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lich erkennen. Die Orgelempore verschwand fast in den nachtdunklen Schatten, die den ganzen hinteren Teil der Kirche verhüllten, während die holzgeschnitten Apostel an dem Treppenaufgange zur Kanzel vom vollen Strahl des Lichtes getroffen wurden und die Goldfransen am Saume der Kanzeldecke hell erglühten. Die steinernen Fliesen lagen schimmeend in dem breiten Gange zwischen den Bankreihen, und dor' war es so hell, daß man die abgetretene Schrift auf dem großen Grabsteine hätte lesen können, der gerade vor dem Altar in der Fußboden eingelassen worden war. Neben der Kanzel hing an der blendend weißer Wand in einem braunen Rahmen ein Bild,„ das jüngste Gericht". Die roten, züngelnden Flammen der Hölle waren auch im Mondlichte zu erkennen, während die Menge der Seligen, im oberen Teile des Bildes, undeutlich blieb, aber der silberne Schimmer des Lichtes lag hier auf dem Bilde, als ob er den fehlenden Glanz der himm lischen Welt ersehen müsse.
was outriert bei ihm ist, zu stoßen, und in Samberger fieht man das Bild des Erlösers über dem weißgedeckten Altare nur undeut nicht mehr die starke Kraft, die man einmal in ihm gefehen. Er ist ganz und gar lenbachisch, ach und wie gleichgültig geht mar an Lenbach selbst vorüber. Ein Leibl hält einen fest, Liebermanns Seilerbahn schätzt man stets von neuem wegen ihrer flaren, ruhigen Stimmung. Vor Thomas Birke sinnt, träumt man, vor seinem Wasserfall denkt man Jahre zurüd und erkennt die Einflüsse, um dennoch die Wirkung des aufrichtigen Bildes zu verspüren und es zu schähen. Trübner wird einem ein bißchen über, zu viel Wiederholung, besonders nachdem auch noch seine Frau ganz in seiner Art aufgeht. Zügels Ochsenpaar entzückt einen, weil es so wuchtig aufgefaßt wie gemalt ist, in den Landschaften der Haider, Leistikow, den Tierstücken von Schramm- Zittau und den Seestücken von Kallmorgen und Hellwag, den klingenden Bildern von Hengeler, den farbig stilisierten Porträts von Zwintscher, dem ausdrucksvollen Köpfchen von Zumbusch erkennt man die belannte Art ihrer Schöpfer wieder und begrüßt sie. Hans Ungers Selbstporträt im weißen Sweater ist ein alter Bekannter, der mit der Zeit nicht verloren ha.. Hans von Bartels , Carlos Grethe , Eugen Bracht sind gut vertreten, ohne uns Neues zu sagen. Die Dame in Schwarz von Erler scheint mir nicht zu erreichen, was der Künstler gewollt hat, während die Dame in Federhut, Gelbbraun auf Blau, weißer Hut mit schwarzem Samt band sehr einfach und sehr sprechend und ausdrucksvoll ist. Dill und Hölzel sind sofort zu erkennen, ein Abend von Franz Hoch erinnert auf den ersten Eindruck an Thaulow. In Walter Georgis„ Dame in Weiß" ist das leichte Weiß des Kleides fein auf den Fleischton gesetzt. Ganz besonders hervorzuheben ist Slevogts Bal paré", ein äußerst flottes, leichtes und malerisch raffiniertes Bild, fein im Farbentlang, bezeichnend in der Haltung, sprechend im Ausdrud. Dann zwei jüngere Künstler von ganz besonderer Begabung: Karl Hofer und Schmoll von Eisenwerth. Beide start dekorative Talente. Hofer mit der Eigenart eines mystischen Durchglühtseins, die des Stofflichen nicht bedarf, Schmoll von Eisenwerth mit mehr Realität, aber durch die Eigenart seiner Auffassung sie beherrschend. Beide großzügig, ohne deshalb der Innigkeit zu entbehren.
