Das war aber notwendig, sonst war er verloren. Seiner Tochter hatte er weder von dem wunderlichen Ansinnen ihres Liebhabers gesagt, noch von dieser Reise. Sie sah zu scharf, sie hätte sicher durch seine Jacke hindurch den Wechsel, auf dem Joachim Riese so groß quer herübergeschrieben war, gesehen. Nein, die Sache wollte er allein abmachen, und dann wollte er sehen, seine Ausstände einzubekommen und alles in Ordnung bringen. Bis zum Nobiskrug  , der eine halbe Stunde vom Ort entfernt liegt, führt ein düsterer Weg zwischen Waldgehegen durch, und fünf Minuten vor dem Wirtshaus liegt, so recht in der Einsamkeit, eine kleine Mooskate. Hier hatte Peter Rank, der falsche Papiere gemacht Und nun saß, gewohnt. Dessen Frau rief Härder Rickers an und bat ihn, sich nach ihrem Manne umzuhören. Das traf ihn wie Donnerschlag. War das eine Warnung des Himmels? War er im Begriff, sich zum Schuld- und Schicksalsgenossen von Peter zu machen? Aber jlange ertrug sein Wille, der sich in der Erreichung seines Lieles gehemmt sah, diese Störung nicht. Nein, mit Peter Rank hatte er nichts zu tun. Mit Peter war das eine ganz andere Sache. Der hatte Hans Hollers Namen unter einen Bürgschaftsschein geschrieben, ohne dazu ein Recht gehabt �u haben. Denn Hans Holler hatte beschworen, daß er dem Peter nichts versprochen habe, wenn Peter auch bei seiner Behauptung geblieben war. Aber er und Jochen I Wie oft hatte Jochen Riese ihm gesagt, ihn nicht im Stiche zu lassen und Wechsel zu verlängern, wenn es mal mit Geld nicht passe. Einmal, zweimal, dreimal hatte er es denn auch getan. Nun wollte er es nicht mehr. War das nicht himmelschreiendes Unrecht? Wer konnte ihm verdenken, daß er jetzt selbst den Namen schrieb, den Jochen Riese zu schreiben verpflichtet war?. War das Unrecht? Nein, das war kein bißchen Unrecht. Das Bankgebäude hatte ein hoch gerecktes, rotes Ziegel- dach. Mit seinem grauen Zementputz sah es solide und ein- fach und wahr aus. Zu dem Haupteingang führten schwere Steinstufen. Vor der Haustür lagen Granitblöcke, schwer und massig, wie das Gewissen nach begangener Tat. jhjrz vor Mittag trottete Härder Rickers die Stufen hinauf. Er war von unansehnlicher Figur, ein kleiner Bauer, und in den letzten Monaten war er alt und welk geworden. Zwar war sein Haar noch voll und dicht, aber grau und steif war eS, so daß es sich der Mütze nur wider- willig bequemte. Es schien den leichten Deckel heben zu wollen, und an den Schläfen und Ohren strebte es eigen- finnig in die Weite. Es war, zumal als er nach verrichteter Sache über die Granitplatten wieder hinabschritt, ein borstiges, widersetzliches Haar, ein Haar, das Wert darauf legte, auf einem ehrlichen Kopfe zu wachsen. Härder hatte sein Bankgeschäft besorgt, der Auftrag der Frau Rank war ihm ganz entfallen, er hätte also nach Hause gehen können, aber er tat es nicht. Das Bankhaus hielt ihn, als sei es ein Magnet und als sei er eine Stecknadel. Er mußte immer an das Stück Papier   und an Rieses Namenszug denken, der darauf stand. Für sein Leben gern hätte er noch einmal in die Kontorfenster hineingesehen, ob das Papier wirklich im Fache liege und nicht vielleicht als verdächtig nach- geprüft werde. Und immer zweifelhafter wurde ihm sein sittliches und juristisches Recht, Rieses Namen in der Weise zu gebrauchen. ,,Ja", sagte sein GewissenDu behauptest, Jochen Riese sei verpflichtet gewesen, seinen Namen zu schreiben. Das ist aber doch sehr fraglich. Und wenn auch eine Fälschung, einen Betrug hast Du doch begangen. Denn Du sagst durch das Papier allen, durch deren Hände es geht, daß Riese die Unter- schrift geschrieben hat. Und das ist nicht wahr! Du bist ein Fälscher und Betrüger! Eine andere Bezeichnung gibts nicht dafür." So schlimm ists doch nicht," redete er auf sein Gewissen ein.Ich bin doch kein Verbrecher wie... wie... Peter Rank." Ich sehe nur den Unterschied: bei Peter Rank handelte es sich um ebenso viele Hunderte wie bei Dir um Tausende" antwortete das Gewissen. Ach, hättest Tu das vorher gesagt!" seufzte Härder. Diese Beschwerde hatte Berechtigung. Vor der Tat leistet unser böser Wille an moralischer Schönfärberei das Mögliche. Die Moralanschauung muß sich gefallen lassen, dem Interesse zu dienen, die glänzende Seite des Zieles wird grell beleuchtet, die keck zugreifende Hand wird empfohlen. Ueberall sieht man Eideshelfer für das eigene Recht. Die Warner schweigen oder sind Loch von dem Willen so eingeschüchtert, daß sie Eindring» tiches nicht leisten. Aber nach der Tat, wenn es zu spät ist, da fehlen die Eideshelfer, da werden die schüchternen Warner dreist, da werden sie herzlose und unerbittliche