gib sich selbst in der Brust eines Schulmeisters der Ruf der- nehmen läßt: jetzt oder nie! Noch konnte er hoffen, daß ein Mädchen über seine Persönlichkeit sein kahles Amt vergessen dürfte, und er warf neben dem Stuhl der Frau Petermann manchen zärtlichen Blick vorbei aus die goldhaarige Regine. Leider geschah es ohne Erfolg. Denn wenn auch die Tropfen, gleichviel, ob sie vom Himmel oder aus einer alten schadhaften Regentraufe herabfallen, allmählich einen Stein aushöhlen, so schmilzt doch das Herz einer reichen hochmütigen Wirtstochtcr nicht von dorfschulmeisterlichen Liebesblicken, selbst wenn sie noch so feurig sind. Es ist also nicht wahr, daß die Beharrlichkeit stets zum Ziele führt, und der arme Schul- Monarch mochte Trost in der Gemeinschaftlichkeit seines Leids suchen. Denn es war noch ein Bauernsohn aus Rothenburg da, den Neginens Batzen oft in den blauen Engel lockten. Aber auch dieser war der hochmütigen Regine lange nicht gut genug, wenn sie sich auch zum Zeitvertreib von beiden den Hof machen ließ. Infolge der zunehmenden llnbehülflichkeit der Mutter war die Wirtschaft allmählich ganz auf Regine übergegangen, und ihr Regiment war kein sanftes. Die weiblichen Dienst- boten wechselten häufig. Auch Mariens Bleiben in dem blauen Engel wäre vermutlich kein langes gewesen, wenn sie dem hef- tigen und herrischen Wesen Reginens nicht wie ein Rohr sich gebeugt hätte. Marie hatte es schlimmer noch, als die anderen im Hause. Wußte Regine nicht noch von der Schule her, daß Marie erzdumm sei? Was war daher selbstverständlicher, als daß Marie nimmer einen ihr gewordenen Auftrag richtig be- griffen und zur Zufriedenheit ausgeführt hatte? Solche Leute muß man zu allem stoßen, mit ihnen fortwährend zanken, und da sie dumm find, so muß man sie tüchtig an- schreien, wenn sie verstehen sollen. Der Wirt legte zuweilen für die arme Marie ein Wort bei seiner Tochter ein. Er meinte, Marie sei noch jung und sie sei fleißig und ordentlich: sie würde sich gewöhnen. Er rühmte sich eines feinen Auges in bezug auf die Frauen, und so hatte er Marie in den blauen Engel genommen, weil er überzeugt war, daß ihre zarte Ge- stalt und ihr feines Gesicht mit den großen nußbraunen Augen und dem reichen braunen Haar seinen städtischen Gästen als Hebe des Felsenkellers gefallen würde. Jeremias Petermann hatte sich darin auch nicht getäuscht; aber um so mehr hielt sich Regine zur Strenge gegen das arme Geschöpf verpflichtet. Ein so dummes, unerfahrenes Ding wie die Marie, konnte in einem Wirtshause gar zu leicht auf schlimme Gedanken ge- bracht werden und Regine wollte nicht den Vorwurf auf sich laden, den Weg des Verderbens für sie mit falscher Nachficht geebnet zu haben. (Fortsetzung folgt.) SczcUxon 1907. DK dekorativen Arbeiten. Die Landschaften. Einzelne Künstler. Die Plastik. Außer Liebermarai haben Gogh und Weiß besondere Kollektionen. Neun Bilder von Gogh hängen in dem großen Mittelsaal, links von der Tür. Bilder, die zuerst wie Stickereien anmuten, so markant, fast materiell ist der Pinselstrich, der sich gleichmäßig wiederholt, sich schlängelnd oder in Vierecken und Tupfen neben- einander. Die Farbe tritt bei Gogh in ihr Recht. Man betrachte andere Bilder daneben. Welch fabelhaftes Leuchten haben diese fast plastischen Bilder I Wie glüht das Licht! Es ist ein beinahe Wahn- finniges Streben darin, Farbe und Licht zu geben. Mit diesen Mitteln