in Zeiten, in denen eine gutgebildete, sehr helle Tenorstimme nochmehr entzückte als heute; doch damals würde der„Feldtelegraph",d. h. die primitiven Armbewegungen usw., ein Lächeln erweckt haben.Den übrigen Mitwirkenden können wir im ganzen recht dankbarsein; und ein etwas primitives Ballett gab es auch. Schade, daßder im Lortzing-Theater sonst hervorragende Chor gerade diesmalweniger hervorragte als das Orchester und dessen Direktion.—sz.Kunstgewerbe.Im.Verein für deutsches Kunstgewerbe" hieltdieser Tage Direktor Peter Jessen einen lehrreichen Vortragüber die.Grundlagen der heutigen Möbelkunst".Dieser Fachaberd für Tischler gab wertvolle Anregungen, die inZukunft zu beachten sein werden. Jessen schilderte die Bereicherungdurch neue Materialien, die uns jetzt zur Verfügung stehen. Wirnehmen jetzt die verschiedensten Hölzer und verarbeiten fie, währendwir früher eigentlich nur Eiche unb Nutzbaum kannten. Auch dieChemie hat uns neue Mittel zur Behandlung des Holzes, zurFärbung, zum Beizen usw. an die Hand gegeben. Gegenüberdiesen vielfältig neuen Mitteln gilt es, den richtigen Weg in derGestaltung der Möbel innezuhalten, nicht sich durch den Reichtumzur Protzerei, zur Heuchelei verführen zu lassen. Oberster Grund-satz mutz bleiben, datz die Maserung, die echteste Schönheit desHolzes, erhalten bleibt. Es darf nicht mit billigem Material einteueres Holz vorgetäuscht werden. Der Gebrauchszweck mutz matz-gebend sein. Die Schönheit irgendwelcher alten Stile darf nichtzu einer sinnwidrigen Nachahmung führen. Die Maschine schreibtuns selbst einen Stil vor, ehren sachlichen Stil der Einfachheit.Es ist falsch, die Maschine zu Ornamenten zu mitzbrauchen, die denfrüher geformten Schmuck mit der Hand nachahmen. Denn imPrinzip kann eS die Maschine wohl; eS liegt aber nicht in ihremWesen. Noch mehr zeigt uns die moderne Arbeitsweise, die heuteübliche Massenherstellung, den Weg zu dem eigentlichen Stilunserer Zeit. Es erscheint sachgematzer, datz das Messer derMaschine hingleitet über grosse Flächen; gerade das konnte dieHand nicht mit der gleichen Eiakilxit ausführen. Ebenso ist eSmit den Furnieren. Technisch gibt es da keine Grenze. DieFurnierplatten werden so dünn geschnitten, wie eS früher nichtmöglich war. DaS soll aber nicht zu einem schnörkeligen, un»ehrlichen, vortäuschenden Stil verführen. Man kann überhauptdarüber streiten, ob die Furniermethode unserer Zeit noch entspricht.Jedenfalls, wenn fie angewendet wird, mutz sie sich auch dem all-gemeinen Streben nach grosser, ruhiger Flächenwirkung an-bequemen. Das alles zeigt, datz eS sich bei der neuen Möbelkunst,die wir schon jetzt haben, nicht um neue Moden, sondern um neueGrundsätze handelt. Grundsätze der Wahrhaftigkeit und Einfachheit.Zu einer Zweckkunst streben wir hin, die den LuxuS abschafft.Eine Reihe Projektionsbilder ergänzten diesen Vortrag, den derRedner mit viel Geschick und feinem Tattt durchführte.Jessen verleugnete seine Stellungnahme für da? Moderne nicht,lobte aber nicht einseitig alles Neue. Er zeigte an den alten Etil-möbeln, die oft mit soviel Geduld und Mühe gearbeitet sind, dieZweckwidrigkeit ihres Aufbaues, die Sinnlosigkeit des Schmucke?.AlS typisches Beispiel führte er einen Schreibtisch vor. der als Clouin der Pariser Weltausstellung Aufsehen erregte, ein Möbel, da?in seiner geschweiften, durchaus gebrauchsunfähigen, schmuck-strotzenden Form ein wahres Monstrum darstellt— aber allgemeinbewundert wurde. Wollt« sich wirklich jemand an den Tisch setzen,er hätte sich Hände und Bein« gestotzen. In ähnlicher Art zeigt«eine ganze Reihe