Insofern, in seinen Kunstformen, in seinen AuSdrucksmittcln mag man also Liebermann international oder selbst französisch nennen, mit demselben Recht oder Unrecht wie jeden modernen Maler, aber sein Deutschtum, seine deutsche Empsindung, seinen deutschen Formen- und Farbensinn kann man dem Künstler des- Halb so wenig absprechen als irgend einem der deutschen Maler der älteren Schule, einem Menzel oder Knaus, einem Böcklin oder Feuerbach . Aus dem Tierleben. N u b i s ch e Löwenidhlle. Der englische Kapitän Speedh, der lange Jahre jagend und reisend in Nubien oerlebt hat, der- Lfsentlicht in Chambers' Journal interessante Erinnerungen an seine Jagdfahrten in den Gebieten Nordafrikas . Die Anschauung, daß der Löwe eines der verwegensten und mutigsten Raubtiere sei, wird von den nubischen Nomaden als törichte Legende verspottet. Sie erklären den König der Wüste geradezu für einen Feigling, der selbst verwundet nvch auf Flucht und Rückzug sinnt und nur in Augenblicken der Verzweiflung sich dem Gegner stellt. Speedy, der diesen Aeutzerungen anfangs skeptisch gegenüber stand, hat während seiner Fahrten manche Beispiele erlebt, die die verächt- liche Meinung über den König deS Tierreichs bekräftigen. Bei einer eiligen Reife von Bogos nach Majsauah auf einem Reitkamel lagerte er mit seinem einzigen Führer inmitten eines dicken Dschungels. Ich wollte ein Feuer anzünden, um mir Kaffee zu kochen. Zu meinem Erstaunen erhob mein Führer Widerspruch, einerseits, weil das Feuer Räuber herbeilocken könnte, andererseits aber weil die Löwen , die in diesem Gebiet umgingen und die uns sicher finden würden, an dem Feuer merken würden, daß wir vor ihnen Furcht hätten. Im Dunkeb dagegen würden sie uns für eine gefährliche Beute halten; denn sie haben nicht selten im Dunkel mit den Lanzen der Herdenwächter unangenehme Bekanntschaft gemacht und wissen solche Lehren zu beherzigen. Es wurde also kein Feuer angezündet. Aber die Argumentation meines Führers hatte wenig lieber- zeugendes für mich, und mit gemischten Gefühlen wickelte ich mich in meine Decke. Mein Gefährte pflockte das Kamel an, legte sich ebenfalls und wenige Minuten später hörte ick ein sorgloses Schaar- chen. Die Zeit verrann; ich konnte nicht schlafen. Alles war still, nur hin und wieder ging ein mattes Rauschen durch das Laub. Plötzlich ertönt in unmittelbarer Nähe unseres Lagerplatzes ein furchtbares Gebrüll. Ich sprang auf, weckte den Führer und er- zählte ihm die Sache.In Allahs Namen, o Herr, was anderes war es, das Du erwartetest?" meinte er phlegmatisch.Ich bitte Dich, höre nicht auf die Löwen . Wir wollen schlafen," und damit wandte er sich auf die andere Seite und nach wenigen Sekunden hörte ich wieder seine ruhigen Atemzüge. Die Nacht war für mich eine Qual. In kurzen Intervallen ertönte die unangenehme Serenade, manchmal zwei Löwen zusammen. Aber mein Führer behielt recht. Wir wurddn umkreist, umlauert, umbrüllt, aber zu einem Angriff wagte sich keine der Bestien heran. Trotzdem atmete ich erleichtert auf, als wir mit Mondaufgang aufbrachen und den unheimlichen Ort verließen." Diesen Mangel an Offensive jedoch wissen die Bestien durch List und Schlauheit wettzumachen, und Speedy hat seltsame Proben davon erlebt, mit welchem Raffinement die Löwen arbeiten", um ihre Beute von den schützenden Menschen abzulocken. Während einer Jagdpartie in Ainsabadistrikt kampierte Speedh mit einem Freunde und einer Anzahl Einheimischer in einem ausgetrockneten Flaßbett.Wir