Der Verteidiger bemchke diese Augenblicke und warf ihm im Ton überlegener, verhaltener Entrüstung den vorwurfsvollen Satz zu:Sie waren Ihrem alten Chef wohl nicht gerade freundlich gesinnt. Sagen Sie ruhig, Sie wollten ihn ins Kriminal bringen!" Jetzt wurde der Buchhalter zornig:Ein reeller Kaufmann ist er nie gewesen!" Schon gut," unterbrach ihn rasch der Verteidiger, der eine eingehendere Begründung verhindern wollte,danke. Ich wollte nur Ihre Gesinnungen� für den Mann feststellen, der sechzehn Jahre lang Ihr Chef war und der Ihnen Ihr Brot gegeben hat!" Die Gedankenkette des Verteidigers hatte sich in den Hirnen der Geschworenen nicht eingehakt. Der Brandleger wurde mit zehn gegen zwei Stimmen schuldig gesprochen und bekam fünf Jahre schweren Kerkers. Gestern nacht sah ich den Doktor Berger in der menschen- leeren Donaustraste. Er ging ganz allein den Kanal entlang und schon aus einiger Entfernung bemerkte ich an heftigen Bewegungen seiner Anne, an dem ruckweisen Heben des Kopses, dast er in Er- regung mit sich selbst sprach. Näher kommend, hörte ich, wie er gegen sich selbst Schimpftvorte ausstiest:Ich... Esel! Ich... Schuft! Ich will mir einbilden, dast ich den Leuten helfe!... Ich?!... Ich Rindvieh!" Er war so erregt, die nächtliche Umgebung, der Donaukanal  , die Selbstvorwürse, die ich anhörte, stimmten mich einen Moment lang für den Verteidiger fast besorgt, so dast ich auf ihn zutrat und ihn begrüstte. Er reichte mir die Hand und im nächsten Augenblick sprudelte er schon hervor: Ah, richtig, Sie waren ja auch dabei, Sic haben den Brand- lcgungsprozest mit angehört. Sehen Sie, diesen Angeklagten habe ich aus dem Gewissen! Jawohl, ich! Ich! Meinethalben must der Mann fünf schreckliche Jahre lang in Stein neben Einbrechern und Mördern sitzen! Ich, ich, ich bin schuld daran!" Verwundert fragte ich:Sie? Sie haben sich doch die gröstte Mühe gegeben, ihn freizukriegen." O, ich Esel!" schrie der Verteidiger.Wie konnte ich diesen Buchhalter auslassen?... Auf diesen Mann hätte ich mich stürzen sollen!" Plötzlich begann er leise zu reden:Dieser Buchhalter hat ihn gehastt? Dieser Kerl hat seinen Chef angezeigt! Haben Sie bemerkt, wie haßerfüllt er vor Gericht ausgesagt hat!... Ich hätte ihn fragen sollen, wo er selbst in der Nacht war, in der der Brand ausgebrochen ist! Ich wette darauf, es wäre ihm so schnell keine Antwort eingefallen!" Ich trat einen Schritt zurück:Halten Sie es denn für mög- lich, dast der Buchhalter den Brand gelegt hat?" Nebensache," erwiderte er wegwerfend.Aber in den Ge- schworenen hätte ich die Frage anregen sollen. Dazu war ich ver- pflichtet!" Ich schüttelte den Kopf:Der Kaufmann hat zweifellos selbst das Feuer gelegt." Da schrie der Verteidiger:Wir sprechen davon, wie ich dem Manne hätte das Zuchthaus ersparen können. Davon allein! Ich hätte die Stimmung gegen den verräterischen Buchhalter irgendwie ausnützen sollen!" Unwillkürlich mußte ich lächeln. Als er es bemerkte, rief er mir zu:Adieu! Ich habe die Ehre, ich must zurück!" und lief davon. Im Nu war er von mir weggerannt, und als ich mich nach ihm umsah, da bemerkte ich, wie der einsame Mann noch immer heftig mit sich redete, und ich glaubte zu hören, wie er sich zerknirscht zurief: O, ich Esel!" Ich muß gestehen, dieser Verteidiger, der sich in Selbst- quälcreien marterte, weil er einen Zeugen nicht genug verdächtigt hatte, hat Eindruck auf mich gemacht. Die Adresse dieses