Rokoko», Renaiflancemöbel die Sinnwidrigkeitdes Aufbaues, der z. B. fast nie gestattet, datz der Sitzende sichzurücklehnt, sich wirklich ausruht; es stotzen ihn hinten Säulenund Ausbuchtungen. Demgegenüber zeigte der Redner Beispieleneuer Art, Möbel von dem verstorbenen Eckmann, von Riemer-fchmied, Bruno Paul, Kalo Moser und Jos. Hoffmann. Ueberallein Hinstreben zu grotzen Flächen. sparsamem, abermarkantem, materialgemätzem Schmuck, und Betonen der ruhigenRaumwirkung. Dabei braucht, wie man an einigen Räumen vonPaul sieht, nicht die Pracht und die Schönheit verloren zu gehen.An einer Reihe englischer Möbel, die all« aus dem Praktischeneine neue Schönheit herausholen, zeigte Jessen, datz die Engländeruns in dieser Beziehung weit voraus sind. So war in dieserGegenüberstellung deutlich eine praktische Lehre fichtbar, die daraufhinauslief, datz dre heutige Möbclkunft einem neuen Stil zustrebt.Im Anschlutz hieran sei daS„Jachblatt für Holzi-arbeiter" genannt, das vom Deutschen Holzarbeiter-verband herausgegeben wird. Es ergänzt die obigen AuS-führungen sehr gut. indem es zeigt, datz auch in den praktischenKreisen die richtigen Anschauungen Boden gewinnen. GuteTischlerarbeit, auf diese wird hauptsächlich Wert gelegt. Danachzeigen sorgfältig ausgewählte Abbildungen, wie die Künstler, z. B.Riemerschmied, B. Scott u. a., dieser soliden Tischlerarbeit diegeschmackvolle Prägung geben. Das Blatt ist mit Sachkunde ge.leitet und kann nachdrücklichst empfohlen werden.Literarisches.HanS Jägers„Bibel der Anarchie". Hans Jäger,der zur älteren Generation der norwegischen Schriftsteller gehört,mutzte in den achtziger Jahren für seinen freimütigen Roman„Fra Kristianiabohemen"(„Aus Kristianias Boheme"), worin erkeck für die freie Liebe agitierte, die Strafe des Gesetzes erleiden.Dieses kbches unverhüllte Schilderungen unreiner Liebe ev,weckten eine h.tzige Debatte, und es war eine der ersten Handlungendes neuen liberalen Regimes, bei der Beschlagnahme des Buchesund dem Urteil über den Verfasser auch viel berechtigte Diskussionüber diese und andere Dinge zu unterbinden. Der Roman zeugteunter seiner taftenden Form und seinem rauhen Aeutzeren voneinem kräftigen Talent und einer aufrichtigen Seele. Der Ver»fasser aber verlor seine bürgerliche Stellung und wurde von jenen,Tage an einer der Ausgestotzenen der Gesellschaft. Die Fortsetzungdes Romans, die er später in Paris, wo er sich niedergelassenhatte, herausgab, hat wenig Aufmerksamkeit erregt. In Pariskam er bald in anarchistische Kreise und unter ihre Einwirkung,und wurde dann einige Jahre Mitarbeiter von„Social-Demokraten" in Kristiania. Als er im Jahre 1302 diese Tätigkeitaufgab, hatte er den Plan zu seiner„Bibel" fertig. Er reistewieder nach Paris, um daran zu arbeiten, und am Schlüsse deSJahres 1906 war daS Werk vollendet. Es erschien in GyldendalSVerlag in Kopenhagen und Kristiania. Skandinaviens grötzter undangesehenster Verlagsbuchhandlung.Es ist ein vornehmes und Mfertiges Buch, voll von Glaubenund starken Ahnungen, und geschrieben mit Begeisterung. ES hatalle Bedingungen, zur schönen Literatur gerechnet zu werden;nicht nur weil sein Zweck so fern am Horizonte und ausserhalb deSGesichtskreises so vieler Menschen liegt, sondern namentlich derForm wegen, in der eS geschrieben ist.Der Verfasser schildert die Arbeit der Menschen unter demJoch« deS Geldes, ihre Versuche, sich frei zu machen, und wie siebeständig zur Knechtschaft zurückkehren, weil fie niemals aus der„Geldfalle" herauskommen. Das Geld und das Eigentumsrechthindern die Menschen in ihrem Fluge