Reich beschickt ist die Ausstellung mit plastischen Arbeiten. Viel, viel Schönes. Hier wie in der Malerei tommt man in die Verlegenheit, durch die Nennung des einen Namens dem anderen Unrecht zu tun. Man sieht eine Kollektivausstellung von Hahn, die die feine und geklärte Kunst des Müncheners deutlich macht, sowie seine Sicherheit jeder Aufgabe gegenüber. Man sieht Hildebrand und eine Reihe von Talenten in seiner Gefolgschaft. Von dem verstorbenen Hubler sind zwei sehr schöne Bronzefiguren ausgestellt, David" und der Träumer". Kowarzit zeigt in allen seinen Arbeiten die leichte Hand und geschmackvolle Ausführung, Bermann füllt einen eigens von ihm entworfenen Raum mit zahlreichen Arbeiten. Ueberhaupt hat man auf dieser Ausstellung die Raumkunst direkte Ausstellungsräume statt der üblichen Wohnräume schaffen lassen und sie so in einem besonderen Sinne den Zweden der Ausstellung dienstbar gemacht.
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August Gaul sandte seine entzüdenden Tierbronzen, glänzend in der Beobachtung, vollendet in der Charakteristik, ausgereift im Stil. Neben ihn stellt sich August Kraus . Er hat den Blick für das Eigentliche und weiß es zu gestalten. Er hat eine zupackende Hand, und obgleich seine Arbeiten flein dem Umfang nach sind, haben sie nichts Kleines. Die lachende Frauenbüste wirkt im edlen Material, Bronze mit eingesetzten Steinen, noch besser als in Köln . Die eingesetzten Augen sind ganz selbstverständlich, und es ist nichts zu verspüren von dem Experimentellen, das sonst immer in dergleichen stedt. Sprechend in Haltung und Ausdruck gelang Kraus die Statuette des Zeichners Bille; sehr gut, liebe boll, innig, erschöpfend in der Haltung der Kindhaftigkeit die umfänglichere Bronze Meine Tochter Eva". Es bleibt zu erwarten, daß sich Aufträge und Auftraggeber für diesen Künstler finden, denn damit ist ein Talent mehi gefördert, als durch vereinzelten Kauf. Kräfte wollen die Möglichkeit der Entfaltung haben, wollen wachsen an den größeren Zweden".
Von den Ausländern hat mir der schon genannte Aler Oppler den stärksten Eindruck gemacht, der ja freilich ein nur in Paris ansässig gewordener Deutsch- Hannoveraner ist. Er hat Kraft und Größe, er ist bezwingend und beherrschend. Ein Charakteristiker voller Schwere, der im überlebensgroßen Bildwerk eigentlich erst feine ganzen Kräfte entfaltet. Er weiß zusammenzuhalten und bleibt seiner Linien und Formen unbedingt Herr.
Eine solche Fülle von Arbeiten, wie sie hier geboten ist, fordert eigentlich die Einzelstudie. Diese erst könnte all der aufgewandten Kraft, allem Streben und aller Liebe, allen Talenten, werdenden und gewordenen, so gerecht werden, wie es notwendig wäre, wie es beständig eine Stimme in einem fordert, in der alle Verantwortung laut wird. Aber was sind Worte, Beschreibungen, Hinweise? Sehen und Genießen. Wers kann, der gehe hin und tus. Er wird nicht mit unerfreulichem Eindruck von dannen gehen.
Kleines feuilleton.
Die Kirchenmans. Es war totenstill in dem weiten Raume. Das Mondlicht lag über dem altehrwürdigen braunen Gestühle und ließ, durch die bemalten Scheiben der niedrigen Fenster gebrochen,
Dei ganze Raum schien in all der Stille und Ruhe ein eigenes, geheimnisvolles Leben zu besitzen, ein heimliches Weben von Pfeiler zu Pfeiler zu spinnen.
Alle Viertelstunde drang dröhnend und summend der Schlag der Zurmuh durch den stillen Raum und ließ nach seinem letter Schlage jedesmal sekundenlang ein leises, zitterndes Singen zurüd, bis alles wieder in ein unendlich tiefes, lautloses Schweigen versant.
Der Mond war indessen weiter herumgezogen und traf jetzt mit den ersten Strahlen die Orgelempore und bedeckte die zinnernen Prospektpfeifen mit leisem Glanze. Ein vergessenes Gesangbuch leuchtete mit seinem verblaßten,.goldenen Schnitte milde auf. Da lang ein leiser, fnisternder, nagender Tor durch die horchende Kirche, in steter Wiederholung. Hinter dem Altar schien er hervorzubringen. Ein Kirchenmäuslein nagte an dem einen Fuße des Altartisches.