kommt Gogh zu einer dekorativen Geltung. Die fast flammende Helligkeit übt auf die Augen einen brennenden Einfluß. Das Aus- gleichende der Lust, der Wechsel von Hell und Dunkel ist zurück- gedrängt. Prall wie in glühender Mittagssonne entfaltet sich die Schön- heit der Dinge, die Farbigkeit. Mit lapidarer Kürze ist der Eindruck in dankbarster Prägiianz herunter geschrieben. Prächtig leuchtet die blaue, wie keb endig sich schlängelndeIris" vor dem gelben Hinter- grimd. Das Sonnenlicht ist fast materiell geworden in dem licht­aufsteigenden und ausströmenden.Getreidefeld". Wundervolle Frische hat die Landschaft mit dem breiten Acker im Vordergrund, während hinten ein keines, rotes Dach aufleuchtet und flimmernde Zartheit zeichnet; im Gegensatz zu diesem gewaltsamen Furioso das intime Bildchen in hellstem Grün.Hausgarten ". Diese Bilder muten fremd an, aber muß man sich an sie gewöhnen. Roch weiter als Gogh geht Münch, der mit dem Holländer Gogh, der in Frankreich Künstler wurde, stilistisch verwandt ist. Münch ist Norweger. Seme Bilder haben einen mehr flächenhaften Charakter, obwohl sie auch der Farbe aufs sinnfälligste huldigen. Seine Bilder haben Fresko« Charakter mid geben stärkste dekorative Eindrücke. Am höchsten steht da die LandschaftFrischer Schnee", die die Feinheit Mid Hellig- lest suggestiv gibt. Im Vordergrund als stärkster Akzent eine rote und eine blaue Kappe von Kindern, die aus dem Bilde heraus« gehen. Mit Gogh verwandt ist E. R. Weiß. Dieser junge Karlsruher Maler, der jetzt nach Berlin übergesiedelt ist, kennt die Tendenzen seiner Zeit. Er gibt sich den für gut erkannten Einflüssen hin und verschmilzt auf diese Weise südwestdeutsche Eigenart mit berlinischer Prägung. Es ist für ihn charakteristisch, daß er das Gute, Eigens der rheinischen Malerei und die neue Art der durch die Franzosen beeinflußten norddeutschen Art besitzt. Er verschmilzt beides. Nr- sprünglich ist ihm das Zeichnerische. Seine Bilder haben feste Konturen, breite Farbenflächen. Damit verbindet er die im- pressionistische Manier. Er kennt Monet und vor allem hat er van Gogh studiert. Eine interessante Mischung. Einer von den wenigen Künstlern, die auch im Intellektuellen be- deutend sind. Ein straffes Talent, das Disziplin über sich ausübt, das deutsch und international ist, das Einflüsse aufnimmt, ohne steh zu verlieren. Charakteristischerweife strebt Weiß auch zum Dekora- tiven. Eine Augenftende ist derSeptemberlvind", der über die hellen, grünen Hecken weht. Sehr vornehm wirkt die alte graue Fruchtschale auf schwarzem Grunde. Zu den dekorative» Arbeiten find fernerhin zu rechnen:.Hinaus» wandern" von R ö sler, das wie ein Fresko wirkt, aus den nackten Körpern und der Landschaft durch breite, grüne und graue, matte und doch helle Farben eine geschlostene Einheit schafft. Dahin ist auch Becker zu stellen mit seiner zarten, graugrünen, flächigen Frühlingslandschast, dem Acker mit den blühenden Bäumen. Arbeiten diese Kürstler mehr linear, wie auch Lamm, dessen breitflächige. trübtonige Landschaften an Trübner erinnern, so versucht der Franzose P u y eine Farbensinfonie zusammenzubringen. KS ein Liegender Mann"(Körper vor rotem Vorhang), sein BildAm Ufer des Meeres" mit dem weiten Ausblick ist dadurch interestant. Die brennenden Farben des in Italien sich aufhaltenden H e t t n e r streben ebenfalls dahin, durch Kontrastierung großer Massen