Nnterhaltungsblatt des �orwärt s Nr. 145. Dienstag, den 30. Juli. 1907 (Nachdruck verbotene 21] Die JVIutter. Jegor RoMSn vM Maxim Gor! Deutsch von Adolf Heß.. Um nächsten Morgen beim Tee fragte Jegor sie: --c-Wenn man Sie nun erwischt und fragt, woher Sie all diese ketzerischen Schriften haben was werben Sie dann sagen?" Geht Sie nichts an. sage ich" erwiderte sie. -Damit sind sie sicherlich nicht einverstanden!" erwiderte Sie sind fest davon überzeugt, daß sie das sehr wohl angeht!.».».Und sie werden Kie lange und hartnäckig be- fragen."- ».Ich sage es aber nicht!" Dann gibt es aber Gefängnis!" Nun, was macht das? Gott   sei Dank wenn ich dazu wenigstens noch tauge!" sagte sie schwer atmend.Wer hat mich denn sonst nötig?. Niemand Foltern werden sie mich nicht.. Hm!" sagte Jegor, sie aufmerksam anblickend.Foltern werden sie Sie nicht. aber wer etwas wert ist, muß sich doch in acht nehmen." Das lernt man sonst bei Ihnen nicht!" erwiderte die Mutter lächelnd. Nach kurzem Schweigen ging Jegor im Zimmer auf und ab, trat dann zu ihr und sagte: -Ist schwer, Landsmännin! Ich fühle es Sie haben es sehr schwer!" Das haben alle!" erwiderte sie mit der Hand abwehrend. Vielleicht haben nur die es etwas leichter, die es verstehen... Ich fange aber auch allmählich an zu verstehen, was die Menschen wollen.»." Wenn Sie das verstehen, Gevatterin, so heißt das, alle Menschen haben Sie nötig.. alle," sagte Jegor ernst und strenge. Sie blickte ihn an und lächelte schweigend. Mittags bepackte sie ruhig und geschäftsmäßig ihre Brust mit Schriften und tat das so geschickt und bequem, daß Jegor vergnügt mit der Zunge schnalzte und erklärte: Särr gutt," wie ein guter Deutscher sagt, wenn er sein Dutzend Maßkrüge hinter die Binde gegossen hat. Sie hat dieLiteratur" nicht verändert: Sie bleiben nach wie vor ein gutes, altes, dickes, großes Weib. Alle guten Götter segnen Ihr Beginnen!" - Eine halbe Stunde darauf stand sie unter ihrer Bürde ruhig und sicher am Fabriktor. Zwei Wächter, die durch den Spott der Arbeiter erregt waren, befühlten alle Leute, die in den Hof traten und schimpften sich mit ihnen herum. Seitwärts stand ein Polizist und ein dünnbeiniger Mensch mit rotem Gesicht und unruhigen Augen. Die Mutter legte ihr Schulterjoch von einer Seite auf die andere und blickte heimlich den Menschen an sie fühlte, daß das ein Spion sei. Ein großer, lockiger Bursche mit in den Nacken ge- schobener Mütze schrie den Wächtern, die ihn untersuchten, zu: Ihr Teufel, sollt doch den Kopf und nicht die Taschen untersuchen!" Ein Wächter antwortete: Du hast auf dem Kopf ja doch nichts anderes als Läuse..." Ist ja Euer Geschäft, Läuse und nicht feine Fische zu fangen!" rief der Arbeiter zurück. Der Spion warf ihm einen schnellen Blick zu und spuckte aus. Laßt mich doch wenigstens durch!" bat die Mutter. Seht doch: jemand mit einer Last: der Rücken bricht mir ja!" Vorwärts, vorwärts!" schrie der Wächter böse.'Die hak auch schon was zu sagen..." Die Mutter ging an ihren Stand, stellte die Töpfe auf die Erde, wischte sich den Schweiß vom Gesicht und blickte um sich. Sofort traten die Schlosser Gebrüder Gussew   auf sie zu, und der ältere, Wassili, fragte stirnrunzelnd laut: Hast Du Pasteten?" Morgen bringe ich fiel" erwiderte sie.