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Biffpaff!" Yacht der Seff, ba haste Dein Fett. Necht haben Sie, berehrter Herr Gratiskostgeber... das Laster muß man ftrafen!"
Mit'n gratis" muß dat nu doch bald uffhören, nig für uns gut 1" sagt der Kleine mahnend, und sein Blick ist triumphierend wegen seines anerkannt guten Wizes.
Nig für ungut!" Er geht wieder zur Tür. Im Rahmen aber wendet er sich noch einmal.
Und wat ich noch sagen wollte- erinnert er sich, unten figt der Briefbote mit'n eingeschriebenen Brief für'n Herrn Eduard Gaftelmeier 1"
Hä?" schreit der Edi und stürzt wie aufgepeitscht nach der Tür.
" Wa- as?" schreit auch der Seff und verliert einen Teil seiner Selbstbeherrschung.
"' n eingeschriebener Brief für'n Herrn Eduard Gastelmeier!" wiederholt der Kleine gleichmütig, schon auf der Treppe.
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Warum haben Se das nich gleich gesagt Sie Nilroß, mit Verlaub zu sagen!" brüllt der Lange die Stiege himmter.
Der Hauswirt bleibt noch einmal stehen. Er fühlt sich doppelt beleidigt: erstens durch das Wort überhaupt und zweitens, weil es doch durchaus nicht auf ihn past.
" Ich lasse meinen Jästen ruhig ihr Bier verkonsumieren," ruft er mit Würde hinauf. Aber von Leute, die keenen Fennich Jeld nich haben, laß id mir prinzipiell nich beleidigen!"
Oben aber fuchtelt der Lange wie ein Frrjinniger mit den Armen durch die Luft: Wenn das nich eine von den Tanten is, laß ich mich hängen!" Der Seff hat sich schon wieder beruhigt.
" Ich hab'' ne Vision!" sagt er und versucht, seine knöcherne Stirn in finnende Falten zu legen, eine Deiner Tanten jeh' ich in der Heerschar der Seligen und Dich, Glücklichster der Sterblichen, im Besiz rollenden, klingenden Mannions. Aber so hol doch den Schreibebrief!"
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Der Lange starrt den Sprecher einen Augenblick wie verloren an dann poltert er hinab.
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Und poltert nach einem Weilchen wieder hinauf. Und in höchster Freude Fistelton gellt sein Jubelruf:
Deine Vision, Seff, Deine Vision!!-
Die Durchschnittsmenschen haben ihr Tagwerk längst begonnen. In den Werkstätten fallen die Hämmer und fnirschen die Feilen. In den Schreibstuben krizeln die Federn und schnattern halblaut ruhloje Lippen. Unterm lichtblauen Himmel aber, durch die lachende Frühtagssonne, rollen Wagen, inallen Beitschen und huscht hie und da ein freies Lachen.
" Aeäääh". Der Seff redt seine Säbelbeine auf dem Sofa und hebt langsam die schweren Lider. Er läßt seine Zunge im Mund herum und über die Lippen wandern: überall bitter wermutbitter. Er macht die Augen wieder zu und öffnet sie wieder: „ Edi!" ,, Mmmm!" regt sich nicht.
- Der Lange liegt schwer und tief im Bett und
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" Na, penn' weiter!" beginnt der andere zu philofophieren. Aber wo find nur die Grete und die dicke Steffi geblieben?" Er sinnt und sucht. Doch in trübträgem Fluß ziehen danken durcheinander: sie kreuzen sich, überholen einander Nebel verschlingen sich, verwachsen
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die Gewie im
Da eine greifbare Erinnerung: 50 Mark hat ihm der Edi gegeben. Also! Er wälzt sich herum und sucht seine Hose. Da liegen mur Rod 10 Pf.- und Weste! Aha, er hat sie noch an. Da 30 f. 80 821 Nichts mehr!
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Der Seff wird unruhig: „ Du, Edi Ediiiii!"
