Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 81.
Freitag, den 26 April.
1907
Robert Schweichel+
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Um die
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Wenn diese Zeilen unseren Lesern vor Augen treten werden,[ bon Sankt Vigil ", ,, Camilla", ist Robert Schweichel nicht mehr. Donnerstagmorgen Freiheit" obenan stehen. Just diesem seinem letzten hat das allzeit freiheitslodernde Herz des bald sechsundachtzig- Roman der den Bauernfrieg von 1525 behandelt jährigen Greises seinen letzten Schlag getan. gegenüber hat sich, wie mir Schweichel vor längeren Jahren Dwie schmerzlich, diese Trauerbotschaft verkündigen zu sagte, die Kritik fast so stumm wie Papageno verhalten, als müssen! Unsagbar schmerzlich allen, die ihm nahe gestanden, ob sie fürchtete, sich die Finger bei der Berührung zu verdie er seine Freunde nannte, denen er all seine Empfindungen brennen.... Was ich mit diesem Roman bezweckte, war: und Gedanken anvertraute. Mit denen er einst Schulter an dem Volke die Motive und Fäden des Bauernkrieges Schulter für die Sache des Voltes, für den Sieg des Sozia- deutlich darzulegen und gerade dieses scheint die Herren lismus gekämpft- Dezennien um Dezennien. verschnupft zu haben". Auf gleich hoher fünstlerischer Stufe Wenn wir Schweichels gedenken, richten mehr als sechzig stehen Schweichels poesie- und kraftvolle Volkserzählungen Jahre deutscher Zeitgeschichte vor unserem Blick sich empor. aus den westschweizer und tiroler Alpen . Vollends ins Herz Die Stürme der Julirevolution in Frankreich , der Kanonen- der Arbeiter hat er sich aber durch seine zahlreichen Geschichten donner von Warschau fielen in Schweichels Kinderjahre. Nun aus dem Not- und Kampfleben des sozialistischen Proletariats beginnt in Deutschland ein Schwelen und Gären. Die Ro- eingegraben. Er war der erste, der diesen hohen Dichtermut mantik zieht sich geängstigt zum Jahrhundertschlafe zurück. besessen hat, für unser Volt zu schreiben. Er propagiert die Das Lied der Zeit" springt in den Harnisch. Die Philo- sozialistische Idee im edelsten künstlerischen Gewande! Er hat sophie, die Dichtkunst begeben sich der abgeschlossenen Studier- dort den herrschenden Klassen unzählige Male die Heuchlerstube und diskutieren offen schwebende politische Fragen des maste vom Gesicht gerissen, ihre Götter zertrümmert und mit Tages. Es kommt der Bannfluch über das junge Deutsch - der Fackel der Wahrheit den Sumpf ihrer sittlichen Fäulnis land. Die Zensur waltet ihres verruchten Henkeramtes mit beleuchtet. Daß ihre Pressemeute seine dichterische Lebensunheimlicher Strenge. Aber unter Schutt und Asche glimmt arbeit so beharrlich als feige negierte er trug es mit der Funke des freien Geistes. Im Süden und Norden, im philosophischem Gleichmut. Denn er tannte gut die Ursachen Westen und Osten. Ja, auch hier, in Königsberg , in der für die sotane traurige Misere, an welcher ja die Literatur Stadt der freien Vernunft, wo einst Immanuel Kant gelebt und Kunst des Bürgertums frankt und tranft, bis diese mit und ewige Wahrheit gepredigt! Und dort, in den Hörsälen der letzterem zu grunde gegangen sein wird. Albertina, saß seit Beginn der vierziger Jahre Robert Schweichel , um eifrig dem Studium der Jurisprudenz obzuliegen.
