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und der Hof bot das Bild einer Verderbnis, wie sie schlimmer nicht
Sprachwissenschaftliches.
gedacht werden kann. Während aber in Frankreich die Revolution Ueber die Bedeutung der Namen Berlin und bor sich geht, verbleibt das spanische Volk in dumpfer Ruhe. In Köln ( a. d. Spree ) schreibt J. Hoffmann in der Naturwissensch. diese Zeit war Goya hineingestellt. Er fämpfte gegen die Invasion Wochenschrift": Bei der Erklärung des Wortes Berlin dürfte davon der fremdländischen Kunst, gegen Rokoko und Klassizismus. Und auszugehen sein, daß dieses Wort nicht bloß zur Bezeichnung von dieser scharfe Blick für das Gegenwärtige, das er sich als Vorbild Städten, sondern auch Seen und Plägen gebraucht wird. Es gibt nahm, lehrte ihn auch, die Verderbuis der Kultur im allgemeinen, bei Wittstock zwei Seen, welche der große und der kleine Berlin die ihn umgab, mit kritischen Augen zu betrachten. Er wurde heißen, in Halle zwei Plätze, die diese Namen führen( verHofmaler. Aber das hinderte ihn nicht, die fchlimmen gleiche Dr. Killisch, Berlin , der Name der deutschen KaiserZustände, die Greuel des Bürgerkrieges, die Grausamkeiten der stadt S. 8 u. 9). Auch wird daher Berlin in alten Urkunden Herrschenden, die Inquisition , die Anmaßungen und Vergewaltigungen öfters der Berlin " genannt( 1392 wird geschrieben„ An die des verdummten und habgierigen Klerus, scharf zu fennzeichnen. vier Gewerke und die ganze Gemeinheit tu dem Berlin "). Er tat das aus einem fünstlerischen Wahrhaftigkeitsinstinkt heraus. Ich bin deshalb auf den Gedanken gekommen, бав Und das Jähe, Reflexionslose, mit dem er gleichsam Momentbilder der Name Berlin mit dem Namen Warbelin oder Werbelin identisch der ihn umgebenden Kultur fixierte, stimmt mit dem Temperament und aus diesem Namen durch Metathesis entstanden sein könnte. feiner Rasse überein, der das Leidenschaftliche, Grelle eigen war. Bekannt ist ja der Werbellinsee und das an diesem See liegende So darf man bei ihm nicht ein überlegtes Progranim erwarten. Dorf gleichen Namens und die Stadt Fehrbellin , die noch im Lebendiges Empfinden durchzuckt ihn; ihm gibt er Ausdruck. Er Jahre 1217 urkundlich Warbelin heißt. Daß nun Werbelin oder folgt, als Künstler, dem Moment, dem er wahrhaftige Ge- Barbelin mit dem wendischen Wort für die Weide, das wrba heißt staltung gibt. ( der zwischen w und r liegende Vokal schwankt zwischen a und e
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Das Künstlerische tritt in der Technik zutage. Man sehe sich und hat überdies ein leises i vor sich, weshalb das Wort auch oft die Steindruce genau an, die ganz aufs Malerische angelegt find wjerba oder wjarba geschrieben wird) zusammenhängt, ist und doch das Charakteristische markant herausheben. Stierfampf- wohl als sicher anzunehmen. Daß aber aus dem szenen find in dieser Weise dargestellt. Welch' einzigartige Reize wendischen Wrblin sehr leicht Berlin im deutschen Munde Holt Goya aus dem Steindruck heraus! Das sieht man speziell bei werden konnte, dafür sprechen viele Analogien. Wie aus dem dem„ lleberfall". Ein Weib, das von einem Manne vergewaltigt mons Voſegns die Vogesen wurden, so konnte aus dem wrblin das werden soll. Wie ist da die helle Fläche des Papiers mitbenutzt, so bequemer zu sprechende Berlin werden. Wurde doch aus dem ferba daß nur vorn ein paar dunkle Flecke die beiden ringenden Gestalten( reka)- dem sorbischen Fluß durch Metathesis( Umstellung) Sbr( e) a, malerisch zu einer Einheit