um Eisen zu erschmelzen, weil e» schien, als könnte der Reichtum des Holzes nie ein Ende nehmen. Vorüber die Zeiten, wo man die Erze, die nicht 50 Proz. reinen Meialles enthielten, als wertlos beiseite warf, wo man unter den Wasserkräften der Erde sich die bequemsten zum Gebrauch aussuchte und die übrigen unbeachtet lieh. Es gibt noch solche jungfraulichen Länder und sie werden eines Tages die Schätze der Erde unter sich verteilen. Noch aber heißt es für die alten Kulturnationen, sich ihrer Haut zu chehren, und auf allen Gebieten, wo der einstige Raubbau abgewirtschaftet hat, von den Resten der Vorzeit zu zehren. Manches Menschenalter hindurch wurde in den Eisenwerken von Shelton im Gebiet der schwarzen Erde, wo die Schmelzöfen und Schmiedcfeuer schon erklecklich langer als auf deutschem Boden glühten, das beste Eisen erzeugt, das man in England und sonst irgendwo zu kaufen bekam. Zu riesigen Bergen, die viele Quadrat- kilometer Boden in die Runde bedecken, hat sich die Wstichschlacke von ungezählten Jahren dort um die alten Schmelzöfen aufgetürmt, mit der man weiter nichts anzufangen wußte, als sie wegzuwerfen. Jetzt ist man mit dem besten Erfolg dabei, diese Schlackenhaufen, die noch 40 Proz. reines Eisen enthalten, aufzuarbeiten und einen Stahl daraus zu schmelzen, der nicht schlechter ist als das Eisen, auf dem diese Reste einst als Schlacke schwammen. Den Brenn- stoff aber dafür liefert eine Kohlengrube der Shelkdn Jron Works, die man ebenfalls früher nicht für wert hielt, einen Arbeiter hincinzuschicken. Die Kohlen enthalten bis zu einem Fünftel Asche, und daraus ehren brauchbaren Koks für den Hochofenbetrieb zu gewinnen, hätte sich bis vor wenig Jahren so leicht kein Hütten- mann unterwunden. Was früher nicht ging, heute geht es. Wo man vor kurzem die geringe Produktion für 4,5 Schilling die ganze Tonne verkaufte, werden nun täglich 800 Tonnen gefördert und ergeben nach dem Auswaschen in besonderen neuen Vorrich- hingen ein Produkt, das immer seine 8 Schilling die Tonne wert ist. Was aber nach diesem Veredelungsprozeß übrig bleibt, der früher völlig wertlofe Müll und Schutt, daraus macht man jetzt den Koks, der die erwähnten Eisenabfälle in Stahl verwandeln muß. Heißt das nicht mit Geschick Lumpen sammeln und Gold daraus machen? Noch mehrl Bei der Verkokung der Kohlenabfälle werden noch solche Mengen kalorisch hochwertiger Gase gewonnen, daß die Halste davon ausreicht, um die sämtlichen Koksöfen zu heizen, die ander« Hälfte aber in einigen modernen Gasmotoren noch eine überschüssige Kraft von ungefähr 1000 Pferdestärken hervorbringt. So wertet die Industrie heute die achtlos weg» geworfenen Reste der Vergangenheit. Ein anderes Beispiel. Die für gewisse Zwecke, wie den Schiff?» antrieb und den Betrieb von Dynamomaschinen so geeignete Dampfturbine ist noch nicht soweit verbessert, daß man ihr mit Vorteil die Bewegung der Arbeitsmaschinen in Fabriken ander- trauen könnte, wo bald viel, bald wenig Kraft verbraucht wird, die Maschinen bald schnell, bald langsam laufen müssen usw. Aber man hat in derselben Turbine ein Mittel gefunden, aus dem wert- losen Abdampf der alten unökonomischen Betriebsmaschinen noch soviel Energie herauszuziehen, daß auch große Fabriken ihren Bedarf an elektrischem Lichte bequem aus dieser Quelle decken können. So g«ht in einer Stahlhütte in Chicago der Abdampf einer großen Walzwerkmaschine in em Heißwasserreservoir und erzeugt darin eine solche Wärme, daß trotz des unregelmäßigen Betriebes des Walzwerks dieser Wärmespeicher eine Niederdruck- lurbine von 1000 Pferdestärken beständig treiben kann. Ein industrieller Lumpensammler, weiter nichts. Unermüdlich ist die Technik in ihren Bemühungen, ans nichts etwas zu machen, zu