der Treiocrameisen berücksichtigt, verliert der Vorgang erheblichan Wunderbarem. Im Gegensatz zu den meisten ihrer Verwandtenbauen die Trciberameisen reine festen Wohnsitze, sondern führen einunstetes, herumschireifei'dcs Leben. Zur Zeit der Ruhe suchen sieirgendwelche natürliche Höhlungen unter Steinen oder Wurzelnauf, und auch hier findet man in der Regel die ganze Gesellschaftin der Weise, wie wir eS eben kennen lernten, zu einem großen,unförmlichen Klumpen zusammengeballt. Entsprechend der großenJndividucnzahl eines Hcerzugcs der Treiber erreichen diese leben-digen Nester bisweilen ganz gewaltige Dimensionen; ein Inhalt vonö— 10 000 Kubikzentimeter ist keine Seltenheit. Ueberraschend istes, den Beobachtungen v. Jhering's zufolge auch andere Ameisen-arten, die für gewöhnlich in festen Nestern Hausen, sich in ganzähnlicher Weise gegen Wassergefahr zu schützen suchen. In vielenTeilen Brasiliens, die häufig unter Ucberflutungcn zu leiden haben,lebt die kleine Diebsamcise, Solenopsis geminata. Umgegen die Unbilden des Hochwassers geschützt zu sein, bauen dieTierchen feste Erdhügelncster, die in der Regel dem Wasser ge-nügenden Widerstand entgegensetzen. Vermag jedoch bei sehrschlimmer Witterung die Höhe des Hügels den Fluten nicht mehrstandzuhalten, dann rotten sich auch hier wieder die Arbeiter zudichten Klumpen zusammen, in deren Mitte die geflügelten Ge-schlechtstiere samt der Brut aufbewahrt werden. Wie v. Jheringmitteilte, kann man zu gewissen Zeiten solche kuchenartige Haufenvon Solcnopsis-Jndividucn in großer Zahl schwimmend antreffen.Auch die großen Atta-Arten sollen sich bisweilen in dieser WeiseVor dem sicheren Untergange retten.Wenden wir uns noch einmal zu den Treiberameisen zurück.Bei ihren ausgedehnten Beutezügen begegnet es den Tieren natür-lich häufig, daß Regenrinnen oder kleine Bäche ihnen den WegVersperren. Bei schmäleren Gewässern sollen sich die Tiere, dasbestätigen verschiedene Beobachter, in der Weise helfen, daß siedurch Aneinanderklammern eine lebende Brücke schlagen, in ähn-licher Weise wie es von der columbischen Ameise beschrieben wurde.Kleinere Wasserlachen, die sich eventuell in der Nähe eines Ameisen-nestes g.-bildct haben, werden häufig dadurch beseitigt, daß dieTiere unablässig Sand und Erde herbeischaffen und allmählich diePfütze zuschütten. In entsprechender Weise wissen die Ameisenauch Leimringe zu überschreiten, die zum Schutz gegen Raupenfraßum die Obstbäume gelegt werden. Auch hier schleppen die fleißigenTiere solange Sand heran, bis sie einen gangbaren Damm auf-geschüttet haben. Auch in diesen Fällen wird es schwer, den offen-bar so überlegten Handlungen nicht ein logisches Denken unterzu-schieben. Fast noch erstaunlicher wirkt folgender Versuch, der vonW a s m a n n angestellt wurde. In das Nest einer heimischenAmeise, Formica sanguinea, wurde eine große mit Wasserangefüllte Uhrschale gestellt. Mitten in diesem Miniaturteich bc-fand sich eine kleine Insel, auf der die Brut der Tiere unter-gebracht war. Was werden die Ameisen nun wohl beginnen?Jedermann weiß, wie gerade die Ameisen an ihrer Nachkommen-schaft hängen und mit welcher Gewissenhaftigkeit sie darüberwachen, daß ihrer Brut kein Schaden zustößt. Mit welchem Staunensah der Beobachter, wie nach kurzem Zögern die Arbeiter Sandherbeizuschleppen begannen und ihn fort und fort in das Uhr-schälchen stürzten. Ohne Rast waren sie tätig, Sandkorn häufte sichauf