trugen gute Masken zur Schau. e. lc. Münchener   Theater. Im MInchener Volkstheater wurde ein neues romantisches Märchen des jungen Münchener   Autors Franz Dülberg  :Korallenkettlin" bei seiner Ur- ausführung mit lebhaftem Beifall aufgenommen. Dülberg   wirst fich darin zun: Antvalt der Dirne auf, er führt dabei nicht, wie Wede- kind, erotische, sondern soziale Faktoren ins Treffen. Sorgt dafür, daß Eure Söhne keine Dirnen mehr brauchen, faat der dirnenfreund- liche Prinz zu den Sittlichkeitsvätern der Stadt; HhrKucht ihr diese Liebesspenderinnen aber noch, so macht auch ihr Gewerbe ehrlich und achtet es. Da das Bordell nach Wedekmd und Schalow Asch jetzt bühnenfähig geworden, ist hier gleich eine ganze Gasse von Freuden- Häusern auf die Bühne gebracht. Aber gerade dieser erste Att mit dem mittelalterlichen Flamingogäßchen, wo die Mädchen mit dem gelben Brustfleck, der ihr Schandgewerbe andeutet, bei den bunten Laternen stehen, wirkt wie ein Kapitel aus einer traurigen Legende. Ein junges Ding, das zum erstenmal das Korallenkettlin trägt, da.. Symbol der käuflichen Liebe, gerät an einen alten Wollüstling und ihr liebessehnsüchtiges Herze krampst sich im Ekel zusammen. Sie wehrt fich feiner mit dem Dolch und wird zur Mörderin. Bis hier- her ist alles von dichterischer Bildkraft, was nach kommt, ist Schauer- romantik, verquickt mit neuzeitlichen Reflexionen. Kätchen soll hin- gerichtet werden, der Prinz verliebt sich in sie und macht sie frei. Die tugendhasten Bürger verlangen dennoch ihren Kopf und der Prinz mutz sich der sittlichen Forderung fügen. Vor Henker und Volk sticht sich Kittchen nach einer schönen Philippika gegen die Welt« ordnung selbst tot. Ueber Volk und König steht ain Ende das Freudenmädchen als die wahre Kronenträgenn. rn. Musik. DieFreie Volksbühne" hat sehr recht daran getan, ihren Mitgliedern wiederum einen Qpernzyklus darzubieten. An fünf Nachmittagen sollen zwei Opern von Lortzing   und je eins