Ankläger. Der alte Mann begann die Bank zu umkreisen.Hätte ich es nicht getan! O Katrien, meine gute Katrien!" Was sollte er beginnen? Sollte er vor die Kasse treten, den Wechsel wieder fordern und sich der Fälschung anklagen? Ach nein, das ging nicht! Den alten Wechsel konnte er nicht zurückgeben, den hatte er gleich zerrissen, man würde ihn verhaften. Jochen Riese würde Nachricht erhalten. Das alles war klar. Härder ging und ging. Er wanderte ruhelos in den Straßen umher, aber das schreckliche Bankhaus, das den falschen Wechsel barg, behielt er im Auge. An der Hinterseite war es von Höfen und Häusern eingeschlossen, man mußte, wollte man darum herumgehen, durch einsame Gassen und Gäßchen. Das war für einen alten Mann mit abstrebendcm ehrlichen Haar eine rechte Mühsal. Aber er unterzog sich dieser Mühsal, er mußte das große Gebäude mit dem roten Dach sehen, und wenn es einmal durch Giebel   und Dächer, wie zum Beispiel in der Torstraße, verdeckt war, dann steigerte sich die Beklemmung bis zur Atemnot. Die Torstraße ist schmal und feucht und übelriechend. Sie ist aus der einen Seite durch niedrige Häuser, auf der anderen Seite durch eine hohe Mauer begrenzt, deren regelrechte Fugen tägliche Augenweide für die Fenster der anderen Häuserzeile bilden. Härder kannte die Mauer, jeder kannte sie, sie faßte den Hof des Zuchthauses ein. (Fortsetzung folgt.) (Ralhdruck verboten.) Die<&alpurgisnacbt. Von Egon Noska(Berlin  ). Es gibt auch heute noch, im zwanzigsten Jahrhundert, vor- sichtige Leute, die am Tage vor Walpurgis  , vor Anbruch der Mitternachtsftunde, an der Schwelle ihrer Tür ein Kreuz mit Kreide hinmalen. Man kann nie wissen, denken sich solche Leute, vielleicht ist doch etwas WahreL daran, daß die Hexen in der Walpurgisnacht ihren großen Ritt antreten, und nützt das Kreuzes- zeichen nichts, so schadet es doch nichts. In meiner Jugend, vor vierzig Jahren, da war es allgemein üblich, daß sich die Kinder am l. Mai gegenseitig..behexten". Sie brachten sich mit Kreide einen Strich hinterrücks bei, je größer, je besser. Ich weiß es, als ob's heute geschehen wäre, daß ich wirklich, als mir das zum ersten Male geschah, glaubte, es müsse eine Hexe getan haben, so übernatürlich kam mir das vor. Erst als ich dann selbst anderebehexte", ward es mir klar, daß es mit rechten Dingen zuging. Vor vierzig Jahren konnte kaum ein Kind am 1. Mai über die Straße gehen, ohne einen Kreidestrich zu erwischen. Das war in Berlin   so, wo ich die Jugend verlebte, wie anderswo in deutschen   Landen. Die heilige Walburg oder Walpurgis oder Walpurga  , in deren Zeichen alle diese Hexenwunder geschehen, war übrigens alles andere eher als das, was man als eine Hexe anzusehen Pflegt. Sie kam mit ihren Brüdern Willibald   und Wunnibald aus Eng» land, wo sie ums Jahr 700 geboren wurde, nach Deutschland  , um hier für die Verbreitung des Christentums zu wirken. Wunnibald gründete das Kloster Heidenheim  , dessen Leitung nach seinem frühen Tode die Schwester übernahm, und als Aebtissin dieses Klosters starb sie im gleichen Jahre wie ihr Bruder Wunnibald. Und während sie schon zu Lebzeiten merkwürdige Wunder voll- brachte, zeigten sich auch noch nach ihrem Tode ihre Gebeine als wunderwirkend; es floß ein heilkräftiges Oel aus ihnen, und um diese Gebeine würdig zu bestatten, ließ Willibald ein eigenes Kloster errichten. Vielleicht weil sie selbst eine so große Wunder- täterin war und daher mit den Künsten der Zauberei und Hexerei sehr wohl Kescheid gewußt haben muß, betrachtete man sie nach ihrer Heiligsprechung als Beschützerin von Zauber- und Hexen- kunsten, und dies ist wohl die Ursache, daß man ihren Gedächtnis- tag, obwohl sie am 25. Februar gestorben sein soll, auf den l. Mai verlegte, der einer der wichtigsten Feste des Heidentums war. Vielleicht auch war die Wirkung eine umgekehrte; vielleicht war der 1. Mai als Gedenktag der Walpurgis die Ursache, daß die Heilige als Beschützerin vor dem Unheil angesehen wurde, daS dieser Tag nun einmal im Gefolge zu haben schien. Solange der Hexenglaube in Deutschland   existierte, und es ist noch kein Jahrhundert her, daß ein armes Weib als letzte diesem Glauben zum Opfer fiel und als Hexe verbrannt wurde; ja, der Hexenglaube ist heute noch leider nicht völlig beseitigt, gilt die Walpurgisnacht, die Nackt zum 1. Mai. in welcher zur Heidenzeit in Deutschland   ein großes Frühlingsfest gefeiert wurde. als die Nacht, in der der Teufel seine großen Hoftagc hält und die Hexen, seine Helferinnen, zu sich zu Gaste lädt. Diese Hoftage des Teufels wurden, so ist der allgemeine Volksglaube, aus Bergen abgehalten, und wir haben in Deutschland