näh«r geführt. Er hat die Arbeit zu Ehren gebracht, und ihre Achtung ist der nächste Schritt zur Gleichheit und Brüderlichkeit. Denn zuletzt beruht doch alles auf der Arbeit. (»Der Schmuggler.') Die Schulen, das wisien Sie alle, erziehen die Menschen nicht zur Freiheit, sondern zur Knechtschaft. Sie nagen die Wurzeln der jungen Menschenpflanze an, so daß sie verkrüppelt. Wir alle haben es mehr oder weniger an uns selbst erfahren, wie außerordentlich schwer es hinterher ist, die Lähmung abzuschütteln, in welche der Geist durch die Schule versetzt worden ist, welche Anstrengungen es kostet, um aus den Banden des Autoritätsglaubens zu selbständiger Prüfung und selbständigem Denken zu gelangen. Denn die Grund- läge der Freiheit ist das Denken und das ist's, was die Schulen systematisch nicht lehren. (Aus einer Rede für die Frauen.) »« » Nur das gemeinsame Interesse zwingt zu gemeinsamem Handeln. Nur das einmütige Zusammenstehen des arbeitenden Volkes auf dem Lande und in den Städten, nur das Zusammenfassen der geeinten Kraft vermag den Despoten Kapital zu stürzen, der uns mit goldenen Hufen schonungslos zertritt. Darum gilt's heute noch wie vor drei- hundert Jahren: .Der arme Konrad heiß' ich, bin ich, bleib' ich, Wer nicht geben will den bösen Pfennig, Der trete mit mir in diesen Ring 1* (AuS dem Borwort.Des armen Konrad.' 1876.) kleines feuilleton. Musik. Der Berliner Bolkschor hat seinen dritten Jahres- bericht erstattet. Mit Recht darf er darin hervorheben, baß es ein Jahr des Fortschrittes und der Erfolge war. Vor allem hat sich die Zahl der singenden Mitglieder von ILO auf 200 vermehrt. Ferneres Wachsen wird erst dem Verein ermöglichen, semen hoch- gesteckten Zielen völlig gerecht zu werden. DaS ständige Lokal des Vereins, der große Saal der„Neuen Welt", verlangt direkt eine stärkere Stinunenbesetzung. Wieviel stille, emsige Arbeit in Volks- tümlicher Kunstpflege ein Verein, wie der Volkschor leistet, davon geben die großen Veranstaltungen, die naturgemäß der Zahl nach beschränkt sind, keinen hinreichenden Begriff. Musikalische Kultur, Verständnis für das reiche musikalische Erbe in weite Kreise zu wagen, Freude an: Hören und singenden Nachschaffen zu verbreiten — das ist eine schöne und schwere Aufgabe. Je mehr in der Arbeiterschaft daS Verständnis für gute Musik geweckt wird— heißt eS in dem Bericht— desto weniger werden die seichten und wettlosen Dar- bietungen, wie sie noch vielfach auf den festlichen Veranstaltungen der Arbeiterschaft geboten werden, Beifall finden, und da es in Berlin an billigen künstlerischen Konzerten nicht mangelt, so wird auch die künstlerische Erziehung der Arbeiterschaft immer weitere ottschritte machen. Zeigt sich doch in dem ständig wachsenden esuch aller ernsten künstlcttschen Veranstaltungen der rege BildungS- Kieb der Arbeiterschaft stets auf neue. Auch die Konzerte des Volks- Chors im letzten Jahre weisen wieder eine Steigerung der Besucher- zahl auf; während die Zahl der Besucher im ersten Jahre 8000, im zweiten 12 000 betrug, rst sie in diesem Jahre auf zirka 14 000 ge- stiegen; von den fünf Konzerten dieses Jahres waren vier aus- verkauft und Hundette konnten keinen Einlaß mehr finden; einzig der Besuch des Mendelssohn-Abends im März hatte etwas unter gleichzeitigen großen wirtschaftlichen Bewegungen der Arbeiterschaft zu leiden, so daß die Besucherzahl an diesem Abend nur zirka 3000 betrug. Trotz