Sandkorn und nicht lange so stieg ein Damm auf, der immernäher an die Insel herangeführt wurde. Endlich war das schwereWerk vollendet, im Triumph eilten die Tiere herüber und holtenihre Brut. Gibt es einen schlagenderen Beweis für da? Vernunft-gemäße Uebcrlegen der kleinen Gesellen? Kann man zlveifcln,daß die Anicisen in klarer Einsicht des Zweckes den Damm zu ihrerBrut aufführten?Jetzt kommt aber der Kontrollbersuch! Zum zweiten Malwurde den Tierchen eine Schale mit Wasser hingestellt, die aberweder eine Insel noch Ameisenpuppcn enthielt. Ein Brückenbauhatte jetzt offenbar keinen Zweck. Trotzdem ereignete sich genaudas gleich« wie bei dem ersten Versuch, trotzdem schleppten die Ar-beiter unentwegt Baumaterial herbei und errichteten einen Tamm.Das muß uns doch recht skeptisch machen. Dann war vielleicht auchdas erste Mal der Dammbau keine überlegte Handlung, dann wares wohl nur eine zufällige Begleiterscheinung, daß die aufgeschütteteBrücke die Tiere zu ihren Larven führte. Ist das aber, und manmuß es hiernach wohl annehmen, der Fall, so reduziert sich daskluge, scheinbar auf logische Schlüsse aufgebaute Verhalten aufeine Acußcrung des bei den Ameisen sehr stark ausgebildeten Rein-lichkeitstriebcS. Der gleiche Trieb ist ja auch die Veranlassung zuden weit über Gebühr angestaunten Ameisenbegräbniffen. Wiealle Abfälle schaffen die Ameisen bekanntlich auch ihre Toten ausdem Neste,' laden sie an bestimmten Stellen ab und bedecken siebisweilen wohl auch mit Erde.Nur wenn man die LcbenSgcwohnhciten der Tiere und ihrevielfach so anders gearteten Sinncseindrücke berücksichtigt, kann,nan zu einer rechten Würdigung ihrer seelischen Fähigkeiten ge-langen. Ich.Humoristisches.— K l e i n i n d u st r i e. Erfindung: Ein Kleiderhaken, der sokonstruiert ist, daß der angehängte Mantel nur dann abgenommenwerden kann, wenn man mit einem bestimmten Schlüssel den Hakenöffnet. Gcgenerfindung: Ein Taschenmesser, mit dem der Dieb ein-fach den Hänger des Mantels abschneidet.Erfindung: Ein Pulver, das als Zusatz zu Speisen, Mehl usw.den Ansatz von Schimmel und die Madenbildung verhindert. Er-gänzungserfinduug: Eine Lupe, die so kräftig ist, daß sie schon nachwenigen Tagen den Schimmel und die krabbelnden Maden deutlichzeigt.Erfindung: Die Stahlschreibfeder.Phönix", die niemals kratzt,reißt, spritzt und kleckst. Zusatzerfindung: Der Radiergummi„Per-fekt", der alle Spritzer und Kleckse des„Phönix" spurlos entfernt.Erfindung: ReinigungStinktur„Antidreckolin" entfernt jedenFlecken aus Anzügen in zehn Sekunden. Zusatzerfindung I: Stopf-maschinchen„Veloflick" stopft jedes Loch, das durch Anwendung des„Antidreckolin" entstanden ist, automatisch. Zusatzerfindung H:Balsam„Sanapura" heilt jede Stichwunde, der die Hand bei An«Wendung des. Veloflick" ausgesetzt wird. Zusatzerfindung III: Streu-Pulver„Aeskulap" beseitigt die entzündlichen und septischen Er-scheinungen, die sich bei Behandlung mit„Sanapura" regelmäßigeinstellen.(„Lustige Blätter.")Notizen.— Der Ausstellung von Antiguitäten undKunstgegen ständen, welche vom 6. September bis 0. Oktoberin den Gesamträumen der Berliner Sezession am Kurfürsten-dämm 208/209 stattfindet, sind Kunstschätze im Werte von mehrerenMillionen zur Verfügung gestellt worden. Unter den Gemälden alterMeister befinden sich Werke von Correggio, van Dyk, Rembrandt,Franz Hals, Ruysdael, Hobbema, VelaSquez usw. Die moderne Kunstist durch unsere ersten Meister vertreten.