Aus dem Tierleben. DaS Lichk der Glühwürmchen. Wir leben jetzt in der Jahreszeit, wo die Glühwürmchen ihre höchste Pracht entfalten, und man kann fie an günstigen stellen wohl zu Hunderten im Grase oder sogar auch an den Außenwänden von Gebäuden sttzen Sehen und sich an diesem prächtigen Schauspiel erfreuen. Der Techniker sieht mit Neid auii diese kleinen Tiere, denn ihnen ist von Mutter Natur gegeben, waS dem menschlichen Ersindungsgeist in langer Arbeit und sogar mit Hülfe der modernen technischen Hülfsmittel nicht gelungen ist, nämlich die Erzeugung eines Ideal- lichts, das nur leuchtet und nicht wärmt, so daß keine Kraft der- schwendet wird. Die Leuchtkäfer gehören zu drei verschiedenen Gruppen. Am bekanntesten ist unter ihnen die der Lampyriden, zu der das große und kleine JohauneSwürmchen(l.ampz'ris) gehört. Diese Familie hat gleichzeitig auch die zahlreichsten Gattungen, die mit Leuchtvermögen begabt sind und wohl über ein Dutzend zählen. Seltener ist diese Eigenschaft bei einer anderen Familie der Weich- käfer, den Telephoriden, und bei der Gruppe der Schmiede, die wegen ihrer Geschicklichkeit, sich aus der Rückenlage emporzuschnellen und so wieder auf die Beine zu kommen, eine große Beliebtheit erlangt haben und aus diesem Grunde auch als Schnellkäfer be- zeichnet werden. Die Naturforschung hat gezeigt, daß die Leucht- Organe bei diesen verschiedenen Käfern nicht immer dieselbe Aus- gestaltung besitzen; bei den Schnellkäfern, zu denen einer der be- rühmtesten Leuchtkäfer der Erde, der Cocujo, mit wissenschaftlichem Namen F�ropliorus noctilucus, in Südamerika gehört, liegt der Leuchtapparat auf der Oberseite der Brustringe. Er besteht gleich- Jom aus drei Herden, von denen zwei rundlich-ovale, seitliche nach cm Tode des Tieres als zwei gelbliche Flecken erscheinen, während der dritte in der Mitte erglänzt. Bei den Lamphriden und Tele- phoriden, also unseren Glühwürmchen und Weichkäfern, ist das Phosphorescierende Organ dagegen an der Unterseite deS Unter- leibS gelegen und erstreckt sich dort in der Gestalt von Punkten oder Querbändern über die zwei oder drei vorletzten Abschnitte. Llcloque erinnert im„Cosmos" daran, daß übrigens schon alte Natur- forscher das Leuchten bei einzelnen Insekten beobachtet haben, so namentlich auch an einem Mitglied der durch das alte Aegypten so hoch berühmt gewordenen Kösergattung Scarabäus. In der Neu- eit hat dann eine Reihe der angesehensten Naturforscher die Er- orschung der Leuchtkäser weiter fortgeführt. Man weiß jetzt, daß beim Glühwürmchen ine Drüsen, aus denen der Leuchtstoff ab- gesondert wird, aus zwei verschiedenen Zellschichten bestehen, die thre besonderen Aufgaben haben. Trotzdem aber auch die Chemie herangezogen worden ist und auch einige Aufklärung über die Be- schaffenheit der von diesen Drüsen gelieferten Ausscheidungen her- beigeführt hat, ist man doch»och weit davon entfernt, sagen zu können, daß sich das Rätsel dieses sonderbaren Naturlichts dem menschlichen Scharfsinn völlig enthüllt habe. Die Beobachtungen haben auch gezeigt, daß die Leuchtkraft in gewissem Grade unter der Willkür der Käfer steht, die sie verstärken, abschwächen oder fogar nach Belieben ganz unterdrücken können. Gibt das Insekt sich kräftigen Anstrengungen hin, so wird das Licht gewöhnlich glänzender. Geschieht dies Leuchten auch ohne Wärmeentwickelung, so ist doch für sein Zustandekommen eine gewisse Wärme nötig. Eine Temperatur bis zu SV Grad scheint dem Käfer für seine Lichtentwickelung am zuträglichsten zu sein, während diese bei