sparen, wo die reichere Vorzeit achtlos ver- geudete, und mit dem Stabe des Moses Wasser aus dem Felsen zu schlagen. Doch eine gewaltige Kraft des Erdballs ist noch imnwr so gut wie nutzlos geblieben. Der brausende Wind ist eS, der im Frühjahr und Herbst über Heide und Stoppelfelder fegt. Sein ungebändigter Atem klingt durch die Wälder wie das Jauchzen eines jungen Riesen, den die allgegenwärtige Kunst des schlauen Menschen noch nicht in die gehaßte Fessel schlug. Aber auch seiner Freiheit Tage sind gezählt! Was wollen die paar Taufend Wind- mühlen besagen, die hier und da einen leisen Hauch seines Odems in nützliches Menschenwerk verwandelten, und die so bescheiden die Segel streichen mußten, wenn er sich zu seiner vollen majestätischen Kraft erhob? Daß alle bisherigen Windmotoren eigentlich nur einen so winzigen Bruchteil dieser unerschöpflichen Naturkraft aus- zunutzcn vermögen, das ist es, was eigentlich diese ganze Gattung von Maschine in Mißkredit gebracht hat; gäbe es einen Windmotor. der die Schnelligkeit und den ungeheueren Druck eines stärkeren Windes wirklich in nutzbringender Weise Vevlverten könnte und nicht gerade dann zur Ruhe verurteilt würde, wenn die Windsbraut chre besten Kräfte entfaltet, so sähe es wohl um die Ausnutzung dieser allverbreiteten Naturkraft anders aus. Den Anspruch, dieses Problem gelöst zu haben, erhebt mit seinem neuen horizon» talen Windmotor Karl Buttenstedt, der Erfinder von Flug- apparaten, neuen Schiffssegeln und anderen auf eine unermüdlich liebevolle Beobachtung der Mutter Natur gegründeter Verbesse- rungen. Sein Windmotor ist ein gigantisches, um eine senkrechte Achse drehbares Rad. dessen Umfang mit schmalen elastischen Streifen oder Flügeln besetzt ist, die bei ihrer Drehung den Luft- strömungen in jedem Augenblick das erreichbare Marjmum an Energie abnehmen, absolut unabhängig sind von der Richtung und Stärke des Windes, durch den stärksten Orkan in ihrem elastischen Gefüge nicht erschüttert werden können, aber auch dem lindesten Zephyr noch soviel an Kraft zu entlocken wissen, als er irgend herzu- geben fähig ist. Daß sich die Achse dieses MotorS nicht nach des Windrichtung einstellen niuß, sondern bei jeder Veränoerung un° beweglich stehen bleibt und daher in einer ganz anderen Weise ge- sichert und verankert werden kann, als bei allen früheren Wind? nwtoren mit Horizontalen Achse, das macht das Windrad von Büttenstedt gegen die stüristen Luftströmungen unempfindlich, so daß es bei allen Windstärken laufen kann und nicht dann zu feiern braucht, wenn der Wind gerade seine meiste Kraft entfaltet. ES kann ferner aus demselben Grunde so groß und stark gebaut werden. daß man viel größere Kräfte» als bisher mit einem Maschinensatz erzielen kann und endlich zur Errichtung� umfangreicher Wind- Kraftzentralen in geeigneten Gegenden wird schreiten können, von wo nian dann die kostenlos zur Verfügung stehende Kraft auf größere Entfernungen verteilt oder an derselben Stelle in indu« striellen Anlagen verwertet. Die alten Unternehmungen schwinden vor den neuen dahin, und Vergänglichkeit ist das Zeichen, in dem die Werke des Menschen geboren werden. Kürzlich ging die Nachricht durch die Blätter, daß der Schnelldampfer„Lahn " des Norddeutschen Lloyd ausgemustert und als veraltet verkauft ist. Veraltet ein Schiff, das vor wenigen als 20 Jahren das schnellste und stolzeste war unter allen, die ihren Bug zwischen der alten und neuen Welt durch die Wogen trieben! Ins alte Eisen ein Dampfer, dessen Einrichtungen, dessen Größe und Schnelligkeit vor 15 Jahren die Bewunderung der ganzen Welt erregten! Und in den englischen Häfen rüsten sich jene ungeheuerlichen Cunardsteamer, von denen jeder fünfmal die „Lahn " oder viermal