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Heinrich Tiedemann steht neben mir, Schweiß auf der Stirn. Am liebsten hätt er beim Betreten des Schulzimmers vor den dunimen Jungen drei Verbeugungen gemacht. Na, ich muß ihn seinem Schicksal überlassen.
Als ich nachher fragte, wie es gegangen sei, stammelte er: gut. Besser, als ich dachte."
" Sehr
Aber anstatt daß er nun Tag für Tag sicherer erschien, wird er nur verzagter. Ich merkte nicht viel davon, denn der Beginn des Schuljahres bringt viel Arbeit für den Direktor. Aber ein Kollege macht mich darauf aufmerksam, daß es in der Quinta arg lärmend zuginge, wenn Heinrich Tiedemann unterrichte.
Salte also eine kleine Ansprache, worin ich die Klasse zu Eifer| fönnen. Wenn tatsächlich in der Freinlichsten Stadt der Welt, wie und Gehorsam ermahne. Berlin sich so gern nennen hört, die Sprengung des Straßendammies vor der Bearbeitung durch die Kehrmaschine nur dadurch erfolgt, daß ein Arbeiter mit einer Gießlanne das Pflaster anzufeuchten sucht, so ist es ganz selbstverständlich, daß eine solche Vorkehrung durchaus ungenügend ist. Nur bei völliger Durchnässung läßt sich der Straßenstaub restlos zusammenkehren, während sonst der größte Teil aufgewirbelt und in die Lust zerstreut wird, worauf er dann wieder auf das Pflaster und alles, was sich darauf und in der Nähe befindet, zurückfällt. Am allerschlimmsten ist es, wenn nun gar der zusammengefegte Staub mit einer offenen Schaufel in einen offenen Wagen geschafft wird. Ist es dabei gleichzeitig noch windig, so kann man fast sagen, daß die Straßenreinigung unter dieseiz Umständen mehr schadet als nügt. Der Verzicht auf die Sprengung der Straßen vor ihrer Reinigung hängt vermulich damit zusammen, daß erstere im Winter auf gewöhnlichem Wege doch nicht bewerkstelligt werden kann, weil sich sonst eine für den Straßenverkehr gefährliche Eisbildung ergeben würde. Auch dafür aber muß es Mittel geben, die vor allem in der Anwendung von Salzlösungen zu finden sein werden. In Dresden werden Lösungen von Kochsalz schon seit Jahren bei trockenem Frost in reichlichem Maße erfolgreich verwandt.
Ich wollte so wie so in nächster Woche zuhören, gab aber auf diese Mahnung hin schon jetzt acht und erlebte mein blaues Wunder. Die Schüler spielten direkt mit ihrem Lehrer. Das war ein Lärm und Leben in der Klasse, und die zitternde, weinerliche Stimme des Kandidaten schrie vergebens ab und zu:" Ruhe... ich bitte um Ruhe!"
Ich steh im Korridor, hör mir das an, doch als mir der Lärm zu bunt wird, öffne ich die Tür.
Im Augenblick ist es mäuschenstill. Als könnten sie kein Wässerchen trüben, sizzen die Jungens in den Bänken, während Heinrich Tiedemann, die Hände gefaltet, auf dem Katheder steht, totenblaß, und jetzt, wo es nicht mehr nötig ist, zum zehntenmal: " Ich bitte um Ruhe!" ruft.
Er weiß nicht, ob er bei meinem Anblick sich freuen oder grämen soll.
Na, ich fahre mit einem kräftigen Donnerwetter drein, lasse die ganze Quinta zwei Stunden brummen und ersuche den Kandidaten, unnachsichtig mir jeden Störenfried zur Anzeige zu bringen respektive ihn streng zu bestrafen.
Weil ich gerade da bin, bleib ich. Und höre zu, wie Heinrich Tiedemann unterrichtet.
( Schluß folgt.)
Kleines feuilleton.
Theater.