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Aufgeschreckt fährt der Lange in die Höhe.
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Brrrr!
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Hände fahren ins Haar, daß ihm katerstarr in den Kopf sticht: Du, das Leben is bitter!"
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Seine
" Haste noch Moos?" fragt's erwartungsvoll vom Sofa her. Wart' mal
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20-40
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52; ja,
ich
hab' noch eine Mark 47." Schiveigen. Dann fragt's wieder nach einer Weile: Wieviel war's denn eigentlich im ganzen?" "' s war die Geringfte," sagt der Lange wie entschuldigend. Und ich hab' mit' n paar Bettern und Basen teilen müssen: 323 Mart im ganzen. 65 hab' ich dem zahmen Ziegenbod gegeben."
Seff pfeift durch die Zähne: 323! Haste moralischen?" Unsinn!" knurrt der andere furz.
"
" Jm„ Tiefen Keller" haste vergessen, den Champagner zu bezahlen; da haben sie Dir 50, Mark abgeknöpft."
„ Du hast der dicken Steffi' n gwanzigmartstid gegeben. Wenn fie's biegen könnt', dürft' sie's behalten. Gebogen hat sie's nich glaub' ich aber behalten."
" Jm„ Kindl" hab' ich' ner Kellnerin 3 Mart für'n Ruß ges geben", sinnt der Seff weiter,„ Dir gab sie nachher' n Dußend
gratis.
Mit der kleinen Welschen im„ Kaiser- Café" hab' ich' ne halbe Stunde lang Kopf oder Krone" mit Zweimarkstücken gespielt", erinnert sich der Edi, fie hat natürlich immer richtig geraten."
.Summa fummarum: futsch 1" resümiert Seff kategorisch.
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" Futsch!" bestätigt der Lange phlegmatisch.
Schweigen. Bon draußen fließt die warme Somme durchs Fenster und schmeichelt sich wohlig in die müden Glieder. Die Amseln singen. „ Auch in der tiefsten Not hält sich das Menschenherz an schwachen Trost!" deklamiert der Seff plöglich. Wieviel Erbtanten haste, Edi?"
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Der bricht in Lachen aus und hält fich lachend den brummenden
Schädel.
Unseren Lebensgeleitsspruch müssen wir abändern," sagt er, „ also: ich besige nummehr noch drei effektive Erbtanten; zwei sind ledig und über die sechzig...
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Eine ist finderlos verheiratet," fährt Seff topfnidend mit Ernst und Würde fort, ihr Mann ist ein hoher Siebziger und leidet seit Jahren an Asthma! Hoffentlich hafte von gestern noch irgendwo ' ne Henry Clay " für mich?"
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Kleines feuilleton.
Neue Jugendspiele. Während der Jubiläumsfeierlichkeiten der Stadt Mannheim fand auch ein Kinderspielfest ganz neuen Stils auf den städtischen Rennwiesen statt. Es handelte sich dabei um die Ausführung eines Gedankens des Stadtschulrats Dr. Sidinger, der nicht nur die Aufmerksamkeit aller fachmännischen Kreise, sondern vor allem auch das Interesse des großen Publikums aufs höchfte erregt hat. Das Hauptinteresse galt den Massenspielen, wie sie bisher noch nirgends versucht worden sind. Nicht weniger als rund zehntausend Kinder der Volks- und Mittelschulen waren daran bes, teiligt. Der Spielplatz war der etwa quadratkilometergroße, grüne, von festlichen Fahnen überwehte Rasen der Mannheimer Renna wiesen. Mancher zerbrach sich den Kopf darüber, wie dieser Riesens platz durch die Kinder so belebt werden könne, daß das Ganze nicht einem planlosen Durcheinander glich. Des Rätsels Lösung erfolgte bald in ungeahnter Weise auf dem Wege der Anschauung.