verschmelzen. Dieselbe Art der Technik unsere Spree. Der Sorbenfluß hieß die Spree, weil das Volk, finden wir in einigen Zeichnungen, in denen mit ein paar breiten welches der Deutsche die Wenden nannte und heute noch nennt, sich Tupfen die malerische Erscheinung einer Gruppe, eines Hintergrundes selbst die Sorben nannte und heute noch nennt. Für diese Abgegeben ist. Goya ist in der Hauptsache Maler, er geht auf Töne, leitung des Namens Berlin aus Wrblin spricht aber auch noch der in Gegensäge von hell und dunkel aus. Vorzüglich sind seine Umstand, daß das Ländchen Bellin sein Hauptort ist Fehrbellin , Aquatinta blätter, auf denen vor einem schwarzbraunen weshalb der Name dieser Stadt auch als" Fähre im Lande Bellin" Hintergrunde fich die mittlere Szene in hellerem Mattbraun aufbaut, erklärt worden ist noch heute seinem Namen Ehre machen die Fülle wenn während vorn die Gestalten in grellen Reflegen schreckhaft, phantastisch würde durch seiner Weidenbäume, altch aufblizen. Dann aber nimmt Goya auch die Linie zu Hülfe. Und„ Bellin" eine zurechtmachung des wendischen Wortes hier muß man speziell beachten, wie er die Physiognomien als Mittel wrblin wäre. Endlich sei darauf hingewiesen, daß die heutigen benugt, diese tierisch rohen Gesichter, in denen er alles verhöhnt, Wenden unsere und ihre Hauptstadt nicht Berlin , sondern Barlin was Ansehen und Ehre heischen will, die Geldgier der Pfaffen, die nennen. Ist also die Deutung Weiden " richtig, dann träte hier Macht der Herrschenden, die Torheit der Wissenschaftler. Mit einem wieder wie in dem für Fehrbellin bezeugten Warbelin" das a in geradezu dämonischen Lachen fegt er all das hinweg. Die Erde wrba( wjarba) hervor. wird ein Tummelplatz niederster Lüste, roher Grausamkeiten. Goya zerstört, er jegt nichts an feine Stelle, man müßte denn dieses tiefe Gefühl, das ihm die Kraft zum wütendsteu Hohn gibt, als das Positive, Neue bezeichnen.
So wechselt seine Technik, ist bald malerisch- fleckig, bald linear; bald benutzt er die ganze Fläche, bald läßt er aus dunklem Hintergrunde die Phantastit aufblizen, bald läßt er die Fläche weiß, um nur ganz fparfam Tupfen oder Strichelchen zusammenzufügen. Immer aber ist er gewandt und erreicht seine Wirkung.
Goya hat verschiedene Zyklen geschaffen. Die einzelnen Blätter sind mit Unterschriften versehen, die manchmal noch schwer zu verstehen sind. Auch darin ist oft schon versteckter Hohn.
Caprichos( Capriccios, Einfälle) nennt er solch eine Folge. Ein Mensch mit feltopf figt bei einem Kranken, der im Bett liegt, fühlt ihm den Buts; Unterschrift: Woran wird er sterben? Danu: Am Galgen baumelt ein Gebenkter. Eine spanische Schönheit bricht mit abgewandtem Gesicht und schaudernd dem Toten die Zähne aus; Unterschrift: Auf der Jagd nach Zähnen.
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Da Kölln, wie wohl jezt allgemein anerkannt ist, nichts anderes als Pfahlbau" bedeutet( Stollna heißt noch heute jedes Haus im Spreewald, da es auf Pfählen steht( tol der Pfahl, folt Pfählchen, Schandpfahl am alten Berliner Rathause), so wird Berlin feinen Namen vielleicht schon von den im Spreetal sich in der Urzeit ansiedelnden wendischen Pfahlbauern erhalten haben.
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Humoristisches.
Der G'icheitere. Da heißt' s immer, daß dem Forstmeister sein Hund so g'scheit is! Den fönnt man mit dem größten Leckerbissen allein lassen er rühret' nichts an!. Da is mein Waldl doch viel g'scheiter! Der fresset' in an' solchen Fall alles auf!"