starker Abkühlung immer weiter abnimmt und bei— 12 Grad ganz aufhört. Besonders merkwürdig ist der Nachweis, daß man nach dem Tode des Käfers die Leuchtdrüsen Nochmals ins Glühen versetzen kann, wenn das tote Insekt in eine Mischung von warmem Wasser, Oel und Alkohol gebracht wird. Die eigentliche Entstehung des Leuchtens soll nach den neu«Aen Forschungen von Dubois zwei besonderen chemischen Stoffen zuzuschreiben sein, die als Duciferin VLd Duciferase bezeichnet worden sind. Physikalisches. Das Meter und die Lichtwelle U. Nachdem das Meter als Grundlage aller Läntzanmaße in den meisten Ländern der Erde angenommen worden ist, ist eS selbstverständlich von «äußerster Wichtigkeit, feine Länge mit der allergrößten Genauigkeit festzuhalten. Ursprünglich war das Meter als der zehnmillionste Teil eines Erdmeridians gedacht. Als Normalmaßstab wird in Paris ein Stab aus Platin aufbewahrt, der bei der Temperatur von schmelzendem Eis genau dre richtige Länge haben soll. Da nun aber alle anderen Einheiten, die für die Messung zugänglich find, als noch nicht genau genus betrachtet wurden, hat im Jahr 11892 das Internationale Bureau für Maße und Gewichte den Vor- Mag des amerikanischen Professors Michelson angenommen, die Länge des Meter? nach Lichtwellen zu bestimmen, und zwar wurde dafür die Lichtwelle des roten Strahls aus dem Spectrum des Elements Cadmium gewählt. Damals wurden fünf von ein» ander unabhängige Bestimmungen vorgenommen, und Nach- Prüfungen ergaben, daß ihr Mittelwert bis auf Vi Millionstel richtig sein mutzte. Jetzt Habel drei französische Physiker diese Untersuchungen auf Grund desselben Verfahrens, aber mit noch einigen Verbesserungen wiederholt. Das Ergebnis, das sie nun- mehr der Pariser Akademie der Wissenschaften vorgelegt haben, hat erfreulicherweise genau dieselbe Länge des Meters ergeben, wie die Messungen vor fünfzehn Jahren. Daraus darf man den Verontw. Redakt.: Carl Mermuth, Berlin -Rirdorf.— Druck u. Verlag: Schluß ziehen, daß sich daS Normalmeker ist dieser Zeis KW M geringsten verändert hat. Humoristisches. -«Der Ausbruch des Kriege» findet bei Gelegenheit einer Denkmalsenthüllung statt. Der Fürst verliest eine Krieg»- erklärung, die er irrtümlicherweise anstatt der offiziellen Festrede dem Konzeptkasten entnommen hat. Der Minister deS Auswärtigen erklärt den Volksvertretern, daß er jede Auskunft über die Ursachen des Krieges verweigern müsse, weil die? den diplomafischen Usancen nicht entspreche. Die betteffenden Schriftstücke seien im Geheimarchiv niedergelegt. Um die Begeisterung der Truppen anzufachen, erhätt jeder Soldat einen Phonographen mit in den Krieg. Sofort nach dem Auszuge der Truppen werden in Berlin Triumphbogen errichtet. Die russische Artillerie wird vor Beginn der Schlacht vom Gerichtsvollzieher der feindlichen Macht be» schlagnahmt und kampfunfähig gemacht. Sarah Bernhardt wird von Rochefort als Jeanne dÄrc ausgerüstet, weil fie von ihren Gastspielen her am besten über Deutschland orienttert ist. Schließlich einigt man sich dahin, den Krieg durch einen Zwei- kämpf der Fürsten zu entscheiden. Metzgermeister dienen als Sekun» danten und begleiten die Fürsten in einen Keller. Jeder Fürst bekommt ein scharfes Messer in die Hand. Die Sekundanten ent- fernen sich. Der Keller wird verdunkelt. Bange Minuten ver» streichen. Als man die Tür öffnet, sieht man die Majestäten mit Angstschweiß bedeckt in entgegengesetzten Winkeln des Kellers kauern. Die Fürsten sehen ein, wie gefährlich der Krieg sein kann, und be» schließen die