Schiller Theater O.: Die Schmuggler", Komödie in vier Akten von Artur Dinter . Das Stück des jungen elfässer Autors, welches ursprünglich für das Charlottenburger Schiller- Theater angekündigt, infolge lokaler Zensurschwierigkeiten zuerst auf der Bühne des alten Berliner Stammhauses erschien, ist bereits vor mehreren Jahren veröffentlicht und in einem provinzialen Konkurrenzausschreiben preisgekrönt. Sonst würde man meinen, der unsterbliche Streich des Köpenicker Hauptmanns habe die Erfindung inspiriert. Schade, daß die hübsche Idee nicht eine sorgfältigere Ausarbeitung gefunden, daß das Lustige, namentlich im ersten Teile mit so viel ermüdenden Breiten und billig grellem Possenkrant versetzt wurde. Der Kern trug wohl die Möglichkeit wirklich zu einer„ Komödie", als welche sich das Werk bezeichnet, auszuwachsen. So aber ist, alles in allem gerechnet, doch nur ein ziemlich mittelmäßiges Zwischending von Schwank und Volksstück herausgekommen.
Den Schauplatz der Szenen bildet ein Wirtshaus an der elsässisch- französischen Grenze, dessen Besitzer nach außen hin den untadelhaften deutschen Reichsbürger marliert. Er ist Säule des Kriegervereins und faßbuckelt vor den preußischen Gewaltigen, um seine geheimen Geschäftsverbindungen mit den Schmugglern möglichst ungestört weiter betreiben zu können.
Die Handlung schleppt sich in lauter belang- und ziellosen Episoden, unter gleichgültigen Personen, abgegriffenen und zum Teil, wie das professorale Ehepaar, unglaublich verzerrten Typen, bis weit in den zweiten Aft hinein. Erst mit dem Augenblicke, da der berühmte Schmugglerführer Sperber ein fecker Bursch, der nach Absolvierung eines Kursus in der französischen Fremdenlegion zu feinem alter Handwerk zurück gekehrt ist ipringt, tommt Leben und Bewegung in den trägen Fluß. aus dem Kamin in die Wirtsstube Im Handumdrehen hat er seine Spigbubenkleider mit einem eleganten Touristenanzuge vertauscht und spielt sich nun, wie ein Grenzbeamter ins Lofal tritt, als der von der Regierung zur Prüfung der reichsländischen Zollverwaltung neu entsandte Oberinspizient auf. Seine von verblüffender Sachkenntnis zeugenden Ergüsse über das Schmuggelwesen und seine näselnden Orders werden von dem erschrockenen Subalternen respektvoll entgegengenommen. Sein Coup gelingt ihm gleich vollkommen auch bei dem hochmögenden Herrit Steuerrat. Auf seinen Wunsch erklärt sich dieser sofort bereit, dem Wirte, Sperbers Spießgesellen, zur wirksameren Bekämpfung des Schmuggels die Würde eines Bollaffistenten zu verleihen. Die Komit gipfelt in dem dritten Alte, wo Sperber ganze Pakete ge schmuggelter Uhren mit dem Wirt zusammen versteckt und da die Beamten den verdächtigen Koffer auf Konterbande untersuchen wollen, als Herr v. Meier, in seiner Inspizienteneigenschaft erfolgreich interveniert. Am Ende trabt er auf dem Gaul des Steuerrats ins Weite.