Unter den Klängen und geführt von zwei Musikkapellen bes gann der Einmarsch des jungen Volkes durch zwei Eingänge rechts und links von den großen Zuschauertribünen. Rechts vom Zua schauer schritten stramm die Knaben in dunklen Kleidern, links warfen die Mädchen in weißen Röckchen die Beinchen, daß es eine Lust zu sehen war. In zwei ungeheuren Schlangenlinien ents widelte sich nicht unähnlich dem Aufrollen eines Läufers der Aufs marsch in zwei großen Streisen mit einem Durchmesser von vielleicht einhundertfünfzig Metern. Aber nur einen Augenblick standen die beiden Kreise auf dem grünen Rasen gezeichnet. Sie löften sich in zwölf Radien auf, die sich um die Musikkapelle als Mittelpunkt zu einem Riesenstern gruppierten. Einige tausend Kinder auf dem grünen Malgrund als lebendiges Farbenmaterial benutzt, das ist nicht nur etwas ganz Neues, sondern auch überwältigend Schönes. Aber auf einmal kommt zunächst der Stern der Knaben in Bewegung, und zwar nach dem Takte der Musik. Ein Koma mando! Eine gleichmäßig durch alle zwölf Strahlen zitternde Bea wegung und die Figur, die sich bis jetzt nur dunkel bom grünen Rasen abgehoben, ist hell geworden. Die Knaben haben sich ihrer Kittel entledigt und stehen nun in Hemdsärmeln da. So absolut un auffällig ein solcher Vorgang bei einem oder einer kleinen Anzahl von Knaben ist, so gewaltig überraschend ist der Effekt, wenn es sich um fast dreitausend Knaben handelt. Das ist ein so plöblicher, una erwarteter Farbenwechsel, daß die Zuschauer sich dem gewaltigen Eindruck dieses äußerst einfachen Trids nicht entziehen fonnten, Und nun entwickelte sich nach dem gleichen Prinzip rascher, eins facher Farbenveränderungen in den Linien dieser lebendigen Riefensterne ein Schauspiel, das jeden, der es zum erstenmal ges nießt, zu Ausrufen des Entzüdens hinriß. Die Knaben nahmen mit einer raschen Bewegung auf dem Rasen neben ihnen liegende bunte Fähnchen auf, deren Farben mit feinem Geschmack auss gelesen waren. Die Strahlen der Sterne bestanden jeweils aus zwei Linien und die Fähnchen dieser zwei Linien waren in den Komplementärfarben grün und rot, orange und blau, weiß und biolett gehalten. Mit einem Schlage war nun der Stern farbig. Aber die ganze Wirkung trat erst ein, als die Strahlen dieses Sterns nun in Bewegung, gerieten, als die Fähnchen blitzschnell über den Köpfen geschwungen wurden, und schließlich die einzelnen Linien der Strahlen gegeneinander und auseinander rückten, durch Schwingen der Fähnchen immer neue Farbeneffekte zustande bringend. Es gibt nur einen Vergleich, um die Wirkung dieses Massenspiels anschaulich zu machen: den vom Kaleidoskop. Wie dort die farbigen Gläser, immer wieder neue Figuren und Farbena zusammenstellungen bildend, zusammen und wieder auseinandera fallen, so hier die Linien der Knaben entweder mit gesenkten oder gehobenen ruhig gehaltenen oder geschwungenen vielfarbigen Fähnchen.
War nun schon dieses Farbenspiel der Knaben ein hina reißender Anblid, so fannte das E- tzüden der Zuschauer feine Grenzen mehr, als der weiße Sterr der Mädchen lebendig wurde. War dort die straffe Raschheit der Bewegungen die Ursache des Effetis, so hier die graziöse Leichtigkeit. Schon die hellen Kleider der Mädchen hoben sich viel zarter von dem grünen Grund ab. Aber auch das Farbenmaterial war duftiger. Die Kleinen in den Flügeltleidchen hatten je, zwei Kränze in der Hand, und zwar in bergißmeinnichtblauer, flatschrosenroter und tulpengelber Farbe