des starken Besuches reichte der Eintttttspreis von SO Pf. nicht aus, um die Kosten des Vereins völlig zu decken, nur die Mitgliederbetträge erhalten dem Budget das Gleichgewicht. Aber auch aus künstlettschen Kreisen hatte sich der Chor wackerer Unter- stützung zu erfreuen. Die Mehrzahl der Künstler wirkte völlig un- entgeltlich oder für erheblich herabgesetzte Honorare mit. Besonders dankenSwett war der erlesene Kunstgenuß, den daS Joachim- Ouartett in idealer Hingabe gewährte. Künstlettfche Andacht und wahrhafter Enthusiasmus der Hörer war ein Lohn, der dem Meisterquartett bewies, welche Kunstbegeisterung und-Empfänglichkeit die Arbeiterschaft erfüllt. Im verflossenen Berichtsjahre hat der Volkschor drei große Chorkonzerte(und eine Wiederholung) gegeben, die Beethoven , Händel und Mendelssohn gewidmet waren. Der einheitliche Charakter jedes Konzertes ist aus musik-pädagogischen und künst- lerischen Gründen besonders hervorzuheben. Treffliche Einführungen in jedes einzelne Konzert und Werk boten die Programmbücher. Soliflenkonzerte wurden zwei veranstaltet(Joachim-Ouartett und der heitere Sven Scholander-Abend). Zum besseren Verständnis der aufzuführeuden Werke wurden besondere EinführungS- a b e n d e abgehalten, an denen sich eine Reihe von Künstlern und Lehrern beteiligten. Besonders verdienstvoll ist— das möge an dieser Stelle einmal gebührend hervorgehoben werden— die um» fichtige und unermüdliche Tätigkeit des Dirigeitten Dr. Zander. Das Programm für das nächste Vereinsjahr sieht folgendes vor: Als erstes Chorkonzert wird„Die Sckiöpfung" von H a y d n zur Auffühnmg gelangen; das erste Solistenkonzett wird Franz Schubert gewidmet sein. Das zweite Chorkonzett wird als Richard Wagner -Abend stattfinden, während das zwetts Solistenkonzett dem Freunde Wagners,.F r an z LiSzt und seinem Kreise(der neudeutschen Schule) gehören wird. In allen vier Konzetten wird der Chor mitwirken und zum Teil sehr schwiettge Aufgaben zu bewälttgen haben. Neben der Einstudieruug der Chor« werke wird der theoretische Unterricht mit Sorgfall gepflegt und in diesem Jahr durch Herstellung von systematischen Treffübuirgen, sowie Einführung von Musikdillaten in erwettetter Form erteilt werden, so daß die Mehrzahl der Mitglieder nach Beendigu des ein Jahr dauernden Kursus voraussichtlich imstande sein wir. Melodien richtig nach Noten(„vom Blatt") zu fingen. Den Mitgliedern steht außerdem eine im letzten Jahre Wieds» erfteulicherweise erweiterte Bibliothek zur Verfügung. Der gettng» Monatsbeitrag von 50 Pf. läßt erhoffen, daß auch im kommenden Jahre eine Anzahl neuer Mitglieder ihm beitteten mögen— sich und anderen zur Freude. Die Aufnahme neuer Mitglieder findet in den Uebungsstunden des Chors statt, die wie bisher jeden Freitag von 8>/,— 10 tlhr in der Aula deS Sophien-Realgymnasiums, Stein- straße 31—34, abgehalten werden. Völkerkunde. e. s. Im Kunstgewerbemuseum kommen einige Neu« erwcrbungen des Museums für Völkerkunde im Anschluß an die schon besprochene Ausstellung„Alt-Peru" an die Oeffentlichkeit. ES sind dies hauptsächlich Arbeiten der Ost- und Westgoten in Rußland und Spanien , sowie der Merowinger in Frankreich . In Rußland fertigten die Ostgoten und in Frankreich die Mero» winger Glaser in trüber grünlicher Färbung, deren sachliche und doch schöne Form überrascht. Diese Gläser sind gebrauchsfähig und doch Zierstücke. Noch mehr tritt das hervor