Die staubfreie Straßenreinigung ist ein Ideal, dessen Erfüllung man wenigstens an manchen Orten während der letzten Jahre ernstlich angestrebt hat. Die Großstädte haben die im Sinne der Volksgesundheitspflege heilige Pflicht, auch auf diesem Wege vor bildlich voranzugehen. Daß manches schon erreicht worden ist, erkennt der Großstädter dann am besten an, wenn er einmal wieder sieht, wie in kleineren Orten die sogenannte Straßenreinigung ohne Anwendung von Wasser mit einem trockenen Besen verübt wird. Man könnte ganze Vände schreiben, um zu beweisen, daß ein solches Verfahren so ziemlich die gesundheitsgefährlichste Beschäftigung ist, die in den Straßen eines Ortes überhaupt vorgenommen werden kann. Wenn viel Staub auf der Straße liegt, ist es an sich schlimm, weil er schon durch leichtere Luftströmungen, außerdem durch die Füße von Menschen und Tieren aufgewirbelt wird und so in die Atmungswege gelangt, wo er wegen seines ständigen Gehalts an frankheiterregenden Keimen böse Folgen hervorzurufen vermag. Wenn nun der Staub außerdem noch durch künstliche Mittel in Bes wegung gesetzt wird, so kann dadurch die Luftverpestung nur noch gesteigert werden. Mit Ausnahme der Wohnungshygiene gibt es wohl überhaupt kein einziges Gebiet, auf dem der Gesundheitspflege und der sie unterstützenden Tecmik Aufgaben von ähnlicher Tragweite gestellt sind, wie die der Straßenreinigung. Der Gesundheitsingenieur" widmet diesen Aufgaben auf Grund eines Aufsatzes des Stadtbaumeisters Nier aus Dresden eine gründliche Besprechung und befürwortet darin eine möglichst weitgehende Berücksichtigung der von diesem Fachmann aufgestellten Forderungen und Vorschläge. Uebrigens wird in diesem Aufsatz die Klage erhoben, daß bei der nächtlichen Straßenreinigung selbst in Berlin Wasser entweder gar Ausgezeichnet brachte wald in dieser Figur die Lust an dem nicht oder nur in ganz ungenügender Menge verwandt wird. verwegenen das Treiben, übermütig dreiste Darunter leiden nicht nur die in einer Weltstadt auch zu jeder Selbstgefühl sowie Krast und den echt naturalistischen Unterton des Nachtstunde auf den Straßen sich bewegenden Bassanten, sondern Bäurischen Emmy Wyda spielte eine heiratsder aufgewirbelte Staub dringt auch in die Wohnungen ein. wütige Schwägerin mit überraschend gelungener Nachahmung des Er beschmutzt ferner die Mauern der Häuser und trägt endlich Stils, in welchem Fräulein Wangel folche älteren, säuerlichen Damen dazu bei, die spärlichen Rafenflächen und das Laub der Bäume darzustellen pflegt. Die Wirkung Kirschners in der Rolle des in ein tribes Grau zu verwandeln und im Wachstum zu schädigen. spizzbübischen und ängstlichen Wirtes war durch ein Uebermaß Die Berliner nächtliche Straßenreinigung wird geradezu als das stereotyper Bewegungen, die Paul Ottos in der Figur des Gegenteil von dem bezeichnet, was der Stadtbaumeister Nier schon dummen Steuerrats durch ein fritillos übertreibendes Karitieren bebei der letzten Versammlung des Deutschen Vereins für öffentliche einträchtigt. Das Publikum schien sich bei der Novität sehr gut zu Gesundheitspflege als Grundregeln für die Bekämpfung des Staubs amüsieren. im Hause und auf der Straße gefordert hat. Da ein Jneinandergreifen der Tätigkeit von Sprengwagen und Reinigungsmaschinen wohl nie in vollkommenem Maße zu erzielen ist, so ergibt sich der In der Großen Berliner Kunstausstellung wurde Schluß von selbst, daß mur Kehrmaschinen benutzt werden sollten, die kunst gewerbliche Abteilung, die eine Anzahl von die das Sprengen gleichzeitig besorgen können. Es darf erwartet Innenräumen umfaßt, eröffnet. Im Vordergrund des Interesses werden, daß die für die Berliner Straßenreinigung verantwortlichen stehen die Zimmer, die Bruno PaulI entwarf. Es sind im Drgane sich die im Gesundheitsingenieur" erhobenen Klagen recht ganzen neun Räume, von denen drei von der Dresdener vorjährigen genau ansehen und, da sie schwerlich leichtfinnig erhoben Ausstellung her bekannt sind. Der„ Simpliciffimus" machte zuerst worden sind, zu Herzen nehmen werden. Auch die meisten anderen den Namen des Künstlers bekannt. Er zeichnete darin jene stofflich Stadtverwaltungen werden aus dieser Auseinandersetzung lernen derb zupackenden, künstlerisch so markanten Bilder, die durch die
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Kunstgewerbe.
dt.