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Laute, voll Wahnsinn, wilde, furchterregende Laute noch verlangen, niemals erstreben. Nichts vermag sie hinzureißen, stürmten durch das Zimmer. Als wären Haufen feindlicher aber die geringste Grille verbittert ihnen das Dasein. Ihre Ge Ungetüme aufeinander geraten, jedes mit zehn Rachen und danken und ihre Empfindungen, nicht durch ein Lebensziel in einem hundert Zähnen, und als hätten sie in wahnsinniger Wut, in Brennpunkt gesammelt, dem in Kampf und Lebensdrang die Arbeit Haß und Schmerz, brüllend und heulend, mit allen ihren und getragen, wie die Spreu im Winde, und sinken, wie Spreu, entspringt, werden von flüchtigen Stimmungen auseinandergelöst Rachen, mit allen ihren Zähnen einander erfaßt, um sich traftlos und nuplos zu Boden. gegenseitig zu zerfleischen.. In Wirklichkeit aber schrie ein einziger Mensch. Es schrie Anschl.
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Starte Fäuste hielten ihn. Er konnte keine Muskel rühren, so start wurde er gehalten. Und all sein Entsetzen, all seinen Haß, alle seine endlose Verzweiflung konnte er bloß in seinem Schrei ausdrücken.
Es schrie Anschl.
Minna aber schwieg.
Sie biß die Zähne zusammen und schwieg.
Der Kautschukstreif flog auf, um pfeifend niederzuflatschen. Er bohrte sich in den blassen Körper wie ein Meffer in den Teig, um gleich darauf wieder in die Höhe zu fliegen.
Und schwarz- rot- blaue Striemen brandeten auf. Und wieder eine... und wieder eine.
Wie aber hier, wo es keine Außenwelt gab, feine äußeren Eindrücke, außer dem Girren der Tauben, den Signalpfeifen der Dampffutter an der Newa und dem Glockenspiel der Festungsuhr, die jede geschlagene Stunde von neuem ihr Gott schütze den Zaren" begann?
Das Lesen von Büchern ist an und für sich ebensowenig Arbeit, wie das Turnen Arbeit ist. Unsere Tätigkeit muß, nach unserer menschlichen Logit, ein handgreifliches Ergebnis haben. Sonst fühlen wir uns unbefriedigt, und die Kräfte unserer eigenen Natur wenden sich gegen uns. Dieser Aufruhr der inneren Kräfte tann so groß sein, daß die Menschen nach einem Betäubungsmittel suchen, um ihn zu unterdrüden. Diesem Zwecke dient der Rausch, obwohl das Bedürfnis nach diesem auch anderen Ursachen, wie Ueberreizung, Ermüdung usw. entspringen fann. Es will mir scheinen, daß in der Lahmlegung der Gehirntätigkeit auch der Reiz und die Ansteckungsgefahr gewisser religiöser Uebungen liegen, die bei den Fatiren in Ostindien, aber auch in manchen christlichen Sekten im Owie glücklich sind die Toten! O wie glücklich die Tot Gebrauch waren und noch sind, zum Beispiel Drehung des Körpers geborenen! wie selig die mit einem Schlage Getöteten! um die eigene Achse, Gesichtsverzerrungen und anderes mehr. Der Kautschukstreif fliegt auf. Der Kautschukstreif fällt Oft hatte ich das Bedürfnis, dem Ansturm der Gedanken und nieder. Nochmals und nochmals. Wieder und wieder.... dem Spiel der Phantasie, die kaleidoskopartig Bilder und Gestalten Und die wahnsinnigen Ungetüme mit ihren zehn hundert- vor mir häufte und veränderte, zu entfliehen, mich zu vergessen, zähnigen Rachen zerfleischen noch immer einander, und der und wäre es auch durch Sinnverwirrung. So machte ich zum BeiKommissar sitzt wie früher mit ruhigem, leidenschaftslosem ſpiel tausendmal im Laufschritt den Rundgang durch mein Zimmer, Gesicht auf seinem Stuhle ein Mensch mit außerordentlich also 14 000 Schritt, und erzielte damit eine wohltuende Ermüdung Ich streckte mich auf meinem Bett aus und hatte für einige Augendicken und außerordentlich roten Lippen. blicke feinen Wunsch, keinen Gedanken, nur das rein physische Bedürfnis, auszuruhen. Das war mir eine Wonne.