Abrüstung. sSpezialnummer des.SimplicissimuS': .Der Krieg der Zukunft'.) Notizen. — Im Kleinen Theater findet Donnerstag, den 4. Juli, die Erstaufführung des dreiaktigen Lustspiels.Vater und Sohn' von Gustav E tz m a n n statt. — Die Erretterin Schillers. Im Mannheimer Schloßgarten wurde ein Gedenkstein errichtet, der der Zimmermanns- ftau Anna Hölze! geweiht ist. Diese wackere Frau bewahrte 1784 Schiller vor der Schuldknechtschast, indem sie seine Schulden zahlte. Diese echte Mäcenatin aus dem Volke hat relativ und vielleicht auch absolut mehr für Schiller getan, als so mancher Mäcen von Beruf, der nun in der lakaienhaften Literaturgeschichte verherrlicht wird. Der Gedenkstein trägt die Inschrift: AuS Schillers Mannheimer Zeit Anna Hölze! der Erretterin Schillers aus schwerer Bedrängnis. — Die Deutsche D i ch te r- G e d ä ch tni s- S ti ftun g nahm, wie wir ihrem Jahresberichte entnehmen, im Jahre 1906 einen besonders lebhaften Aufichwung. An kleine Volksbibliothekcn konnten gegenüber 24 021 Büchern, die 1905 an 610 Volksbibliotheken ver- teilt wurden, im abgelaufenen Jahre 32 627 Bücher an 718 Volks- bibliotheken verteilt werden. Die Verlagsabteilung hat 6 neue Bände gedruckt und auch für die früher erschienenen Bände guten Absatz erzielt. Nur die Abteilung zur Massenverbreitung guter Volks- schriften hat nichts Neues in Angriff nehmen können, weil alle verfügbare Kraft von der Stiftung außer für die Tätigkeit der beiden erstgenannten Abteilungen für die Werbung neuer Mitglieder verbraucht werden. Die Zahl der persönlichen Mitglieder der Stiftung ist von 934 auf 2854 gestiegen. Die 790 Ortsgruppen- Mitglieder sind dabei noch nicht mit eingerechnet. Der schon im vorigen Jahresbericht zum Ausdruck gebrachte Wunsch der Stiftung, sich ein eigenes Haus bauen zu können, hat aus Mangel an Mitteln noch nicht verwirklicht werden können. Im ganzen hat die Stiftung bisher in der kurzen Zeit ihres Bestehens 74 711 Bücher in 49 362 Bänden verteilt. Uebereinstimmend sind die Urteile der Bibliotheken über die vortreffliche Ausstattung der Bücher, insbesondere über die.Dermatoid'-Einbände, die sehr schmuck aussehen, in ver- schiedenen Farben gehalten find, nicht schmutzen und sich leicht mit Wasser abwaschen lassen. Die Zahl der Be- Werbungen kleiner Volksbibliotheken um Zuwendung von Büchern ist übrigen? so mächtig gelvachsen, daß eS der Stiftung kaum möglich gewesen ist, die Hälfte davon zu berücksichttgen. Die VerlagSabteilung hatte bis zum Jahre 1905 15 Bände der bekannten .Hausbücherei' herausgegeben, darunter die Auswahl von GoetheS Briefen von Wilhelm Bode- Weimar und das„Deutsche Weih- nachtsbuch'. — Der Hunde st aat von Konstantinopel . Eine hübsche Beobachtung aus dem Tierleben teilt Professor Eduard Meyer in einer Anmerkung zu einer Abhandlung über die Anfänge des Staates mit, die er in den Sitzungsberichten der Berliner Akademie veröffentlicht:„Wie weit die Ausbildung organischer Gruppen bei Tieren gehen kann, habe ich vor 30 Jahren in Konstanttnopel an den Straßenhunden beobachtet: sie haben sich in scharf gegeneinander abgegrenzten Ouartteren organisiert, in die sie keinen fremden Hund hineinlassen und jeden Abend halten sämtliche Hunde eines jeden OuartterS auf einem öden Platze eine etwa eine halbe Stunde dauernde Versammlung ab, mit lebhaftem Gebell. Hier kann man also geradezu von räumlich begrenzten Hundestaaten reden.' VorivärtS Buchdruckerei u.Berlagsanstalt Paul Singer LcCo.. Berlin LVk.
Ausgabe
24 (2.7.1907) 125
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