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uns.

dem Mars der Fall, ja seine Achse steht noch um 5 Grad geneigter| wahrscheinlich, daß Wasserdampf in größeren Mengen in seiner zu seiner Bahn als die unfrige, und die Bestrahlung muß deshalb Atmospäre sich vorfindet. Aber auch, wenn dem nicht so wäre, auf dem Mars noch stärker variieren( wechselnd sein), als bei können die Bolarkappen kaum aus gefrorenem Wasser bestehen. Man darf nicht vergessen, daß bei der größeren Entfernung des Mars von der Sonne ihre Wärme dort nur halb so start wirkt wie bei uns. Da zudem der Winter viel länger dauert, so müßte die Vereisung viel weiter fortschreiten und könnte im Sommer viel weniger abschmelzen, als wir es tatsächlich beobachten. Man hat deshalb vermutet, daß die Polarkappen aus gefrorener Kohlen­säure bestehen, die erst bei 80 Grad Kälte gefriert. So treten uns auf dem Mars eine Fülle von Rätseln ents gegen, deren Lösung nur von weiteren Beobachtungen zu er hoffen ist, Dr. Bruno Borchardt.

Dazu kommt weiter, daß wegen der stark gestreckten Bahn des Mars Sommer- und Winterhalbjahr in stärkerem Maße in ihrer Länge von einander abweichen als es auf der Erde der Fall ist. Für unsere nördliche Halbkugel dauert das Sommerhalbjahr 186, das Winterhalbjahr 179 Tage, auf unserer südlichen Halbkugel ist es naturgemäß umgekehrt. Ferner befinden wir uns während des nördlichen Winters in der Sonnennähe, in der Sonnenferne da= gegen während des nördlichen Sommers oder des südlichen Winters. Danach ist es verständlich, daß wir auf der nördlichen Halbkugel einen milderen Winter und einen nicht ganz so heißen Sommer haben als auf der südlichen Halbfugel.

Ganz entsprechend sind auch die Verhältnisse auf dem Mars , nur noch ausgeprägter in ihren Unterschieden; denn die ungleiche Dauer der Jahreszeiten ist eine viel stärkere und auch die ver­schieden starke Wirkung der Sonne in der Sonnennähe und Sonnen­ferne muß sich bei dem größeren Unterschied dieser Weiten dort stärker geltend machen als bei uns. Dementsprechend sehen wir denn auch, daß der weiße Fleck am Nordpol des Mars , die Nord­polarkappe, nach dem nördlichen Winter bei weitem nicht die große Ausdehnung hat, wie die Südpolarkappe nach dem füdlichen Winter. Auch das Abschmelzen der Nordpolarkappe scheint nicht ein so startes zu sein wie das der Südpolarkappe während des heißeren Südsommers. Diese Beobachtungen verstärkten natürlich die Annahme, daß Wasser auf dem Mars vorhanden ist, und zwar nahm man die dunklen Stellen als wirkliche Meere an, die durch wasserführende Kanäle verbunden seien. Aus der gradlinigen Erstreckung dieser Kanäle glaubte man den Schluß ziehen zu können, daß es sich nicht um natürliche Gebilde, sondern um Werke der Marsbewohner handele, die ein künstliches System der Bewässerung für ihre wasserarmen Landstreden unter Benußung der polaren Schneeschmelze durchgeführt hätten. Freilich müßten diese Kanäle dann viele Kilometer breit sein, um überhaupt in unseren Fern­rohren zur Wahrnehmung zu kommen. Daran stieß man sich aber nicht, nachdem man sie überhaupt erst einmal von Marsbewohnern hatte ausführen lassen, nichts hinderte die Phantasie anzunehmen, daß diefe Marsbewohner eben viel gewaltigere Bauten auszu führen imftande seien als wir.

