Technisches. Eine Schutzvorrichtung bei Zugentgleisung Kurde nach einem Referat des„Prometheus " kürzlich auf dem Wahnhof Rangsdorf der Militär-Eisenbahn in Gegenwart von Be» amten der Eisenbahnverwaltung praktisch erprobt. Die von den Ingenieuren Gehricke und Bollmann erfundene Vorrichtung zeichnet sich durch größte Einfachheit aus. Sie besteht lediglich aus einer am Wagen befestigten Gleitschiene, die quer zu den Fahrschienen, an beiden Seiten etwas darüber hinausragend und etwa 10 Zenti- »neter darüber so angeordnet ist, daß sie diesen Abstand auch dann beibehält, wenn die Belastung des Wagens wechselt, wobei sich be- kanntlich der Abstand zwischen den Fahrgleisen und dem federnd auf den Achsen gelagerten Wagenkasten verändert. Bei einem mit der Schutzvorrichtung versehenen Wagen muß also bei einer Ent- aleisung, d. h. wenn die Räder die Fahrschienen verlassen, die Gleit- schiene sich auf das Gleis legen, so daß alsdann der Wagen statt auf den Rädern auf der Gleitschiene ruht. Dabei bleibt der Wagen nahezu in seiner normalen Lage, er stürzt nicht um und wird auch, lauf den Schienen gleitend, kaum starke Erschütterungen erleiden. Bei den Versuchen in Rangsdorf wurde ein Versuchswagen mit großer Geschwindigkeit auf ein Gleis geschoben, das, um eine Ent- gleisung herbeizuführen, beiderseits auf eine kurze Strecke unter- brachen war. Bei der Entgleisung legte sich sofort die Gleitschiene auf das Gleis und hielt den Wagen in normaler Lage auf den Schienen fest. Die Versuche werden fortgesetzt. �— Der Schaden, welcher der preußischen Eisenbahnvcrwaltung alljährlich durch Zug- «entgleisungen erwächst, wird auf b Millionen Mark angegeben. Hygienisches. Die Reinhaltung der Betten. Bei einigem Nach- denken über die häusliche Gesundheitspflege wird mancher ein- sehen, daß auch in seiner Behausung die Lagerstätte, auf der der Mensch einen mehr oder weniger großen Teil, gewöhnlich ein Drittel des Tages, zubringt, bezüglich der Reinlichkeit nicht mit der Nötigen Sorgfalt behandelt wird. Selbst Leute, die ihren Körper tadellos sauber halten— es gibt deren leider noch immer nicht allzu viele— legen sich allabendlich in ein Bett, das monatelang, ja vft jahrelang nicht gelüftet und gesonnt worden ist. In den Blättern für Volksgesundheitspflege wird ausdrücklich darauf aus- tnerksam gemacht, wie wenig ein frischer Bezug zu bedeuten hat, Wenn für die Entfernung der namentlich in den Federbetten an- gesammelten Unreinlichkeiten nicht gesorgt wird. Wenn die Betten morgens bei geöffneten Fenstern gemacht werden und dann tagüber schön zugedeckt stehen bleiben, so können die Ausdünstungen des Körpers nicht daraus entweichen. Es ist vielmehr notwendig, die Betten während der Mittagsstunden dem reinigenden Einfluß des Sonnenlichtes, das auch bei bedecktem Himmel wirksam ist, aus- Busetzen. Wenn dies in der Großstadt etwa nicht möglich ist, so sollten die Betten öfters einer Reinigungsanstalt zugeführt werden, wodurch sie durchaus nicht gefährdet werden, sondern im Gegenteil besser erhalten bleiben.— Humoristisches. — Drei wichtige Hindernisse.„Ich möchte als spanische Tänzerin eine Tournöe durch Europa machen, aber ich bin noch zu jung dazu I Und dann bin ich wirklich aus Spanien I Und tanzen kann rch a u ch I" — Russische Folterungen.