zur Vollkommenheit undzum Glücke, verpfuschen ihre Natur und machen sie zu Karikaturen.Ueber ihnen wölbt sich der Himmel der Freiheit mit dem Gott de»Ereiheit, der fie geschaffen hat. Aber Gott Mammon hat über ihrenäuptern einen falschen Himmel gebaut, von wo auS er ihreigentlicher Führer geworden ist.In poetischer Sprache, reich cm originellen Gleichnissen, wirddieses Tappen und Haschen in den westlichen Kulturländern toi«in Asten geschildert. Es wird beleuchtet, wie die Menschheit inallen Lebensverhältnissen alle wahre Freude, alles wahre Glück ein.§ebützt hat, wie sie in Zwang dahinlebt und wie nichts sich st»Freiheit entwickeln darf.Es ist nicht der Kampf zwischen Armut und Reichtum oder derKampf der Klassen, was der Verfasser schildert; eS ist der KampfdeS Menschengeschlechts unter dem Joche deS Geldes..Und der Ausweg?— Nun— alle, die die Befreiung wollen,sollen sich organisieren, die politische Macht erobern und damit daSEigentumsrecht abzuschaffen. Der am meisten ausgeprägte Jdealis»mus und Individualismus wendet sich hier zum Parlamentarismus»,Eine Dichter? Phantasie gehört dazu, unsere Gesellschaft voneiner so hohen Warte zu sehen, wie der Verfasser von„Arnar»kiets Bibel" sie sieht. Darum kann auch daS Buch von allen mitNutzen gelesen werden und eine beständige Quelle der Ermunterungwerden für jeden, der mit grotzen Zukunftszielen im Innern in denKampf zieht für die Umwälzung unserer Gesellschaft.Es ist darin die Kritik des Alten und das Erschauen des Neuenim vollsten Matze. Keine Clique oder Richtung kann sich das Wer?als das ihre aneignen; denn es gibt sich nicht ab mit Definitionenund stellt keine Dogmen auf. Als Lteraturprodukt mutz HanSägers„Bibel" als enes der bedeutendsten modernen norwegischeniteratur anerkannt werden. Als Gesellschaftskritik haben wir i»unserer Literatur nichts, das ihm an die Seite gestellt werden kann«Olav Kringen.Astronomisches.Die Entfernung der Sonne. Die Grundlage, auf de»alle weiteren Berechnungen von Grützen und Entfernungen be,ruhen, ist die Bestimmung des Abstandes der Sonne von der Erde,und daher hat die Wissenschaft immer wieder ganz besondere An,strengungen gemacht, um diesen Wert mit möglichst grotzer Ge»nauigkeit zu ermitteln. Die Grütze, auf deren Messung es zunächstankommt und aus der dann die Entfernung der Sonne abgeleitetwird, ist die sogenannte Sonnenparallaxe, d. h. der Winkel, unterdem der äquatoriale Halbmesser der Erdkugel von der Sonne aus,genauer vom Sonncnmittelpunkt aus, erscheinen würde. Zur Fest-stellung dieser Grösse sind mannigfaltige Mittel angewandt worden,oft unter kostspieliger Ausrüstung besonderer Expeditionen nachfernen Erdgcgenden. beispielsweise zur Beobachtung von Vorüber»gängen des Planeten Venus vor der Sonnenscheibe in den Jahren1874 und 1882, woran sich auch die deutsche Forschung hervorragendbeteiligt hat. Der Astronom Pio aus Cambridge stellt jetzt in der„Revue Scientifique" eine Liste von 18 Bestimmungen der Sonnen-Parallaxe zusammen, die ausser auf den genannten Verfahren aufBeobachtungen des Mars und verschiedener kleiner Planeten sowieauf Messungen der Geschwindigkeit und der Abirrung des Lichtesund auch auf Mondbeobachtungen beruhen. Pio hat sich nun be-müht, die Fehler dieser verschiedenen Messungen genauer zu er-Mitteln und danach auszuschalten. Auf Grund seiner eingehendenmathematischen Untersuchung kommt er zu dem Schlutz. datz derWert der Sonnenparallaxe nunmehr endgültig zu 8,800 Bogen»sekunden anzunehmen wäre, woraus sich der mittlere Abstand derErde von der Sonne zu 490 000 Kilometer ergeben würde.—