Im Jahre 1882 wurde die seltsame Beobachtung gemacht, daß einige der Kanäle fich plöblich verdoppelten, daß da, wo vorher ein Kanal zu sehen war, fich plötzlich zwei derartige Striche entlang zogen. Anfangs glaubte man an eine Täuschung des Mailänder Astronomen Schiaparelli, der diese Beobachtung zuerst machte, später aber wurde sie von vielen Beobachtern in gleicher Weise be­ftätigt. Die Phantasten waren um eine Erklärung nicht verlegen: die Marsbewohner hatten eben der Vorsicht halber gleich einen Doppelkanal gegraben, und wenn die Schneeschmelze gar zu reich­liches Wasser brachte, so wurde durch Deffnung von Schleusen auch der zweite Kanal gefüllt, damit der erste nicht überflutet wurde. Der ernsten wissenschaftlichen Erklärung spottet diese Er­scheinung durchaus. Der französische Forscher Meunier hat fie als eine optische Täuschung dadurch zu erweisen gesucht, daß er eine analoge Erscheinung auf einer fünstlich hergestellten Mars­scheibe oder einem Marsglobus hervorrief. Einige Millimeter vor der polierten Fläche, auf die mit Hülfe schwarzer Lackfarben eine annähernde Marstarte gezeichnet war, wurde eine feine gut durch­fichtige Mousseline in einem Rahmen angebracht, und sofort er­schienen alle Linien und Flecken infolge ihrer Schattenbilder, die durch das vom Metall reflektierte Licht gezeichnet werden, doppelt. Danach könnte es sich sehr wohl um eine Erscheinung handeln, die durch eine Unruhe in der Marsatmosphäre hervorgebracht wird; doch ist auch diese Erklärung keineswegs allseitig anerkannt. Noch eine andere Schwierigkeit ergibt sich für die Kanäle über­haupt, auch abgesehen von ihrer Verdoppelung! Sie erscheinen stets von gleicher Breite, mag der Mars der Erde näher oder ferner stehen. Im Jahre 1899 machte der Italiener Cerulli darauf aufmerksam, daß er mit einem gewöhnlichen Opernglas ähnliche Gebilde auch auf dem Monde wahrgenommen habe; unser Auge bereinigt entfernte getrennte Puntte sehr leicht zu einem Ganzen und erblickt dann eine gleichmäßig gestaltete Linie, wo in Wirt lichkeit die stärksten Unterschiede bestehen. Verhält es sich mit den Marstanälen ähnlich, so erklärt es sich leicht, warum wir sie immer gleich breit sehen: Das beruht auf einer physiologischen Eigenschaft des Auges, nur soviel Punkte zusammenzufassen als zur Bildung der Linien notwendig sind. Sehr gestützt wird diese Erklärung auch durch die Tatsache, daß die feineren Details des Mars , eben die Kanäle, in den besten Fernrohren der Welt nicht sichtbar sind. Da wo minder gute Gläser uns die Kanäle zeigen, zeigen uns die besseren Gläser statt gerader Linien unregelmäßige Einzel­heiten. Gerade jetzt, wo der Mars der Erde wieder einmal ganz besonders nahe gerüdt ist, werden wir über diese Fragen vielleicht endgültigen Aufschluß bekommen.

Zum Schluß fei noch erwähnt, daß auch die Beobachtungen über das Zurückgehen der Polartappen nicht ohne weiteres als das Schmelzen von gefrorenem Wasser gedeutet werden kann. Daß der Mond feine Atmosphäre hat, beruht vermutlich auf seiner geringen Masse, die nur ein achtzigstel derjenigen der Erde ist. Ganz so klein ist der Mars nicht, doch beträgt auch seine Masse nur ein Zehntel vor der Masse der Erde. Deshalb ist es wenig

Kleines feuilleton.

Kunft.