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Sein höchster Hort war und blieb die sozialdemokratische Partei. Der Sozialismus war seine hehrste Weltanschauung, sein innigster Glaube, sein Nibelungenschat, seine unerschütterDamals schon lauschte er den politischen Vorträgen im lichste Zuversicht. Mit allen Fasern seines Wesens hing er Bürgerverein. Nicht lange so trat er selbst als Sprecher daran. Aller„ Opportunismus" war ihm in tiefster Seele auf. Und nicht lange so hob der Rechtskandidat die zuwider. Sein ganzes Leben hatte er für seine Ueberzeugung Streitart hoch und sprang in die offene Arena, um für die hingeopfert. Nicht eine Linie breit war er je von der Parole berloren gegangenen Rechte des Volkes zu streiten. abgewichen. Und diese Parole hieß: Vorwärts! Ms Publizisten, als feurigen Volksredner begegnen wir Vorwärts! Stets", so bekannte er mir einmal ,,, habe ihm wieder. Und als einem Stämpfer, den die Behörde mehr- ich zu denen gehört, denen Blitz und Donner eine erhebende mals hinter schwedische Gardinen" zu verstecken für heil- Freude einflößen. Es ist die über die Erlösung aus dumpfer, sam erachtete. Bergebliche Mühe! Der Funke in Schweichels stickender Schwüle." Und fürwahr, wenn ich zurückdenke an Seele war zur lodernden Flamme gewachsen:- die ver- die Jahre, in denen es mir vergönnt gewesen, Schweichels mochte keine Polizei, tein Staatsanwalt mehr zu berlöschen! persönlichen Umgang zu genießen, wenn ich nun dem VerDas„ rote Jahr" war vorübergegangen. Das un blichenen im Kreise treueſter Freunde, die ein noch weit heimliche Nachtgespenst: Reaktion umfrallte mit seinen höheres Anrecht an ihn besessen, zur Gruft folgen muß, dann gifttriefenden Tazen jedwede volksfreiheitliche Regung. Auch weiß ich, was wir alle an ihm verlieren. ihn! Erst bereitete Sie seit 1850 staatlicherseits eingeführte Mit ihm und seiner fürsorglichen Gattin einige Stunden Zeitungsfaution seiner demokratischen ,, Dorfzeitung für zu verplaudern, war allezeit ein erhebendes Gefühl. Ihm Preußen" ein gewaltsames Ende. Dann wurde zweimal seine galt die große Sache im Rate der internationalen Partei sowie Existenz( als Feuilletonredakteur der Königsberger Hartung der Völker alles, das kleinliche Interesse, die eigene Person schen Zeitung", sowie darauf als Hauslehrer im Ostpreußischen ) behördlich vernichtet.
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nichts. Reinster Idealismus stand auf seiner Fahne geschrieben. So ehrlich seine Liebe, so start sein Haß und Ein Heimatloser, ein Geächteter wandte sich Schweichel Born: seine innige Liebe und begeisterte Hinneigung zum nach Hamburg . Aber schon nach wenigen Wochen wurde er proletarischen Volke, wann und wo es seine Ketten sprengte; auch von hier auf Betreiben des preußischen Gesandten aus- sein sprühender Zorn, seine flammende Entrüstung gegen alle gewiesen. Gleich Freiligrath, Kinkel, Richard Wagner und Usurpatoren, heuchlerischen Volksbeglücker", feigen Verräter, andere vorher, nahm Schweichel das Los der Verbannung byzantinischen Speichellecker, Egoisten, Krämerseelen und auf sich und ging in die Schweiz . Ein mehr als zehnjähriges Banausen. Er verfolgte alle politischen wie parlamentarischen Exil vermochte seinen Nacken nicht zu beugen, seine revolutionäre Vorgänge sehr emsig und sehr kritisch. Gesinnung nicht zu dämpfen.
Es war im Dezember 1902. hn plagte wieder einmal
Als überzeugter, wissenschaftlich gefestigter Sozialist betrat allerlei Rheumatisches", das ihn seit 8 Tagen ans Zimmer er 1861 wieder den teutschen Boden. Mit Wilhelm Liebknecht fesselte. Da hatte er denn um so mehr Muße gehabt, fich fämpfte er fortan publizistisch, sowie als agitatorischer Redner über die bodenlose Niedertracht zu giften, welche die Mehrheit für das Proletariat, für die sozialdemokratische Arbeiterschaft. im Reichstage bei den Zollverhandlungen verübte. Wie Dieses seines Wirkens wird wahrlich nie vergessen werden! lange", meinte er, werden diese Kanaillen der herrschenden Denn so ausschließlich Schweichel seit Ende der sechziger Klassen noch im Rohr fißen und sich Pfeifen schneiden? NachJahre sich als Romanschriftsteller betätigte er dem die Bestie einmal wild geworden ist, wird sie sich schwerlebte und stritt für unsere Partei wie der Besten einer. lich damit begnügen, die parlamentarischen Rechte zerstampft
Der Atem der Freiheit durchweht seine großen Romane, zu haben. Es kann leicht eine Reaktion hereinbrechen, wie unter denen, Der Artschwinger"," Die Falkner wir sie in Europa noch nicht gehabt haben. Mir hat die Vor