den nach ihr eine Weile so viel besprochenen „Fürst Bismarck" an Größe und Maschinenkraft übertrifft, schon langsam zu ihrer ersten Fahrt. Inzwischen gab eS andere Meer-. wunder, gab es den„Kaiser Wilhelm den Großen" und„Kaiser Wilhelm den Zweiten", und wer hätte noch an die berühmten Schnelldampfer der 80er und 90er Jahre gedacht, es handelte sich denn darum, daß einer oder der andere von ihnen ins alte Eisen geworfen wurde? Lic transit jloria rnundi! Nicht auf einem, auf allen Gebieten rauscht die geschäftige Zeit über die Taten der Vergangenheit beängstigend schnell dahin. Werl redet heute noch von der soviel bewunderten Jungfraubahn? Und dabei ist sie noch nicht einmal ganz fertig! Aber neue, kühner« und immer kühnere Unternehmungen verdrängen ste von der Tafek, auf der die Ruhmestaten der modernen Technik eine, ach, so kurz« Spanne Zeit verzeichnet stehen. ES fehlt nicht mehr viel, so wrak die Bahn den Besucher des Berner Oberlandes aufS Wetterhorrl führen, schon nehmen die Pläne der Montblanc -Bahn festere Gestakt an, durch die sich Chamonix seinen Ruf unter den AnziehuugS- punkten der Schweiz erhalten zu müssen glaubt, und in Zermatt rüstet man sich, der Empörung aller Sport- und Naturfreunde zum Trotz, mit Ernst und Eifer zu den Entwürfen einer Bahn auf doS Matterhorn. Als ob nicht die ewigen Berge, wenn sie nickt zu unserem Glück ziemlich fest ständen, sich vor Lachen schütteln müßten über das klägliche Beginnen, ihrer diamantenen Majestät mit stählernen Schienen und rostigen Drahtseilen unter die Arme zu greifen!_ Kleines feialleton* Auch ein Kind. Sonntagbormittag. Die breit«, vornehme Geschäftsstraße liegt still und ausgestorben. Die großen, glänzen- den Schaufenster sind ganz geschlossen oder verhangen, das Wagen- gerassel des Alltags schweigt, und sogar die elektrischen Bahnen scheinen geräuschloser zu fahren.— Sonntagsstille. Aber sie wirkt hier nicht erquickend. Hierher gehört das geschäftige Treiben des Alltags, das Durcheinanderwogen von Arbeit und Nichtstun, von Kampf und protzigem Wohlbehagen. Diese Stille hat etwas Be« ängstigendes. Schwüles, weil man nichts als ein paar gelangweilte Nichtstuer und hin und wieder nur ein andere» Menschengesicht sieht.> Ich stehe an der Haltestelle und warte aus meine Elektrische- Sie kommt nicht, ich muß warten, und so gehe ich immer ein paar Schritte hin, ein paar Schritte zurück. In der offenen, grünumsponnenen Nische des eleganten Wein- lokales sitzen zwei Herren und gähnen beide in demselben Augen» blick, als ich dorthin blicke. Ich will_nuch umwenden, da bleiben meine Augen an einem Manne und einem Kinde hängen. Der Mann der Typus des„gewesenen Menschen". Der schmutzige, verlotterte Anzug, das gedunsene, viehische Gesicht, aus dem verwässerte stumpffinnige Augen blicken. Das kleine Mädchen vielleicht sechs Jahre alt— höchstens sechs. Sic ist sehr hübsch, aber Gesicht und Händchen sind schmutzig, und der rote Rock hängt in Franzen. Beide sprechen ein paar Worte, dann tut er die Hand auf, und die kleine Kinderhand läßt einige Nickelmünzen hineingleiten. Dann blickt sie zu ihm auf. So ein Blick. �-- Mir wird eiskalt in den Gliedern. Himmel, ich habe viel gesehen im Leben, aber so etwas;— nein, das ist ja nicht möglich!-- Und der Ausdruck hat sich über das ganze kleine Gesicht gebreitet: Furcht, Hingebung, Erwartung, alles, alle». was man nur in Worte fassen kann.— so— so sieht die Dirne ihren Beschützer an, wenn sie den Verdienst in seine Hände gibt. Und nun läuft die Kleine zurück zu dem Fenster des eleganten Weinlokalcs. Ich habe ihr ein paar Schritte nachgetan, ohne daß
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24 (8.5.1907) 88
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