— Im Nachlaß von Ibsen haben sich mehrere epischeWerke gefunden, die von Ludwig Fulda ins Deutsche übertragenwerden.— Im Namen d e S Index sind in Kanada an franzöfischenWerken, wie der„N. Fr. Presse" mitgeteilt wird, u. a. allen gläubigenKatholiken u. a. zu lesen verboten: Alle Werke von Balzac, dieLieder von Böranger, alle Romane von Dumas Vater und Sohn,alle Werke von Georges Sand, ferner„Notrs-Dams do Paris",„Les misdrables" von Victor Hugo, das große Kon-versationSlexikon Larousse, alle Romane von Henri Murger,fast alle Werke von Ernest Renan, alle Romane von EugoneEue, alle Werke von Voltaire mit Ausnahme der Theaterstücke, end-lich selbstverständlich alle Werke von Emile Zola.Noch größer ist die Liste der als verdächtig bezeichneten Bücher.Es steht so ziemlich die ganze moderne französische schöne Litteraturdarauf, soweit sie einen Namen hat. Eine hübsche Ironie will es,daß auch Autoren, die als gutgesinnte Katholiken gelten Ivollen, zuden Verdächtigen gezählt werden.— Aus einer anderen Welt. Von mormonischen Sittenberichtet die„Rhein.-Wests. Ztg.": Die Kindererziehung wird alseine Angelegenheit der Gemeinschaft empfunden. Eltern, die eswünschen, können zwar ihre Kinder zu Hause erziehen, aber dieweitaus größte Mehrzahl vertraut ihre Kinder den Staatsanstaltenan. Diese Siaatsanstaltcn gleichen in nichts dem Schreck-gespenst, das man sich gewöhnlich bei dem Wort aus-malt; sie sind keine Massenanstalten, sondern repräsentieren eingeradezu mustergültiges individuelles Erziehlingssystem....Die ganze Erziehung nähert sich sehr dem Ideale, daS heute in denLanderziehungsheimen gepredigt wird; sie vollzieht sich zum großenTeile im Freien, im engsten Zusammenhang mit der Natur und istvor allem aufs Praktische gerichtet... Die gesamte Kindererziehunggeht auf Staatskosten, wozu wieder der von jedem Erwerbenden,gleichviel ob Mann, ob Weib, gezahlte Zehnte dient. Freilichist ein Familienleben in unserem Sinne zufolge dieser ganzenEinrichtungen nicht vorhanden, aber ein siarkus Gemeinsamkeits-gefühl; großes Interesse an öffentlichen Angelegenheiten finddie ethischen Triebfedern der Mormonen, und ihnen ver-dankt der Staat seine treffliche wirtschaftliche und kulturelleEntWickelung. Wir haben im Mormonenstaate ein überaus seit-sames Gebilde vor uns, ein Land, wo trotz der bestehendenPolygamie die Frau als in jeder Weise dem Manne eben-bürtig erachtet wird. Die Mormoninnen vereinigen tüchtige Arbeits-leistung mit einem kindlich-sonnigcn Gemüt und sind von auffallenderKörpcrschönheit. Hierzu mag die eigenartige Massenkreuzuug bei-tragen, aber gewiß auch der erwähnenswerte Umstand, daß geradedie Polygamie ein völliges Fehlen jedes außerehelichen Geschlechts-Verkehrs mit sich bringt. In Saltlake-City gibt es keine Prostituierten,keine venerischen Krankheiten, keine unehelichen Kinderl So leichthinwird also, bei Vcrgleichung mit unseren Zuständen, ein denkenderMensch das oberflächliche Urteil von der Unfittlichkeit der mormonischenStaatsgebräuche nicht nachsprechen.Dem um die Bckänipsimg der Sozialdemokratie hochverdientenJndustriellenorgane ist offenbar bei Ausnahme des Artikels ein Ver-sehen passiert, wenn auch nur im Feuilleton. Was soll der gut«gebildete Europäer davon halte», daß es dergleichen Dinge gibtbei den Mormonen IVerantw. Redakt.: CarlWcrmuth, Berlin-Rixdorf.— Druck u. Verlag:Vorwärts Buchdruckerei u.Verlagsanstalt Paul Singer ScCo.. Berlin LW,