Der hölzerne Apostel Paulus am Fuße der Kanzeltreppe, det mit seinen Händen ein dickleibiges Buch an sich preßte, horchte erschrocken auf und starrte nach dem Altar, eine finstere Falte auf der Stirn. Der Zahn der Zeit! dachte er und versank in düsteres Sinnen.
Da verschwand der Mond hinter einer Wolke, und die Kirche lag in völliger, nachtschwarzer Dunkelheit, als wäre alles in ihr plöblich erstorben. Nur die Maus hinter dem Altar ließ sich nicht stören, W. Scharrelmann.
Wirtschaftsgeschichte.
Arbeitslöhne vor 500 Jahren. In unserer Zeit der großen Lohnkämpfe ist es interessant, einen vergleichenden Blick zurückzuwerfen auf die Lohnverhältnisse des Mittelalters, wie dies Joseph Aug. Lug in seinem unlängst erschienenen Buche Volks wirtschaft des Talents"( Leipzig , R. Voigtländer) tut, um den allgemeinen Kulturzustand jener Zeit und der Gegenwart einander gegenüberzustellen. Er tritt in seinem Buche dafür ein, in einer von Grund auf neuaufgebauten Volkswirtschaftslehre die schöpferische Kraft des Menschen als einzige Wertquelle und einzigen Wertmesser zum Mittelpunkt alles wirtschaftlichen Denkens zu er heben. Er tritt der Anschauung entgegen, die in der Kunst etwas Entbehrliches, Unnüzes sieht, das nicht in Betracht komme, wenn von nüßlicher Arbeit die Rede ist; nur zum größten Schaden der Menschheit sei die heutige Trenung der Kunst von dem Erwerbsleben erfolgt und die Angelegenheit einer besonderen Klasse geworden. Im Mittelalter dagegen, wo die Zusammenarbeit vieler Menschen die vorbildende Kraft ihrer Talente befruchtete, haben die 10 000 oder 20 000 Einwohner einer der berühmten Städte einen Reichtum an Werten hervorgebracht, der heute noch unsere Bewunderung erregt. Diese Tatsache spiegelt sich auch in den Johen Arbeitslöhnen, die allgemein bezahlt wurden. Um das Jahr 1400 erhielt ein gewöhnlicher Tagelöhner 6-8 Groschen Wochenlohn. Nach dem damaligen Geldwert kostet ein Schaf 4 Groschen, ein Paar Schuhe 2 Groschen; der Wochenlohn entsprach daher einem heutigen Geldwert von 30 M. Für die Lohnbezüge der damaligen Handwerksgesellen sezte z. B. die sächsische Landesordnung fest:" Für einen Handarbeiter mit Soft wöchentlich 9 neue Groschen, ohne Soft 16 Groschen. Den Werkleuten sollten zu ihrem Mittag- und Abendmahle nur vier Essen, an einem Fleiscytag eine Suppe, zivei Fleisch und ein Gemüse; auf einen Freitag und einen anderen Tag, da man nicht Fleisch isset, eine Suppe, ein Essen grüne und dörre Fische, zwei Bugemüse; so man fasten müsse, fünf Effen, eine Suppe, zweierici Fisch und zwei Zugemüse und hierüber 18 Groschen, den gemeinen Werkleuten aber 14 Groschen wöchentlicher Lohn gegeben werden; so aber dieselber Wertleute bei eigener Kost arbeiten, so sollte man dem" Polierer" über 27 Groschen und dem Da außer gemeinen Maurer usw. über 23 Groschen nicht geben." den streng gehei'igten Sonn- und Feiertagen auch der Montag als sogenannter blauer Montag" von den Gesellen als freier Tag zur Besorgung ihrer eigenen Angelegenheiten beansprucht wurde, so ergab sich pro Woche eine blog viertägige Arbeitszeit, die auch an diesen Tagen geregel. war. Zur weiteren Beurteilung der Lohnhöhe mag der Preiswert eines ganzen Scheffels Korn dienen, der nur 6 Groschen 4 Pfennig toſtete. Güte und Preis der Lebensmittel standen unter Stadtaufsicht. Gewicht, Preis, Qualität waren, bei sonstiger strenger Strafe, genau vorgeschrieben. Besonderes Gewicht legten die Genossenschaften auf die Qualität der Erzeug