„Warum tust Du das, Pawluscha?" sagte sie leise.Er erhob den Kopf, blickte sie an und erwiderte halb-laut und ruhig:,�zch will die Wahrheit wissen."Seine Stimme klang leise, aber fest, seine Augenglänzten trotzig. Sie fühlte in ihrem Herzen, daß ihr Sohnsich für immer einem geheimmsvollen, schrecklichen Werk geweiht habe. Ihr war stets im Leben alles unvermeidlich er-schienen, sie war gewohnt, sich ohne Gedanken unterzuordnen,und so weinte sie jetzt nur still vor sich hin und fand in ihremkrrmmer- und gramerfüllten Herzen keine Worte.„Weine nicht!" sagte Pawel freundlich und leise; undes war ihr, als wenn er sich verabschiedete.„Denk einmal nach, welches Leben wir führen? Du bistjetzt vierzig Jahre, und hast Du überhaupt gelebt? DerVater hat Dich geschlagen... ich verstehe jetzt, daß er aufDich all seinen Kummer abgeladen hat... den Kummerseines Lebens... Der hat ihn erdrückt; er hat aber nichtbegriffen, woher er rührt. Er hat dreißig Jahre gearbeitet,hat mit der Arbeit begonnen, als die ganze Fabrik in zweiGebäuden untergebracht war, und jetzt sind es— sieben!...Die Fabriken wachsen und die Menschen sterben an der Ar-beit in ihnen..."Sie hörte ihm furchtsam und begierig zu. Seine Augenbrannten hllblch und hell. Er lehnte sich mit der Brustgegen den Tisch, rückte näher an seine Mutter heran undhielt ihr direkt in das tränenfeuchte Geficht seine erste Redeüber die von ihm begriffene Wahrheit. Mit der ganzen Kraftder Jugend und mit dem Eifer eines Schülers, der stolz aufseine Kenntnisse und von heiligem Glauben an ihre Wahr-heit erfüllt ist, sprach er über das, was für ihn klar war, undzwar sprach er weniger für seine Mutter, als um sich selbstzu prüfen. Bisweilen hielt er inne, wenn er keine Wortefand und sah dann ein bekümmertes Gesicht vor sich, in demvon Tränen verhüllte, gute Augen trübe glänzten. Sieblickten voll Furcht verständnislos drein. Die Mutter tatihm leid, er begann wieder zu reden, jetzt aber schon über sie,über ihr Leben.„Welche Freuden hast Du kennen gelernt," fragte er.„Was hast Du von Deinem Leben gehabt?"Sie hörte ihm zu und schüttelte traurig den Kopf; sieempfand ein neues, ihr unbekanntes, gleichzeitig traurigesund freudiges Gefühl, das ihr Herz weich umschmeichelte.Solche Reden über sich und ihr Leben hörte sie zum erstenmalund sie erweckten in ihr längst entschlafene, unklare Gedanken,entfachten erloschene Gefühle unklarer Unzufriedenheit mitihrem Leben*— Gedanken und Gefühle einer fernen Jugend.Sie hatte mit ihren Freundinnen über das Leben gesprochen,hatte lange über alles geredet, aber alle und auch sie selbsthatten nur geklagt und niemand hatte erklärt, warum dasLeben so schwer und mühsam sei... Jetzt aber saß vor ihrihr Sohn und was seine Augen, sein Gesicht und seine Worteüber sie äußerten, das alles hängte sich an ihr Herz, erfülltees mit einem Gefühl des Stolzes über ihren Sohn, der dasLeben seiner Mutter richtig verstanden hatte, ihr die Wahr-heit über ihr Leiden sagte und sie bedauerte.(Fortsetzung folgt.)