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„ Sie ist schon besinnungslos," meldet Kowriga mit eintöniger Stimme.
Nun, dann bring sie zur Besinnung! Sen Kautschukstreif, Kowriga!"
Nimm Du mal Der Kautschukstreif fliegt auf, fliegt ab. Und wie ein Messer in rohes Fleisch bohrt er sich in den zerfleischten, schwarz rot- blauen Körper.
( Schluß folgt.)
Im fteinernen Sack.
Genosse Parvus hat Eindrücke, Stimmungen, Betrachfungen aus dem Petersburger Untersuchungsgefängnis, aus der Peter Paul- Festung und aus Sibirien in dem Buche: " In der russischen Bastille während der Rebolution"( Verlag von Kaden u. Co., Dresden ) niedergelegt. Wir geben einen Abschnitt daraus wieder, der be= zeichnend ist für die unbändige Kämpfernatur, die auch im steinernen Sad", der Isolierhaft der Peter Pauls- Festung, mit allen Fibern des Hirns und des Herzens an der großen Sache des Proletariats arbeitete und tiefe Gedanken schöpfte aus dem Brunnen der Vereinsamung und der Qual. In diesen Tagen, da die Führer des russischen Befreiungstampfes aufs neue dem Leben entrissen werden in das Dunkel der Gefängnisse, werden die Betrachtungen von Parvus wie ein Kommentar zu den Zeitereignissen wirken, die sich vor unseren Augen abspielen, und uns mit lebendigster Teilnahme für die Opfer des Zarentums, die hoffentlich bald seine Besieger sein werden, erfüllen. Literarische Tätigkeit war mir zur Lebensgewohnheit geworden. Es war meine Arbeit. Und ich war zur Untätigkeit verurteilt, ich durfte nicht arbeiten.
Gedanker., Bilder, Stimmungen drängten sich in meinem Hirn; da sie aber keinen Ausweg fanden in literarischer Schöpfung, blieben fie unvollendet, ungeformt, zerstoben wie die Funken, die der Hammer aus dem glühenden Eisen schlägt, verflüchtigten sich, wie die Wölkchen am Himmel.
Wie die Glaskugel im Wasserstrahl, die sich hebt und senkt, die Sonnenstrahlen in tausend Lichtern bricht und dieses Spiel ewig wiederholt also war das Spiel meiner Gedanken.
Das Leben gibt uns somit unzählige Eindrücke. Unsere Aufmerksamkeit wird durch Menschen und Dinge gefesselt und in fortwährender Wechselwirkung mit unserer Umgebung verfließt uns die Zeit. Dennoch, wenn wir unsere Tätigkeit nicht auf einen beftimmten Zwed konzentrieren, wird uns das Leben zum Ueber druß.
gang!
Die Arbeit soll ein Fluch sein? Nein, ein Fluch ist der MüßigSeht doch diese Aermsten, die keine Ruhe finden, weil sie feine Arbeit fennen! Sie jagen über die Berge und über die Meere, durch alle Weltteile, auf der Sucht nach neuen Eindrücken. Wie der ewige Jude, find sie zur Flucht vor sich selbst verurteilt. Sie fliehen ihre eigene innere Hohlheit. Sie haben keine innere Glut. Sie haben keinen inneren Halt. Ihre Seele ist zerfasert. Ihr Geist ist wie stehendes Wasser, in dem alles verfault. Sie können nur
Ich hatte aber doch wenigstens Bücher. Wie mußte es erst jenen ergehen, die auch der Lektüre beraubt waren oder denen das Reich der Literatur und Wissenschaft, diese zweite Welt, die der Mensch sich erschaffen hat, überhaupt unzugänglich war? Nun wurde es mir flar, warum die gemeinen Verbrecher eine solche Angst vor der Isolierhaft haben.