Mar Liebermann begeht am 20. Juli seinen sechzigsten Geburtstag. Von Ernst Schur ist an dieser Stelle( in Nr. 94) bereits anläßlich der Kollettivausstellung von Liebermanns Werken in der Sezession sein Schaffen gewürdigt worden. Von den zahl­reichen Artikeln, die dem Jubilar zum heutigen Tage gewidmet werden, sei auf einen Aufsatz von dem Generaldirektor der Berliner Museen, Wilhelm Bode , in Heft 10 der mit vielem Ge­schmad ausgestatteten Zeitschrift Kunst und Künstler"( im Ver­lage von Bruno Cassirer , Berlin ) hingewiesen. Eine Stelle sei daraus wiedergegeben, die die törichten Vorurteile über nationale und nichtnationale Kunst ins rechte Licht rückt. Bode schreibt: Künfte mit einer Ausstellung von Elitebildern der Mitglieder der Als vor wenigen Monaten der neue Palast der Akademie der Berliner Akademie eröffnet wurde, ragte unter diesen selbst­gewählten Werken der Meister eines um Haupteslänge über die das achtzehn Jahre früher den Clou der deutschen Abteilung in der anderen hinaus: Liebermanns Netflickerinnen", dasselbe Bild, Die Stellung, die der Pariser Weltausstellung 1889 bildete. Stünstler damals in der Achtung des Auslandes errang, hat ihm langsam und zum Teil widerstrebend schließlich auch sein Heimats­land eingeräumt: was Leibl für Süddeutschland war, wurde Liebermann gleichzeitig für Norddeutschland, und seit jener dahin­gegangen ist, kann Liebermann der Ruhm als Deutschlands erster Maler füglich nicht mehr streitig gemacht werden. Wir dürfen auch sagen: als einer der deutschesten Maler unter den lebenden Künstlern, mehr als er selbst weiß und zugeben will. Sehr mit Unrecht hat man ihn als fremden, als internationalen Künstler Es ist richtig, daß Liebermann von fremder ablehnen wollen. Runft viel gelernt hat, daß er die künstlerische Form, das Aus­brudsmittel seiner Kunst in Frankreich gefunden hat; das haben aber fast alle tüchtigen Maler Deutschlands seit der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts getan. Als Fremder konnte Lieber­ mann nur so lange erscheinen, als der Impressionismus bei uns unbekannt war; seitdem er die herrschende Kunstform auch in Deutschland geworden ist, nicht am wenigsten gerade durch den Einfluß Liebermanns, kann kein Eichsichtiger diesen mehr einen Internationalen, einen Fremdling unter den deutschen Künstlern nennen.

Eine nationale Kunst in dem Sinne, wie in alter Zeit, gibt es freilich heute nicht mehr; der leichte und enge Verkehr der Rationen untereinander nähert sie auch in geistiger Beziehung, in ihrer fünstlerischen Betätigung, und so ist die moderne franzö fische Kunstform, der Impressionismus, heute die herrschende über die ganze Stunstwelt. Die Anschauung jedes Objekts, auch des Menschen, durch das Medium von Licht und Luft, die Einordnung und Unterordnung unter die Landschaft, unter die Atmosphäre und die landschaftliche Stimmung ist heute der französischen Malerei nicht mehr eigen wie der englischen, amerikanischen oder deutschen. Und wie die Auffassung im wesentlichen gemeinsam ist, so sind auch die künstlerischen Ausdrucksmittel, die Technit, im Grunde gemeinsame oder wenigstens sehr verwandte. An Stelle der Schönheit von Form und Farbe, die bis dahin die Herrschaft hatte, und in deren Dienst und Verehrung wir Aelteren noch groß geworden sind, ist die Schönheit des Lichtes und des Tones ge­treten, die jene nur zum Teil zur Geltung kommen läßt, ja geradezu verneint. In dem Luftton, der alles umgibt und durch bringt, in dem Spiel des Lichtes erscheint die Linie unbestimmt und aufgelöst, die plastische Wirkung wird aufgehoben, die Farben werden vielfach gebrochen und negiert, ganze Gebiete der Kunst, namentlich die große Kunst, kommen nicht zu ihrem Rechte. 8weifellos ist, daß dadurch neue Reize der Natur entdeckt oder wiederentdeckt( denn Velazquez hat sie besser gekannt und aus­gedrückt als irgend ein Moderner!) worden sind, die den Vor­zügen der alten Kunst vielleicht nicht gleichwertig sind, aber doch ihre Berechtigung haben und voll zum Ausdruck kommen müssen. Die malerische Schönheit, das Verständnis für die Richtwerte, für hell und dunkel, für die Valeurs, für die Einheit in der Farben­wirkung und für die Stimmung, die dadurch hervorgerufen wird, haben ältere Künstler wohl zum Teil gekannt und gelegentlich und in ihrer Art in großartigster Weise zur Geltung gebracht, aber zum Prinzip, zur herrschenden Kunstform hat sie erst der moderne Impressionismus erhoben