trafen unsere Vorkehrungen gegen die Löwen , das Lager wurde als ein Viereck angelegt, in dessen Mitte wir unsere Tiere, Kamele und einige Ponys und Ziegen festbanden. Ringsumher wurde da? Gepäck und die Zelte aufgerichtet, und an den vier Ecken wurden große Feuer entfacht, die die ganze Nacht über brennen sollten. Wir planten für den nächsten Tag eine strenge Tour und gingen daher früh schlafen. Einige Stunden vergingen in schönster Ruhe. Plötzlich erweckt unS ein furchtbares Brüllen, dessen Hauch unsere Zeltwand zu er- schüttern schien. Ich richtete mich auf, die Feuer waren im Ver» glimmen. Jck> nahm meine Büchse aus dem Futteral und hoffte, daß sich eine Gelegenheit zum Schusse finden würde. Aber JdriS, mein Jägermeister, bat mich, nicht zu feuern; es wäre möglich, daß wir durch eine Verwundung nur Schaden hätten. Ein erneutes Gebrüll unterbrach seine Belehrung. Jdris erzählte mir dann, daß die Löwen stets zu zweien jagden, meist Löwe und Löwin zusammen. Der eine bleibt zurück, seitwärts des Lagers, der anderegehe «in den Wind" und erhebe sein Gebrüll, in der Hoffnung, die an- gepflockten Tiere würden in einer Panik sich losreißen und fliehen und so dem lauernden Gefährten auf der anderen Seite in die Tatzen laufen. Mir schien diese Schilderung etwas phantastisch. Plötzlich ertönte von der entgegengesetzten Seite ein seltsames, kurzes, fauchendes Knurren.Aha," meinte Jdris,das ist die Gemahlin. Der Herr ist zurückgekehrt; er findet sie mit leeren Tatzen, ist sehr ungnädig und zeigt ihr die Zähne, als wollte er sie für die Nachlässigkeit bestrafen, daß nach all seinen Bemühungen das Abendessen noch nicht fertig ist. Dies Knurren ist ihre Ant- wort. Sie kennt seine ungnädige Absicht und springt ihn nur energisch an, um den ungeduldigen Herrn nachdrücklich zu belehren, daß es nicht ihre Schuld ist, wenn nichts gekommen ist." Ich schüttelte lächelnd den Kopf. Dann kam ein erneutes Brüllen, dies- mal wieder von der Windseite, und wieder begannen unsere ent- setzten Tiere verzweifelt an ihren Fesseln zu zerren. Aber nun schienen die Löwen ihre Taktik geändert zu haben. Jedes neue Brüllen ertönte etwas leiser, klang fern und ferner und die Tiere beruhigten sich in dem Gedanken, daß das Verhängnis vorüber sei. Aha," rief Jdris,nun hat seine Majestät die Rolle seiner Gattin übernommen. Nun hat sie das Lager umkreist und ihre Lungen erprobt, während er auf der Lauer liegt. Nachdem sie keinen Ausbruch des Viehs erreicht, heuchelt sie einen Rückzug, indem sie ihre Stimme nach und nach dämpft, als ob sie sich immer mehr entferne. Sie hofft, daß wenn die Angst gewichen, die Tiere sich wieder freier bewegen werden und sie vielleicht eher in ihr Bereich oder das ihres Gatten kommen werden." Mir schien das alles wenig glaubhaft, und ich legte mich schlafen. Am Morgen unter- suchten wir die Spuren. Jdris Behauptung wurde Schritt auf Schritt bestätigt. Wir konnten das erste Nahen des Löwen ver» folgen, die Rückkehr zu seiner Ehehälfte, die Stätte des ehelichen Zwistes und den Vormarsch der Löwin. Alles hatte sich ko ab- gespielt, wie Jdris es geschildert..." Technisches. Die elektrische Bahn der Zukunft wird nach einem fachlichen Urteil in dem Betrieb mit einfachem Wechselstrom gegeben sein. In Europa gibt es gegenwärtig 13 Eisenbahnlinien dieser Art, in Amerika bereits 16. Die längste Bahn, die auf diese Weise betrieben wird, befindet sich im Gebiet von Spokane im Nordwest- lichcn Teil der Vereinigten Staaten (Staat Washington ) und be- fitzt eine Länge von 186 Kilometern. In Amerika wendet man auch beträchtlich höhere Spannungen des elektrischen Stromes für Bahnen an, nämlich bis zu 11 600 Volt, während Europa bisher nur in einem Fall, nämlich auf der Versuchsstrecke von Tonteboda nach Vaerten in Schweden eine Spannung von 6600 Volt in Be- Nutzung gebracht hat. Bei kleineren Versuchen hat man freilich die Spannung schon bis auf 18 060 und gar 26 666 Volt gesteigert. Die Verwendung von Wechselstrom hat im Vergleich zu der von Gleichstrom sicher auch Nachteile, die hauptsächlich in dem größeren Gewicht und der schwierigeren Bauart der Motoren bestehen. Nach der Ansicht der Zeitschrift Industrie Electrique werden diese Nach- teile aber reichlich von Vorzügen aufgewogen. Namentlich ist es außerordentlich günstig, daß der Wechselstrom bequem umzuformen und in seiner Spannung herabzusetzen ist, indem dabei TranS- formatoren in Anwendung kommen können, die einfach genug ge- baut und so leicht zu isolieren sind, daß sie auf dem Wagen selbst untergebracht werden können. Infolgedessen ist der Spannung im Leitungsdraht keine so enge Grenze gesetzt, und dadurch wird wiederum die Möglichkeit gegeben, die Kraftwerke zur Erzeugung des Stroms in weiteren Abständen längs der Eisenbahnlinie zu verteilen. Humoristisches. Nobel. Parvenü(leise zu seiner Gattin, die in den Anblick eines Gletflbers vertieft ist):Nicht immer so erstaunt tun, als ob man noch nicht« geseh'n hätt', Rosa l... Da muß man ein ganz selbstverständliches Gesicht machen!" Derklassische" Bliemchen.»Harr Wert, war bedient dänn hier an dem Tische?" Der Kellner Nummer 8, mein Herr I" »Ich sitze aber schon eene ganse Echtunde hier, und deDreie" hat sich noch nichche säh'n lassen"(Plötzlich, als der Kellner auf- taucht):Ei Herr Jeses, da iS er ja l De Dreie is weerklich kee' leerer Wahn!" Auch ein Trost.Wenn unser Herr Expeditor Ober« expeditor wird, dann wird er jedenfalls noch aufgeblasener; aber einen Trost haben wir doch 1*Was für einen. Herr Adjunkt?" Gröber kann er wenigstens nimmer werden!" (Fliegende Blätter .') Notizen. Josef H a y d n S Werke sollen in einer kritischen Gesamtausgabe, die bisher nicht existierte, herausgegeben werden. Von diesem überaus fruchtbaren Komponisten ist eine große Anzahl von Werken überhaupt noch nie publiziert worden. Hervorragende Musikforscher werden die Ausgabe im Verlag von Breittopf u. Härtel veranstalten. Man rechnet mit einer Dauer von fünfzehn Jahren und einer Zahl von 86 Bänden, die etwa 12ö6 M. kosten werden. Billige Schülervorstellungen, die anderwärts wie in Berlin , Hamburg , Leipzig durch Lehrervereine, zum Teil mit Unterstützung der städtischen Behörden oder von diesen allein veranstaltet zu werden Pflegen, sollen in Chemnitz nach Bollendung des neuen Stadttheaters regelmäßig, und zwar Vertrags- gemäß stattfinden. Der für die Verpachtung der städtischen Theater bearbeitete Vertrag verpflichtet die Theaterdirektion, alljährlich an mindestens 16 schulfteien Nachmittagen Schülervorstellungen zu er- mäßigten Preisen(26, 36, 40 Pf.) zu bieten. Hector Malot , ein bekannter französischer Romanschrift« steller, ist im Alter von 77 Jahren in Paris gestorben. Eine An« zahl seiner Romane wurde auch ins Deutsche übersetzt; der Roman Im Banne der Versuchung" erschien in denFreien Stunden". Verantw. Redakt.: CarlWermutb. Berlin -Rirdorf. Druck u. Verlag; Vorwärts Buchdruckerei u.VcrlagsanstaltPaul Singer LcCo., Berlin LlV.