„Herr Polizeikommissar, fortwährend hebt der Gefangene die Hand hoch und schwört, daß er unschuldig sei."—„Zwick sie ihm abl" — Vor einem Oberstabsarzt erschien kürzlich ein Jüngling, um sich auf Tauglichkeit als Schiffsjunge untersuchen zu lassen. Er muß sich deshalb entkleiden und steht nun vor dem Arzte da, nicht in paradiesischer Schönheit, sondern— der Herr Roeren hätte seine belle Freude an ihm gehabt I— züchtig mit einer Badehose bekleidet.(„Jugend.") — Ein Gegner des Impfzwanges.„Ich halte nichts von der Jmpferei. Ein Kavalier mutz normalerweise schon so durch- feucht sein, daß ihm das bißchen Pockengift nichts mehr anhaben kann." — Neulich kam ich in eine Irrenanstalt— um sie zu befichtigen. Der Direktor führte mich herum. So gelangten wir in eine Zelle; drin saß ein Mann, der hielt eine Holzpuppe im Arm und herzte und koste sie, indeni er sie liebevoll betrachtete. „Der Mann," sagte mir leise der Direktor,„liebte ein Mädchen, das ihn verschmähte und einen anderen heiratete. Darüber wurde er verrückt. In seinem Wahn hält er die Puppe für seine Geliebte und ist selig, sie zu besitzen." Wir gingen weiter. Die nächste Zelle war ganz ausgepolstert. Drin lief mit den Gebärden eines Tobsüchtigen ein Mann unaufhörlich mit dem Kopf gegen die Wand.„Das ist der andere," sagte der Direktor. („Simplicissimus".) — Ein vor Jahren verstorbenes Original, ein Pfarrer im Nid- waldner Ländchen, verstieg sich in einer Predigt zu folgendem Ver- gleich:„Die schlechten Ehemänner gleichen den alten Phosphor« Zündhölzchen , die sich an jeder Reibfläche entzünden; die guten aber sind die schwedischen, die sich nur an der eigenen Schachtel entflammen". („Jugend".) Notizen. — Rudolf Rittner verabschiedete sich am Sonnabend im Lessing-Theater von der Bühne. Wie er als Künstler eigen- wüchsig war, so bewies er sich auch als Mensch. Dem widerlichen Festrummel, den die allezeit Reklamebedürftigen bei jedem Wohnungsumzug und ja bald bei jedem Wäschewechsel zu inszenieren wissen, versagte er sich. Und doch hätte er mehr Berechtigung gehabt, als die in skrupellosen Geschäften talentvollen Theaterdircltoren, gefeiert zu werden.... Rittner spielte zum letzten Male seinen Florian Geyer und— damit basta. Er erschien nicht vor dem Vorhang und mochte man sich die Hände wund klatschen. Rittners Verlust werden wir in manchem und noch lange spüren. Er hat die Schauspielerei satt bekommen, er will nicht mehr anderen, sondern sich selber dienen. Er hat es einem verraten, daß er Ruhm Ruhm sein läßt und keine Lust hat, sich bequem weiter zu „verkapitalisieren". — Schweichel und— M i q u e l. Der„Franks. Ztg." wird eine Episode aus Schweicheis Leben erzählt, die charakteristisch genug ist, selbst wenn sie nur eine Anekdote sein sollte. Es war bei einem Pressefest, daS Frankfurt unter seinem damaligen Oberbürgermeister Miquel gab. Miquel lehnte sich behaglich in einen Lehnstuhl zurück. Da legte sich eine Hand auf seine Schulter und ein weißhaariger, interesianter Männerkopf beugte sich zu dem Erstaunten nieder.„Sie kennen mich nicht mehr?" ftagte Robert Schweichel , denn dieser war es. Miquel sah ein wenig verdutzt und um eine Antwort verlegen drein, doch bevor er eine solche fand, fuhr Schweichel fort:„Schau, schau,— Oberbürgermeister und so kurz von Gedächtnis I Im Jahre 1848, auf den Barrikaden,— da haben wir Beide doch Seite an Seite gestanden!"