(Nachdruck verboten)IntramerkurieUe Planeten.Lange genug hat es gedauert, bis sich die Weltanschauung desKopernikns zum Siege durchrang und den Millionen im Mystizis-mus befangenen Menschen einen Einblick in das wunderbareGefüge der Welten gewährte. Doch dafür ist der Triumph einbollständiger. Unvernunft und' Böswilligkeit mußten die Waffenstrecken bot der überwältigenden Macht der Wahrheit, die dieSchrecken der Inquisition überwand und Galgen und Henker zumTrotz die Hirne der Besten eroberte; und was von den Verkündernder christlichen Nächstenliebe durch Scheiterhaufen und Folter vordem Untergang bewahrt werden sollte, das alte geozentrische System,das die Erde zum Mittelpunkt dcS Weltalls machte und die un-ermeßlichen Schwärme von Sonnen zu Trabanten unseres Planeten,zu überflüssigem Zierrat degradierte, es wurde vollends zu Grabegetragen.Wir wissen nun, daß unsere Erde nur als ein winziges undunscheinbares Glied in einem Weltkörpersystem gelten kann, dessenMittelpunkt die Sonne bildet, und daß sich um dieses feurige undstrahlende Sonnenzentrum gleich unserer Erde viele anderePlaneten in beinahe kreisförmigen Bahnen bewegen. Die Reihen-folge dieser von der Sonne beherrschten Weltkörper, die uns wegenihrer Verwandtschast mit der Erde ganz besonders interessieren.ist folgende: Merkur, Venus. Erde, Mars, Gruppe der Asteroiden<über 500 zum Teil winzig kleine Planeten umfassend), Jupiter.Saturn, Uranus, Neptun.Es ist nun schon häufig die Frage aufgeworfen worden, obuns denn jetzt auch wirklich alle Kinder der Sonne bekannt seien.Manchmal wurde der Vermutung Ausdruck gegeben, daß die Bahndes Neptun wohl doch noch nicht als die äußerste Grenze desPlanetensystems angesehen werden könne, öfter aber noch wurdeder Gedanke ausgesprochen, daß innerhalb der Bahn des uns alssonnennächsten Planeten bekannten Merkur weitere Blutsverwandteunserer Erde ihre Kreise zögen. Man hat diese noch nie gesehenen,innerhalb der Merkurbahn vermuteten Weltkörper intramerkuriellePlaneten benannt. Das Dasein von solchen unentdeckten Schwester»gcstirnen wurde schon vor ungefähr 300 Jahren von dem Jesuiten-pater Scheiner behauptet, der die fleckenartigen Gebilde der Sonnen»oberfläche für sonnennahe, vor der Sonnenscheibe vorüberziehendePlaneten hielt. Das Irrtümliche dieser letzteren Ansicht wurdeschon von Galilei nachgewiesen, und die Ergebnisse einer beinahedreihundertjährigen eifrigen Forschung haben zur Gewißheit ge»macht, daß die Sonnenfleckcr. Erzeugnisse solarischer Tätigkeitselbst find, daß sie Vorgängen in und auf der Sonne ihre Eni-stehung verdanken. Wenn nun auch noch andere Gründe für dieExistenz solcher Planetoiden geltend gemacht wurden, die astrono-misch* Wissenschaft der letzten Jahrzehnte hat die Frage nach ihremVorhandensein fast durchgängig verneint.Neuerdings aber spuken diese intramerkuriellen Planetenwieder in den Köpfen einzelner Astronomen umher, die. um dieFleckenbildung der Sonne zu erklären, die hypothetischen Planetennicht nur vor der Sonnenscheibe vorüberziehen, sondern sogarin die Sonne hineinstürzen lassen. Ich habe an anderer Stellerechnerisch nachgewiesen, daß alle die Theorien, die die Entstehungder Sonnenflecken von dem Hineinsturz planetarischer oder kometa-rischer Massen in die Sonne abhängig machen, falsch sind, selbstwenn man die Existenz von sonnennahen Weltkörperschwärmenboraussetzt. Hier will ich nur die Frage zu beantworten versuchen,ob es intramerkurielle