Aber noch ein anderes trat mir jezt besonders kraß vor die Augen: der Aberwiß des Gedankens, daß die Menschen faulenzen würden, wenn man sie nicht durch Gewalt oder durch die Hungerpeitsche zur Arbeit antreiben würde! Nichts unsinniger, nichts toller, nirgends eine schlimmere Verkennung der menschlichen Natur, als in dieser Behauptung!
In einer endlosen Verkettung glitten im Anschluß an diesen Gegensatz die Gedanken durch mein Hirn, indessen ich mit großen Schritten das gruftähnliche Gewölbe durchmaß. " Das Nichtstun ist eine Strafe, die selbst den stumpfsinnigsten Verbrechern zur Qual wird."
Man denke sich einen Menschen mit gefesselten Armen und Beinen und einer Binde vor den Augen. Wäre das nicht eine scheußliche Marter, selbst wenn dieser Mensch gut gebettet und gut genährt wäre? Was aber wäre das Schlimme daran? Die Untätigteit!"
Alle unsere Sinnesorgane, der Blutumlauf unseres Körpers, die Molekularbewegungen unseres Hirns treiben uns zur Tätig feit an, erzeugen Tätigkeit und da glaubt man, diese menschliche Maschine werde keine Arbeit leisten, wenn man in sie nicht mit einem Stock dreinschlägt?"
.Nein, umgekehrt, Zwang und Not haben erst die Arbeit zur Qual gemacht.
„ Die Arbeit ist die Erzeugerin unseres Reichtums und unserer Kultur, sie ist der springende Born, aus dem die Persönlichkeit die Kraft und den Antrieb schöpft zu ihrer vollen Entfaltung, sie ist die Wurzel unseres Glücks, ohne die es nicht gedeihen kann. Mit tausend lebenden Fäden einigt die Arbeit die Familie, die Nation, die Menschheit. Und doch haben wir es zustande gebracht, uns so einzurichten, daß der Arbeit nicht Eintracht, sondern Zwist entspringt, und ihr Segen wird uns zum Fluch!"
Ein großer Riß geht durch die Gesellschaft, der sie in Klassen scheidet, die übereinander geschichtet sind. Seitdem ist der kulturelle Fortschritt mit dem Eisgang auf dem Meere zu vergleichen, bei dem die Eisberge sich übereinander auftürmen, gegeneinander anstoßen und zerschellen und sich wieder auftürmen; und währenddem die seltsam zerklüftete obere Schicht an der Sonne glibert, bleiben die Massen tief unten in Nacht und Kälte."
Man hat durch die Arbeit die Arbeiter unterjocht. So wurde die Arbeit zur Quelle der Ausbeutung."
" Die Ausbeutung fehrte alle Wohltaten der Arbeit in ihr Gegenteil um. Die Ausbeutung bewirkt es, daß die Arbeit, die das Leben erheben und verschönern sollte, dem Arbeiter keine Zeit zum Leben läßt. Die Ausbeutung bewirkt es, daß die Arbeit den Arbeiter von seiner Familie trennt. Die Ausbeutung bringt den Kampf ums Dasein zwischen Mann und Frau, zwischen Vater und Kind. Die Ausbeutung bewirkt es, daß die Arbeit den Arbeiter zum Krüppel macht, seine Gesundheit verfümmern läßt, seine Lebenstage türzt. Die Ausbeutung bewirkt es, daß die Arbeit den Arbeiter stumpfsinnig macht, statt seine Sinne und seinen Geist