Ver- teidigers schreibe ich in mein Notizbuch. Wenn ich einmal irgend- wie Pech habe, man kann ja nie wissen, dieser Verteidiger ist dann mein Mann! Kleines feuilleton* Kunstgewerbe. Im K n n st g e Iv e r b e m u s e u m findet in den vorderen Aus- stellungssälen eine Sonderausstellung statt: Heutige deutsche Stein zeug- und Töpferwäre. Die Ausstellung ist sehr lehrreich, insofern sie etwa das Fazit zieht, wieviel aus der Keramik in Deutschland   noch lebensfähig ist. Sie stellt zu diesem Zweck die vorbildlichen, alten Erzeugnisse und die im Anschluß daran her- gestellten neuen Versuche zusammen und gibt so eine schätzenswerte Anregung für die Zukunft. Gibt es doch noch eine ganze Reihe alter Töpferbetriebe in vergessenen Winkeln Deutschlands  , wo die alte Bauernkunst noch lebt, und vielleicht ist es möglich, diese uralten Betriebe aufrechtzuerhalten. Während wir schlechte Fabrik­ware kaufen, gehen diese einfachen primitiven Erzeugnisse, die so viel Schönheit besitzen, allmählich zugrunde. Die Ausstellung gliedert sich in die zwei Abteilungen Töpferarbeit sJrdenware) und Steinzeug als die beiden Vorfahren, die in Deutschland   seit alters heimisch sind, während bis anderen Arten(Majolika, Fagence, Porzellan, Steingut) von anderen Völkern herübergenommen sind. Das deutsche Steinzcug, jenes eiseufests graue oder braune Material, aus dem zum Beispiel die bayerischen Maßkrüge gefertigt sind, hatte auf dem Weltmarkt Geltung. Die Ausstellung zeigt nun, wie die Tradition hier forilebte und neue Aufgaben in Angriff genomme t wurden. Die Irdenware besteht aus rötlichem, porösem Ton, hat eine blanke Bleiglasur, unter der farbiger Beguß in einfachen Orna- menten die Verzierung gibt. Schrank 1 zeigt gewissermaßen als Beispiel altes Bauerngeschirr aus Marburg  (Hessen  ), Thun  (Schweiz  ); Teller und Schüsseln und Krüge von prachtvoll naiver Derbheit. Unbekümmert setzen diese Handwerker den Schmuck auf die Fläche und ordnen ihn zu markanten, krä tigeu Darstellungen. Derb wie das Material und die Technik sind die Ornamente: Blumen, Tiere, Sprüche. Danach hat, ebenfalls in Marburg  , ein moderner Betrieb diese Tradition aufgenommen und versucht, in ähnlicher Ornamentik arbeiten; doch fehlt hier schon die Kraft, die Naivetät; man merkt das Nachahmenwollen. In Urberach   bei Darmstadt   stellt ein Kunst- töpfer Braun hübsche Gesäße in brauner Farbe her; besonders ein kleiner Standleuchter ist vorzüglich. Hellere Farben(blau, weiß) bevorzugt ein Töpfermeister Fr. Walther in Michelstadt  (Odenwald  ). Dann haben einige Großbetriebe sich in diesem Versahren versucht. Künstler haben Muster entworfen, und so kam modernere Formensprache hinein. Das Aussehen ist ein kultivierteres; das unterscheidet diese Erzeugnisse von den früher genannten; die Künstler gehen bewußt ab von dem Alten und gehen neue Psade; so Frau Schnndt-Pccht in Konstanz  , deren Muster zierlich erscheine neben den alten, die aber noch zuweilen alte Teller usw. nachahmt. Auch die Kunsttöpferei Bauer in Lauterbach  (Oberhessen  ) pflegt mehr das Elegante und stellt Geschirr her, das sich in jedem Haushalt sehen lassen kann, Tassen und Kannen in hellen freundlichen Mustern. Am höchsten komntt in diesen Versuchen Max Länger in Karls« ruhe, der aus dem alten, biederen Ton herrliche Gefäße herstellt, mit eingelegten Steinen und ganz eigenen farbigen Effekten, dekorative Kacheln von erlesener Erscheinung. Jedes Stück