Planeten überhaupt gibt. Untersuchen wiralso das Für und das Wider.Wir wissen, daß die Bahn eines jeden Wandelsternes einenur wenig von der Kreisform abweichende Ellipse ist, in dereneinem Brennpunkt sich die Sonne befindet. Hieraus geht hervor,daß der Planet nicht immer den nämlichen Abstand von seinem>Zcntralgestirn haben kann. Den Punkt der größten Sonnennähehat man nun Perihel, den der größten Sonnenferne Aphel genannt.Die Verbindungslinie zwischen beiden, die identisch ist mit dergroßen Achse der Ellipse und daher auch durch den Mittelpunktder Sonne geht, heißt Apsidenlinie. Diese Linie liegt nun nichtetwa unverrückbar fest im Weltenraum, sondern unter dem Ein»fluß der Anziehung der übrigen Planeten dreht sie sich langsam.Nun wußte schon Leverrier<1811— 1877), daß die Drehung derApsidenlinie des Planeten Merkur eine rätselhaste Abweichungvon der durch die Gravitationstheorie bestimmten Bewegung zeigt.DaL Perihel bewegt sich nämlich um 40 Bogcnsekunden im Jahr-hundert schneller, als eS nach der Anziehung aller Planetenunseres Sonnensystem? der Fall sein müßte. Leverrier schloßhieraus, daß sich innerhalb der Merkurbahn noch ein andererPlanet um die Sonne bewege, vielleicht sogar eine ganze Gruppevon Weltkörpern, was die erwähnten Bahnabweichungen zur Folgehätte. Diese Annahme wurde dadurch gestützt, daß mehrerePersonen durchaus den schnellen Borübergang dunkler Körper vorder Sonnenscheibe beobachtet haben wollten. Eine Verwechselungmit den Sonncnflecken. die den ersten Beobachtern dieser wohlnoch passieren konnte, war jetzt nicht mehr gut möglich; dennwährend der Durchgang eines Planeten nur wenige Stunden inAnspruch nehmen kann, dauert es über zwölf Tage, bis ein Fleckvom östlichen Rand der Sonnenscheibe zum westlichen hingewandertist. Run fiel es zwar auf, daß die berufsmäßigen Astronomen,deren geübten Augen so leicht nichts entgeht, noch nie etwas Ver-dächtigcs, was sich als Planetenvorübergang hätte deuten lassenkönnen, gesehen hatten. Berühmte Sonnenforscher hatten tag-täglich ihre Riesenteleskope auf die glänzende Sonnenscheibe ge-richtet und jedes Fleckchen verfolgt, aber von Planetendurchgängenhatten auch sie nichts bemerkt. Dazu konnte noch in einigenFällen nachgewiesen werden, daß die Beobachter jener Er-scheinungen durch Wolkengebilde, ja durch in weiter Ferne vor-überziehende Vögel getäuscht worden waren. Aber daß Leverrier,der ja auch rechnerisch aus ähnlichen Bahnabweichungen desUranus im Jahre 1840 den Planeten Neptun fand, sich warm fürdas Vorhandensein intramcrkuricller Planeten ins Zeug legte, dasgenügte schon, daß nunmehr zahlreiche Astronomen chre Fernrohrenach der Sonne und ihrer Umgebung richteten, um auf dieseWeltkörper zu fahnden. Doch trotz des eistigsten SuchenS ließensich solche Planeten nicht ermitteln.Aber es war ja immerhin möglich, daß sich diese kleinenSchwestergestirne unserer Erde in dem Strahlenglanz der mütter»lichen Sonne verbargen; dann konnte vielleicht die aufmerksameBeobachtung der Sonnenumgebung während einer Sonnenfinsternisgünstigere Resultate ergeben, und so wurde denn ein Teil der beiFinsternissen zur Verfügung stehenden Beobachtungszeit von meh-reren Forschern zur Planctensuche verwendet. Diese Bemühungen