bei den Ostgoten in Rußland , bei denen das Glas noch einen Schmuck erhält, rings um das GlaS einige blaue Tupfen. Prachtvoll ist der Schmuck, den die Goten gearbeitet haben« Sie behalten gerne den Hängeschmuck bei. die Kettenanordnung, die sie zu besonderer Schönheit ausbilden. Darin vereinigen sie Metall, Stein und Perle zu einer außerordentlich geschmackvollen Harmonie» die uns ganz eigenartig anmutet. Das Hängende gibt dem Schmuck wechselnde Erscheinung. Kleine Goldplättchen, dünne Ketten, die mit einem Stein endigen, feine Filigranarbeit auf kleinster Fläche deS Metalls, das alles vereinigt sich zu seltener Schönheit. Wie wundervoll wissen diese Völker das Goldblech zu bearbeiten und auS farbigem Stein ein reizvolles Muster zusammenzufügen! Wie großzügig find die Schnallen gestaltet, mit violetten Steinen in mattem Metall! Wie reich ist der farbige Eindruck einer aus ver« schiedenen Steinen zusammengefügten Kette, grün, orange, weiß» violett, blau, wahllos aufeinander folgend, aber in jedem Teil eine Uebcrraschung. Und so wechseln in den Halsketten dann die kleinen Goldblechplatten mit Perlen ab, und immer erfreut eine ganz eigentümliche Schönheit. Das Material ist mit Sachkunde be» ndelt und eine eigene Form aus dem Material und dem Zweck! rausgeprägt, deren graziöse und doch lräfttge Haltung Kultuy verrät. 1904 bis 1907 hielt sich eine Expedition unter Lecocq in dem chinesischen Turkestan auf. Sie brachte Stoffe aus Uarland mit, Stoffe, die zu betrachten man nicht müde wird. Ein fabelhafter Reichtum ist in den Mustern ausgebreitet, die verschwenderifch die ganze Fläche bedecken. Seidenstickereien, Aufnäharbeiten Glühen« des Rot, mattes Violett sind mit Vorliebe verwandt. Trotz der Fülle ist der Eindruck nicht unruhig. Durch die Wahl der Farben» die freie und doch überlegte Anordnung der Ornamente kommt eine prägnante, charakteristische Wirkung von seltener Kraft und Schön» heit zustande. Einige Teppiche zeigen das gleiche Raffinement in der farbigen Erscheinung. Die großzügigen Muster sind in kräftigsten Nüancen wie hineinversenkt in den rauhhaarigen Stoff, der die Kontraste malerisch ausgleicht. Denselben Reichtum der Motive finden wir in einer Reihe von HauS- und Toilettengeräten auS Siam und Birma , Getriebenes und vergoldetes Silber auf schwarzem(Niello») Grund, Die ganzen Flächen der Gefäße find wie überspannen mit natura« listischen Motiven, die durch diese Anhäufung im Ganzen als Ein» heit erscheinen. Und vornehm dämpft der schwarze Grund daH Leuchten des Metalls ab. Dann sind im Nebenzimmer noch einige Merkwürdigkeiten aus« gestellt auS Nordwest- Kamerun ; Gegenstände mehr ethno, logischen, als lünstlerischen Charakters. Frappierend durch ihr» groteske Häßlichkeit sind die lebensgroßen Figuren, die aus Muscheln und Perlen sorgfältig zusammengenäht sind. In dem „Stuhl des Sultans von Bamum", der auf solchem Ungetüm ruht, ist durch die ornamentale Anordnung der Perlen eine gewisse Wirkung erreicht, die über das Groteske hinausstrebt. Geschickt und cigenwüchsig find die Holzschnitzereien, die in naiver Weise die kleinen Holzschemel schmücken; Krokodile stützen die Sitzsläche, an deren äußerem Rande eine Aufeinanderfolge paralleler und ge� kreuzter Linien ein Rüster von einer gewissen Eigenart ergibt.—
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24 (26.4.1907) 81
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