— Nun aber lächelte Miquel sein diskretes Diplomatenlächeln.„Ja, richtig l Jugendtorheiten, Jugendideale I" sagte er, den Kampflustigen fein abwehrend. Doch der ließ nicht locker.„Ich, mein Herr Oberbürgermeister, blieb ihnen treu, den Jugendidealen— Sie aber sollen ja Minister werden, wie ich höre!" Und hocherhobenen Hauptes ging Robert Schweichel weiter. — Premierenverrücktheit. Für die Generalprobe der „Salome" in Paris , die Montag abend stattfand, wurden folgende Preise bezahlt: Proszeniumsloge 800 Fr., Parkett 500 Fr., Parterre- und Balkonplätze 100 Fr.— Soviel lassen es sich die Kultursnobs und die Gecken der Auserlesenbeit kosten, zuerst den perversen Sinnen- kitzel, der ihnen die Hauptsache an der„Salome" ist, vorweg- zukosten. — Die„gefährliche" Operette. Das Verbot der Auf- führung des.M ikad o", daS der englische Zensor mit Rücksicht auf die Empfindlichkeit der Japaner erlassen hat, beschäftigt die englische Theaterwelt lebhast und hat sogar zu einer Interpellation im Unter« Hause geführt. Sir Edward Grey erwiderte jedoch, daß der Zensor zwar auf eigene Verantwortung gehandelt habe, daß er aber auS Gründen, die gegenwärtig doch einleuchtend sein müßten, das Vorgehen des Zensors durchaus billigen müffe. Unterdessen wurde trotz dieses Verbotes„Der Mikado " im Lyceum-Theater zu Sheffield aufgeführt unter großer Begeisterung des zahlreichen Publikums. Der Minister griff bisher nicht ein. Zu welchen Konsequenzen diese Ueberempfindlichkeit— wofür wir ja auch bei uns die schönsten Beispiele haben— führen müßte, hat der Interpellant im englischen Unterhause drastisch genug ausgeführt. Er richtete an den Minister- Präsidenten die Frage, ob er nicht veranlassen wolle, die„Hamlet"- aufführungen zu verbieten. Der König von Dänemark erscheine in diesem Stücke als Mörder, und dergleichen auf die Bühne zu bringen, sei gewiß rücksichtslos gegen einen befreundeten Staat. Man könnte aus ähnlichen Gründen die halbe Literatur verbieten. — Ein neuer Vermeer van Delft wurde, wie der her- vorragende holländische Bilderkenner Dr. Bredius mitteilt, von ihm bei Jonnheer de Grez in Brüssel entdeckt. Es stellt eine sitzende Dame mit einer Flöte dar. Von den, Künstler, der in Farbe und Ton der unvergleichlichste aller holländischen Jnterieurmaler ist, sind nur 86 Werke bekannt. — Vom alten Rom . Bei Ausgrabungen auf dem Palatin , einem der traditionellen Siebenhügel des alten Rom, stieß man unter den Befestigungsmauern auf cm altes Grab. Darin gefundene Geräte lassen es auf das 5. vorchristliche Fahrhundert zurückdatieren. Diese Entdeckung erscheint als eine Bestätigung der deutschen Geschichtskritik, die die sagenhaften Ucberliefcrungen der altrömifchen Geschichte gründlich zerstört hat. Danach ist die Befestigung deS Palatins ziemlich jungen Ursprungs und reicht keineswegs in die mythische Zeit zurück. Ob die deutsche Wiffenschaft sich diese? Triumphes im Zeitalter, da nur die„positive Arbeit" gilt, rühmen darf? Lerantwortl. Redakteur: Hans Weber, Berlin . — Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdruckerei u.VerlagtanstaltPaul Singer LrCo..Berlin SW.
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24 (7.5.1907) 87
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