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die
Ein Beitkin d. Onkel( in der Kunstausstellung vor dem Gemälde" Adam und Eva" zu seiner fleinen Nichte):" Weißt Du denn auch schon, mein Kind, wer diese beiden Menschen hier sind?" Elschen: Dja! Das ist ein Papa und eine Mama ' Ein anderer Zyklus heißt Desastros"( Berheerungen). Die nehmen ein Luftbad" und gebrauchen eine„ Obstkur"!" Blätter schildern die Schrecken des Krieges in diabolischer Weise. Ein Haufen übereinanderstürzende, nadte Leichname; Unterschrift:-Von der Sekundärbahn. Nun, heut' ohne Ver Seid ihr dazu geboren? Auf einem anderen Blatte ringen Männer spätung!?"„ Ja, ein Lausbub' ist vor dem Zug hergelaufen und und Weiber miteinander wie wilde Tiere. Dann wieder ein Haufen hat dem Lokomotivführer alleweil a' lange Nas'n gemacht!" Leichen; junge Leute, dabei steht ein altes Paar; Unterschrift: Begraben und schweigen! Leichenräuber ziehen die Toten bis aufs Hemde aus; Unterschrift: Sie machen's sich zunuze. Ein Haufen Weiber in Todesangst wie ein Stnäuel sich zusammenballend, von rechts nahen vorgestreckte Speere; Unterschrift: Das ist nicht mehr anzusehen.
Schrille Szenen find das voll graufigsten Humors. Aber immer bleibt das Künstlerische noch beherrschend bestehen. Auf eine fleine Fläche ist eine Fülle von Licht und Schatten gebannt. Gesicht und Gestalt dienen in ihren grotesken Erscheinungen als Mittel. Diese Freiheit, die ins Phantastische einmündet, wird noch deutlicher in den Blättern, auf denen Goya Traunvisionen darstellt. Menschen fliegen da mit Fledermausflügeln in der Luft; auf einem breiten Ast ſizen alte Weiber und Männer; ein blinder Sänger gröhlt und ein Mann fizzt auf einer Schaukel. Hier find Realität und Phantasie zu Gebilden von seltsamer Eindringlichkeit verbunden.
Wenn man fragt, ob Goya für die moderne Zeit noch Be deutung hat, so muß man einmal hinweisen auf das scharfe, sozial fritische Räsonnement, das den Inhalt seines Werkes bildet, dann auf die Feinheit der technischen Behandlung, von der Klinger viel gelernt hat. Auch der moderne Holzschnitt hat von hier Anregungen entnommen. Goya steht in der Mitte zwischen alter und neuer Kunst, und er gilt als erster moderner Künstler, eben durch die psychologische Vertiefung seiner Motive.
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Notizen.
- Die Berliner Universität zählt in diesem Sommer 6496 eingeschriebene Studenten, 73 weniger als im Vorjahre. Die Liebedienerei vor dem Zarentume tommt auch in dieser Austalt, die doch nur den Wissenschaften dienen sollte, zu Worte. Es sind nur 309 Ruffen zugelassen( 163 weniger als im Sommer 1906 und 112 weniger als im letzten Winter). Als Gasthörer sind 427 Männer und 438 Frauen zugelassen( 389 Frauen im Sommer 1906).
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Das tonfiszierte Wien . Hermann Bahrs Buch über Wien " wurde in Wien konfisziert. Die untertänigste Vorsicht des deutschen Verlegers, der den österreichischen Staatsanwalt vor Herausgabe des Buches um eine Zenfur angegangen war, hat also nicht einmal genügt.
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Die Villa Falconieri in Frascati bei Nom, ein herrlich gelegener fleiner Landfig, wurde von einem deutschen Bankier dem Kaiser geschenkt. Es heißt, sie sei vom Stifter zum Aufenthalt für deutsche Künstler bestimmt. Hoffentlich ergeht es der Villa nicht wie manchen Künstlerhäusern, die allen möglichen Prozen und Repräsentationswütigen, nur nicht den Künstlern zugute fommen. Drud u. Verlag: Vorwärts Buchdruckerei u.Verlagsanstalt Paul Singer& Co..Berlin SW.