Monumentalität zu gewinnen. Das Lichtproblem reizt auch Beck« mann, der aus der Stellung zweier Akte im Raunt vor grauem Hintergrund dekorative Größe gewinnt. Die Luft modelliert diese Formen, die darum absichtlich nicht strenge Kontur haben, ja ver« schoben erscheinen. Wie ein grotesker Witz wirkt dagegen das dekorative Gemälde von Strathmann.Der letzte Ansturm". Diese wütenden, auf- geristenen, bluttriefenden Gesichter(übrigens haben alle ein und dasselbe Geficht) ergeben in der Gesamtwirkung etwas Phantastisches. Die genaue Ausführung der Einzelheiten wirkt dagegen doppelt merlwürdig. Diese inhaltliche Komik fesselt auch an dem großen Bilde von B e l u s ch e k.Sonntag auf dem Tempel- hofer Feld". Eine vergrößerte, illustrierte Zeichnung, in der viel Arbeit steckt. All die unendlich vielen Figuren find getreu dargestellt. Die Trockenheit des Ganzen ist beabsichtigt und gibt Lokalkolorit. Wenn man trotzdem schließlich unbefriedigt bleibt, so liegt das daran» daß der Erfolg hinter dem Aufwand der Mittel zurückstehen muß, und bei längerem Betrachten macht sich zu sehr der Mangel einer malerischen Einheit bemerkbar. Das Ganze fällt auseinander und wirkt aufgebaut. Man muß wie von ungefähr die Säle durchwandern und dann wenn man hier und da auf die an den Wänden aufgehängten Bilder einen Blick geworfen hat und den vielerlei experimentellen Versuchen im Technischen seine Anerkennung gezollt hat, plötzlich L e i st i k 0 w sche Landschaften sich ansehen. Man muß sie lange ansehen, dann spürt man, was man bei vielen vielleicht interessanteren, originelleren Bildern vennißt: die Einheit, das Eigene, das Ganze. Leistikow ist nicht so diffizil wie Liebermann, nicht so dekadent wie Gogh. Mau wird dann öfter vorbeigehen und wie zufällig hinsehen und eine Ruhe, eine Harmonie verspüren, die aus dem Innern strömt, die nicht in dem Gegenständlichen liegt, die durch die Farben be- dingt ist. Leistikow kommt hier von den eigentlich dekorativen Entwürfen zurück; zurück zu der Süße seiner ersten, stillen, feinen Arbeiten. Aber er ist erfahrener geworden. Er hat gelernt. Und so vereint er mit der jünglingshaften Feinheit die Reife. Man merkt, er hat Monet , Pistarro, und wie die französischen Landschafter heißen mögen, gesehen und studiert. Aber er ist selbst geblieben. Er hat das, was man bei anderen, die technisch fein und raffiniert sin!* vermißt. Und selbst die ftanzöfischcn Landschafter übertrifft er in einem: er gibt seinen Bildern jene schimmernde Einheit, jenes all- seitig strahlende Leuchten, das nur Thoma noch auf frühen Land- fchaften hat. Dies ist deutsch , wenn man will.' Die Feinheit des Malerischen fällt auch bei dem unscheinbaren Bilde.Tauwetter" von Hagemeister auf; ein Pastell in Gran mid Weiß, von zartester Nuancierung, ohne jeden Effekt. Dann kommen eine ganze Reibe Landschafter, denen das Schüler» tum gar zu sehr an der Stirn geschrieben steht, und die ihr Hand» werk, frei nach Liebermann, als eine Art Liebhaberkimst ausüben. Die beiden H ü b n e r, von denen Ulrich der feinere ist; F r a n ck, der die grellen Farben liebt; Brockhusen, der von Gogh lernch in der Farbe orgiastisch schwelgt, dann sich Liebermann zum Vorbild nimmt, dann an Monet sich erinnert; B 0 n d h, der in Paris lebt und mit Vorliebe aus den Cafä» gärten malerische Arrangements macht; Brey er, der gern recht elegant sein möchte. Alle diese Künstler stellen un«