________ Das war das Stichwort. Die Mienen der Brüdep klärten sich auf. Iwan konnte nicht an sich halten und rief: Heilige Mutter Gottes, das ist famos!...". Wassili hockte nieder, und während er in den Topf blickte, verschwand gleichzeitig ein Packen Schriften an seiner Brust. Iwan", sagte er laut,wir gehen nicht nach Hause, wollen bei ihr essen!" Dabei schob er einen neuen Packen in den Stiefelschaft.Müssen die neue Händlerin unterstützen Das müssen wir!" stimmte Iwan lachend bei. Die Mutter blickte sich vorsichtig nach allen Seiten unk und rief dann: Kohlsuppe! Heiße Nudeln! Braten!" Dann zog sie unmerklich die Blätter Packen für Packen heraus und schob sie den Brüdern in die Hand. Und jedes- mal, wenn ein Packen aus ihrer Hand verschwand, tauchte vor ihr als gelber Fleck wie eine Streichholzflamme in einem dunklen Zimmer das kranke, spöttische Gesicht des Gen» darmerieoffizicrs auf, und sie sagte in Gedanken mit einem Gefühl der Schadenfreude zu ihm: Etsch  , da hast du eins, Väterchen.'..T' Und indem sie das folgende Paket übergab, fügte sie be­friedigend hinzu: Und da noch eins..." Arbeiter kamen mit Schüsseln in der Hand: wenn sie in der Nähe waren, begann Iwan Gussew laut zu husten, und Frau Wlassow   stellte ruhig die Schriftverteilung ein und der» teilte dafür Kohlsuppe und Nudeln, und die Gussews meinten scherzend: Wie geschickt sie das macht, die Nilowna!" Not lehrt beten!" meinte ein Heizer finster.Haben ihr ja den Ernährer weggenommen. das Pack! Na, gib mir für drei Kopeken Nudeln, Macht nichts, Mutterl Schlägst Dich schon durch." Danke für das gute Wort!" lächelte sie. Er brummte beim Fortgehen seitwärts: Gute Worte sind bei mir nicht teuer..." .Aber es ist niemand da, dem man sie sagen kann!" meinte ein Schmied lachend. Dabei zuckte er verwundert die Achseln und fügte hinzu: So ist das Leben, Kinder niemand da, dem man ein gutes Wort geben kann... Niemand hat eins verdient..."> Wassili Gussew stand auf, knöpfte seinen Rock fest zu undi rief: Hab' warm gegessen und bin doch kalt geworden!" Dann wandte er sich ab: Iwan stand ebenfalls auf und ging pfeifend von dannen. Frau Wlassow   rief mit freundlichem Lächeln ausk Warmes Essen Kohlsuppe, Nudeln, Brühe..." Sie dachte daran, wie sie ihrem Sohn von ihrem ersten Versuche erzählen würde, aber da stand wieder fragend und bösartig das gelbe Gesicht des Offiziers vor ihr. Der schwarze Schnurrbart an ihm bewegte sich, und unter der vor Erregung hochgeschobenen Oberlippe glänzte der weiße Schmelz fest zu» sammengeprcßter Zähne. In ihrer Brust schlug und sang die Freude wie ein Vogel, ihre Brauen zuckten verschmitzt, und indem sie geschickt ihre Arbeit verrichtete, sprach sie miÜ sich selbst.~ v, Und immer noch mal eins.»? KVI. Den ganzen Tag spürte sie in ihrem Herzen ein neues, angenehmes, schmeichelndes Gefühl. Abends aber, als ihre Arbeit bei Marja beendet war und sie Tee trank, ertönte vor, dem Fenster das Klatschen von Pfcrdehufen im Schmutz, und eine bekannte Stimme erschallte. Sie sprang auf, stürzte in die Küche, zur Tür, jemand trat schnell in den Flur, ihp wurde dunkel vor den Augen, sie lehnte sich gegen den Tür« Pfosten und stieß die Tür mit dem Fuße auf. Guten Abend, Mütterlcinl" ertönte die ihr bekannte singende Stimme und ein paar trockene, lange Hände legte» sich auf ihre Schultern. Schmerz der Enttäuschung und Freude über das Wieder- sehen mit Andrej loderten in ihrem Innern auf. Sie flammten auf und verschmolzen zu einem großen brennenden Gefühl, das sie mit heißer Welle umfing und erhob, so daß sie mit dem Gesicht gegen Andrej's Brust sank. Er drückte