ein Kunstwerk für sich. In Berlin   hat die keramische Fachklasse der zweiten Hand« Werkerschule unter Pros. Schninz-Baudiß längere Zeit mit Kadiner Ton gearbeitet. Er kann eine ganze Reihe tüchtiger Arbeiten ans« weisen. Tann   ist noch in Bürgel   in Thüringen   eine keramische In­dustrie seit langem heimisch; eine ganze Reihe Töpfereien stells» ihre Erzeugnisse aus, die nicht so derb sind wie die alten Arbeiten, aber immer noch eigenen Charakter haben. Vornehmer ist das Steinzeug. Als Vorbild find alte deutsche Arbeiten und japanisches Steinzeug ausgestellt. Die alten deutschen Arbeiten, grau oder braun, aus hartgesinterten Scherben, mit leichter Salzglasur, die entstand, indem der Arbeiter Kochsalz in den Ofen warf, das verdampfte und die Glasur bildete. Die Japaner haben dann gezeigt, wie man ganz neue Effekte mit diesem Material erzielen kann, farbiger, leuchtender. Sie schmelzen Glasuren, die durch Metalloxyde gefärbt sind, lassen diese überlaufen und so entstehen die eigenartigsten, zufälligen Ornamente. Im Anschluß daran haben französische Künstler sich in gleicher Weise versucht; neuerdings hat man sich auch in Deutschland   dem zugewandt. Das japanische Steinzeng ist geradezu vorbildlich zu nennen. Die Effekte sind immer vornehm; trotz alles Rasfinements einfach. Die Form des Geschirrs ist trotz aller eleganten Kultur, die sich hier ausspricht, derb, robust, die Farben imm'er edel und ruhig. Unter denen, die sich von Japan   beeinflussen lassen, steht S ch a r v o g e l in Darm- siadt an erster Stelle; die Effekte, die et mit Uebcrlaufglasuren erzielt (speziell ist ein perlgrauer Krug zu erwähnen, bei dem der Schmuck ganz im Material verbleibt), die Fliesen, die er in dekorativer Wirkung, mit vornehmster Zurückhaltung in den Farben, herstellt(dekorativ gestaltete Tierformcn, grau oder mattbraun auf gelbweiß), stehen ohne Konkurrenz da. Er erreicht die Schönheit des japanischen Steinzengs annähernd. Andere Künstler folgen dem deutschen Steinzeug. Dieses Material ist an sich so schön, daß cS nicht sehr des Schmuckes bedarf. Darin tun die Modernen vielleicht etwas zuviel. Früher stellte man Becher her(ein solcher ist ausgestellt), die als Schmuck nur unten am Fuß kleine Tierlöpfe auftviesen. DaS stumpfe Braun und Gran wirkt an sich ausgezeichnet. In Grnizhausen hat eine Fabrik nach Entwürfen von Riemerschmied Steinzeug hergestellt, das das Material gut zur Erscheinung kommen läßt und nur wenig farbigen(blauen) Schmuck hinzutut. Steinzeug wirkt gerade dann am besten, wenn die Fläche schön herausiritt, ohne allzuviel Auflage, ohne farbige Ueberladung, während die Irdenware, das Banerngeschirr, mehr Farve verträgt. Bunzlauer Töpfereien zeigen eine ganze Reihe ihrer Erzeugnisse, unter denen manch gute eigene Stücke sind. Neben Scharvogel ist Mutz zu nennen, der die Töpfe und Kacheln mit schöner, farbiger Glasur überzieht und damit künstlerische Effekte erzielt. Auch die Lehr- und Versuchswerkstätten in Stuttgart   arbeiten unter Hans v. Hcider und die Handwcrkerschnle in Magdeburg   unter Fritz v. Heider, der selbst feine Arbeiten ausstellt, in erfreulicher Weise. Hier wird die Art des Materials genau berücksichtigt und mit dem Schmuck sparsam verfahren. Neuerdings wird das Steinzeug besonders gern zu Kacheln der« arbeitet und dann für die Architekturen verwandt. Es herrscht eine starke Nachfrage danach, so daß manche Betriebe nur dadurch sich halte».